Kleine Kulturgeschichte des Brummkreisels
Der Brummkreisel ist überraschenderweise eine zentraleuropäische Schöpfung und findet erstmals im Hildebrandslied, einem deutschen Heldenepos aus dem 9. Jahrhundert, als brumon-krîzel Erwähnung. Über die Jahre hinweg entwickelte sich dieses reizende Kinderspielzeug zu einer Wertanlage, die in keinem besseren Haushalt fehlen durfte. Im späten Mittelalter trat der Brummkreisel seinen Siegeszug in Kaukasien, der südlichen Ägäis und dem Hochland von Tibet an. Nicht nur die Kleinsten mochten inzwischen damit spielen, nein, sogar gepuderte Hofdamen ließen die handbemalten Blechteile um die plissierten Röcke kreiseln. Und es durfte sich nicht Ritter nennen, wer nicht mindestens einen Brummkreisel bei einer Schlacht mit sich führte. Auch in vielen Herrscherdynastien der Alten Welt gehört ein Brummkreisel seit jeher neben Zepter und Reichsapfel zum symbolischen Zubehör des Oberhauptes. Otto der IV. von Braunschweig, heißt es, besaß eine Sammlung von immerhin 400 Exemplaren. Die im Jahre 1198 verfassten "Brummkreisel-Statuten" ermächtigten die Hälfte davon zu offiziellen Beratern des mittlerweile vor Demenz und Syphilis siechenden Kaisers. Auch die Französin Katharina von Medici war vernarrt in die drehenden Geräte, wenngleich ihre Passion vornehmlich in der durch eine delikate Zweckentfremdung gewonnenen Lustverschaffung begründet lag.
Womit wir auch schon beim nächsten Thema wären: dem Aufbau des Brummkreisels. Oben beginnend, besteht er aus einem Knöffel und der Latze. Ganz unten, also das, worauf der Kreisel steht, das ist die Zeixel oder auch der Flimmfuß. Durch das gleichmäßige und schnelle Pumpen des Knöffels lädt sich der Hohlkörper mit Druckluft auf. Wir nennen diesen Vorgang Walken, einige Vertreter der alten Mannheimer Kreiselschule sagen noch Druggen dazu. Den so entstandenen Pumpdruck bezeichnet man als Trempelscherfe. Diese wird mit dem Loslassen des Knöffels durch einen winzigen Kanal im Innern, der Wuhse, eingesaugt und in Kreiselkraft, in Quätsche, umgewandelt. Und voilà!, der Brummkreisel dreht sich, er rotiert, er kreiselt. Seit Anbruch des High-Tech-Zeitalters gibt es Versuche, den Brummkreisel mittels Fiberglas-Technologie zu einem Kommunikationsgerät zu entwickeln. Auch im militärischen Bereich wurde er – leider – zum Objekt der Wissenschaft. Im Vietnamkrieg beispielsweise fand er als Boobie Trap Verwendung.
(geschrieben 2003)
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