Donnerstag, 25. September 2014

Stellen einer Ausbildung (Teil 4)

Das Haus, vor dem ich stand, wies verspielte Ornamente im gesamten Farbspektrum auf. Zudem waren die Dachgiebel mit allerhand Tonfiguren und Motiven aus der indischen Mythologie verziert. Als endlich die Tür aufgetan wurde, erschien eine schätzungsweise siebenundzwanzigeinhalb Jahre alte Frau. Hurtig verliebte ich mich. Vom Äußeren her entsprach sie in etwa meinen Vorstellungen der idealen Partnerin. Die vielzitierten inneren Werte mussten noch ergründet werden, ich malte mir aber diesbezüglich gute Chancen aus. Hauptsache, sie gehörte nicht der mir verhassten Kategorie der Diskoschlampen an, welche einen Großteil der Mädelfraktion meiner ehemaligen Schulklasse stellte. Ich hatte eher einen Zugang zu den verschwiegenen, zahnbespangten, sittlich integren Streberinnen aus dem Algebra-Club zur Ausprägung gebracht. Denn wisset, ihr Spötter: In früher Schulzeit noch introvertiert, blühen jene Geschöpfe allmählich auf und entfalten sinnliche Brillenschlangen-Erotik, gepaart mit Intelligenz und einem wohligen Wesen. Mit so einer ließ sich die Zeit auf angenehme Weise verbringen! Man könnte nach einem ausgedehnten Skilanglauf in ein uriges Schankhaus einkehren und bei Kaffee und Apfelstrudel über neuronale Netzwerke parlieren. Cousin Pontius hatte geringere Ansprüche: "Sie muss nur dumm genug sein, um gefälschten Schmuck nicht zu erkennen!"

Fräulein Lenhardt ließ all dies vergessen. Folgendes Gespräch entspann sich: "Guten Tag, ich bin Gerhard. Ich arbeite bei der Möbelpackfirma und habe eine Lieferung für Sie." – "Möbelpackfirma? Du? Was soll das heißen? Ich erwarte keine Lieferung." – "Ist das hier Indien?" – "Nein, nein. Das ist nur die indische Besatzungszone Deutschlands. Willst du reinkommen?" – "Es wär mir ein Plaisir!" Im Wohnzimmer ließen wir uns nieder. Ich erläuterte die Sachlage. Fräulein Lenhardt kuckte mitleidig und sagte: "Das ist bestimmt ein Missverständnis!" "Na schön, zur Klärung sollte ich meine drei Kollegen hinzuziehen", schlug ich vor, worauf das Fräulein erbleichte und schrie: "Nein! Alles, nur das nicht! Bleib, bitte, junger Gerhard, ich weihe dich in ein Geheimnis ein!" Ratlos hielt ich inne und wartete darauf, was sie zu sagen hatte. "Diese drei Männer stellen mir nach", seufzte sie. "Seit zehn Jahren sind sie mir auf den Fersen. Ich hätte nie geglaubt, dass sie meinen geheimen Aufenthaltsort aufspüren würden." "Aber woher kennen die Rowdys Sie?" "Komm mit in den Keller ... ich zeige es dir." Wir deszendierten, und Frl. Lenhardt kramte eine Pappkiste hervor, die etliche vergilbte Magazine barg. Ich staunte nicht schlecht, als ich las, um welche Publikation es sich handelte, nämlich die Zeitschrift Busen! Die Lenhardtsche zog wahllos ein Exemplar heraus und reichte es mir. Schamvoll blätternd entdeckte ich auf mehreren Farbfotos ... sie. "Das sind ja Sie!", rief ich aus. "Meine Güte, ich bin selber Konsument dieses Journals, aber Sie sind mir bis dato nie aufgefallen! Ich lese immer nur die Texte." "Ich war jung und brauchte das Geld", flüsterte die Frau, "außerdem wollte ich rebellieren. Da hab ich mich für dieses Schundblatt ablichten lassen. Seitdem sind die drei schwanzgesteuerten Machos Ebby, Ralle und Herr Spinne hinter mir her." Ich schaute mir das Impressum an und wurde vom nächsten Schlag getroffen: Herausgeber des Magazins war ... "Opa Waldemar!", keuchte ich. "Das ist die Graue Eminenz der Möbelpackerei. Er muss den dreien verraten haben, dass du in Indo-Deutschland lebst! Deswegen vergöttern sie ihn so!" Lenhardt winkte ab: "Der Alte hat mal ranzige Margarine gefressen ... Aber jetzt sollten wir die ungehobelten Kerle entsorgen. Mir nach, Gerhard!" "Da will ich gern behilflich sein!", rief ich.

Im Vorgarten schlummerten die Kollegen nach wie vor in ihren Röhren. "Die betonieren wir zu", riet Frl. Lenhardt. Binnen fünf Minuten war der Streich erledigt. Wir wuchteten die Litfaßsäulen in ihre natürliche Position, worauf aus dem Innern lautes Klopfen ertönte, was aber nach wenigen Stunden erstarb. Die junge Frau lud mich in ihr Eigenheim ein. Sie verriet mir sogar ihren Vornamen: Maximilia. "Süüüüß", jauchzte ich. "Darf ich hier wohnen?" "Hast du denn keine Freunde, Kleiner?" Ich klagte: "Leider nein. Meine einzigen Freunde sind Leela, Fry, Bender, Professor Farnsworth, Amy und Hermes." "Und was ist mit Dr. Zoidberg?", fragte Maxi. – "Ach", puffte ich, "den mag niemand. Aber ich bin ein Freund des Fernsehens." "Ich auch", erwiderte sie. "Was kommt denn gerade?" Ich sagte: "Entweder 'Arg sportlich für euch' oder 'In einer unteren Bildschirmecke sitzt ein Prominenter und kommentiert den hinter ihm auf einem Blue-Screen laufenden Filmbeitrag mit Biss und Humor'. Wir können aber auch Schach spielen. Für Sex bin ich noch zu jung." "Einverstanden", meinte Maximilia.

ENDE

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