Donnerstag, 1. März 2012

... wie aus einem schlechten Film

Auf Welt online las ich heute dies:

"Eine Geschichte wie aus einem schlechten Film: Ein Deutscher hat in Österreich seinen Tod vorgetäuscht. Er hatte vor, in den USA ein neues Leben anzufangen."

Was mich daran stört, ist die Phrase "eine Geschichte wie aus einem schlechten Film". Wirklich? Ist ein Film, in dem jemand seinen eigenen Tod vortäuscht, automatisch schlecht? Die Filmdatenbank imdb listet für den Tag "Faking Own Death" 28 Titel auf, darunter Der dritte Mann (Wertung: 8,5/10), Der Mondmann (7,4/10) und James Bond: Thunderball (7,0/10). 24 der 28 Filme haben eine Bewertung von über 5,0 erhalten, sind also alles andere als schlecht.
Viel zu schnell ist man mit der abfälligen Bemerkung "wie im schlechten Film" dabei, nur weil das Leben wieder einmal die bessere Geschichte geschrieben hat.

"Eine Geschichte wie aus einem schlechten Film: Vier junge US-Bürger sind in Nord-Philadelphia festgenommen worden, nachdem sie mit einer Petition Überwachungskameras hinterfragten." (netzpolitik.org)

"Wie aus einem schlechten Film erscheint, was am Dienstag in Lüttich geschehen ist: Mit Handgranaten und einer Pistole tötete ein 33-Jähriger zunächst zuhause eine Frau und später ein Kind und zwei Jugendliche am zentralen Platz der Stadt, bevor er sich selbst durch einen Schuss in den Kopf selbst tötete." (Welt online)

"Schon fast wie aus einem schlechten Film mutet die ausgestellte Technik an, mit der das MfS Menschen ausspionierte, mit Kameras in einer Gießkanne, einem Obstkorb, einer Aktentasche, sogar einem BH-Verschluss." (otz.de)

"Ein halbnacktes weinendes Kind rennt durch die verschneiten Straßen einer Großstadt. Bilder wie aus einem schlechten Film, die für einen kleinen Buben aus New York zur Realität wurden." (austria.ch)

"Wie in einem schlechten Film müssen sich die Insassen einer U-Bahn im Münchner Untergrund am Dienstagnachmittag vorgekommen sein. Der Zug der Linie U1 fuhr vom Hauptbahnhof bis zum Mangfallplatz sieben Stationen ohne einen Halt durch, dann wurde er durch eine Zwangsbremsung gestoppt." (donaukurier.de)

Ich zumindest könnte mir die genannten Szenarien sehr gut in unter die Haut gehenden Psychothrillern vorstellen. Ein Drama über festgenommene Netzaktivisten würde ich mir sofort anschauen.
Wann wäre es denn tatsächlich gerechtfertigt, eine wahre Begebenheit mit einem schlechten Film zu vergleichen? "Bombe in letzter Sekunde entschärft" - "Frau heiratet besten Freund statt reichen Verlobten" - "Polizist einen Tag vor Pensionierung erschossen" - "Außerirdische Roboter bekämpfen sich in Form von Autos auf der Erde!" Bei diesen Schlagzeilen würde sich natürlich niemand trauen, schlechte Filme heranzuziehen.

1 Kommentar:

  1. Genau darüber habe ich mich schon sooooo oft geärgert. Wenn eine Szene im wahren Leben so oder so ähnlich geschieht, ist es doch Beweis genug, das der "schlechte" Film realistisch war. Das ein Film automatisch schlecht sein soll, weil er nicht zum Wohlfühlen ist, ist unlogisch. Ein guter Film darf beunruhigen, aufregen.
    Diese Phrase wird leider unüberlegt immer weiter gedroschen.

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