Ich war von einem Fernsehsender beauftragt worden, ein Interview mit einem "Prominenten" zu führen, dessen Namen ich noch nie gehört hatte. Am Ort des Interviews befanden sich bereits Hunderte Medienvertreter – der Star hatte offenbar einen regelrechten PR-Marathon angesetzt. Ich fragte die Anwesenden, um wen es sich eigentlich handele, und erfuhr: um den Halbbruder des Ex-Boxers Axel Schulz, der hier sein neues autobiographisches Buch vorstellen würde ("Ich bin der Halbbruder von Axel Schulz"). Ich musste laut lachen und weigerte mich, das Interview durchzuführen. Die anderen Medienleute waren pikiert über meine Arroganz. Ich bekam noch mit, wie sie sich voller Ernst und Hingabe gescheite Fragen ausdachten, z.B. "Wie fühlt man sich als Axel Schulz' Halbbruder?" Durch die Verweigerung meiner journalistischen Aufgabe entgingen mir 100 Euro. Zu Hause sah ich mir in einer Vorabendsendung eines der unzähligen an jenem Tag entstandenen Interviews an; es war anscheinend wegen Langeweile oder Peinlichkeit nicht sendefähig, weshalb die Kamera während des gesamten Gesprächs auf so ein aufziehbares Scherzartikel-Gebiss gehalten wurde, welches über den Vorabendsendungstisch klapperte. Im Anschluss an das Interview kam noch ein Beitrag über eine Vorfahrin von mir, die in den 1930er Jahren eine gefeierte Balletttänzerin war. Leider befahl mir meine innere Traumstimme aufzuwachen, bevor ich Details aufschnappen konnte ("Es ist schon spät, wegen der Zeitumstellung!").
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