Montag, 15. Februar 2010

Filmtitel VI

Wolfgang Maier hat in seinem Buch Spielfilmsynchronisation (Frankfurt a.M. et al.: Peter Lang 1997) ein ganzes Kapitel dem Problem des Übersetzens von Filmtiteln gewidmet. Für alle Möglichkeiten bietet er schlüssige Erklärungen. Wird der Originaltitel beibehalten, weil es sich um einen (bekannten) Eigennamen handelt, hat dies den Vorteil, dass "durch die internationale Presse der Film möglicherweise schon vor einem Deutschlandstart aufgrund des einprägsamen kurzen proper name bekannt ist; das macht das Publikum neugierig" (S. 75). Nach der "Allemanitis" der 50er/60er Jahre, wo man jeden englischen Titel (mitunter krampfhaft und misslungen) eindeutschte, begann die bis heute anhaltende Phase, in der auch unverständliche Filmtitel beibehalten werden. "Anscheinend liegen die Wurzeln darin vergraben, daß die Werbestrategen dem potentiellen Käufer/Zuschauer weiszumachen versuchen, bloß was 'neu' ist, sei 'gut'" (S. 79). Und weiter: "'Jurassic Park' hätte in den fünfziger Jahren wohl 'Panik im Dinosaurier-Park' geheißen." Die Englisch-Kompetenz des heutigen Publikums [= dem von 1997] sei jedoch nicht besser als die des Publikums von damals (diese Aussage stimmt heute, 2010, m.M.n. nicht mehr); "wichtig bleibt alleine der Erkennungseffekt der für manche inhaltslos gewordenen englischen Titel." (S. 80)
Sehr unterhaltsam sind die Ausführungen zu nicht am Original angelehnten Filmtiteln. Die schärfsten Schoten entstanden in der Trash-Horror-Welle der späten 60er bis 80er Jahre, als man das Publikum mit Titeln über "gefolterte Jungfrauen" und "gequälte Hexen" ködern wollte. The Haunted Palace (basierend auf H.P. Lovecrafts Erzählung Der Fall Charles Dexter Ward, ulkigerweise aber vermarktet als "based on a story by Edgar Allan Poe") wurde in Deutschland zu - festhalten! - "Die Folterkammer des Hexenjägers". Ein weiteres Highlight (S. 89f.):

"Nehmen wir Jean Rollins Öko-Thriller 'Les Raisins de la Mort' [...] was machte der deutsche 'A.B.'-Filmverleih daraus? Man möchte es nicht glauben, aber bei uns werden 'Die Trauben des Todes' zur 'Foltermühle der gefangenen Frauen'. Was sich der Verleiher unter einer 'Foltermühle' vorstellt, sei dahingestellt, jedenfalls kommt in diesem Film keine vor, ebensowenig wie 'gefangene Frauen'. Dem Titel entsprechend war übrigens auch die Graphik des deutschen Filmplakats ausgerichtet: Halbnackte, angekettete Mädchen (die im Film natürlich überhaupt nicht vorkommen) und grausig aussehende Totenköpfe, und als Slogan auf dem Poster die Aufschrift 'Zombie G.m.b.H. & Co. in Action' (sic!). Aber selbst so ein idiotischer Titel [...] kann noch übertroffen werden: Auf Video hieß derselbe Streifen nämlich 'Zombis geschändete Frauen' (man achte auf die Orthographie!), was zur Folge hatte, daß er umgehend indiziert wurde [...] Der Dumme ist in jedem Falle der Zuschauer: diejenigen, die wirklich 'gefangene', 'geschändete' oder 'gefolterte' Mädchen erwarten, werden enttäuscht, und die 'ernsthaften' Kinogänger müssen sich unweigerlich genieren, wenn sie an der Kinokasse eine Karte für 'Foltermühle der gefangenen Frauen' lösen [...] [D]as (übrigens minderwertige) deutsche Bauerndrama 'Das Mädchen vom Hof' versuchte man im Zuge der Horrorwelle als 'Die Totenschmecker' besser verkaufen zu können, und schließlich endete das Machwerk als 'Der Irre vom Zombiehof'."
Faszinierend sind auch die Versuche, Geld mit getürkten Franchises aufgrund früherer Erfolgsfilme zu machen:

"Man denke nur an die von Sergio Corbucci 1966 geschaffene Figur des 'Django'. Der Name wird auch heute noch gleichgesetzt mit dem Helden der Spaghetti-Western, und so fanden sich in Deutschland nicht weniger als 50 Filme, die sich des populären Namens der Kultfigur zu eigen machten. Doch wieviele 'echte' Django-Filme gibt es eigentlich wirklich? Die Antwort ist einfach: nur einen, eben den von Corbucci inszenierten. Alle anderen Produktionen, die sich daran anlehnen, haben mit dem eigentlichen 'Django' überhaupt nichts zu tun. Und trotzdem brach bald darauf eine wahre 'Django'-Flut über die bundesdeutschen Kinos herein [...]: Die Vorstellung 'Django spricht das Nachtgebet' steht in krassem Widerspruch zu 'Django spricht kein Vaterunser', ja die Palette reicht sogar bis hin zu 'Django Nudo und die lüsternen Mädchen von Porno Hill'."


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