Die Leute äußern immer so viel! Den ganzen Tag schreiben sie und reden sie, und mehr als einem Harmoniebedürftigen lieb sein kann, vergreifen sie sich im Ton, schießen sie übers Ziel hinaus oder verlautbaren schlicht und einfach Bullshit. Dennoch unterstütze ich die (inzwischen auch schon wieder abgedroschene) Aussage "Das muss eine Demokratie aushalten können." Und vielen dieser prominenten Meinungscyborgs nehme ich ihre ätzenden Unsinnssätze nicht mal übel. Man erwartet es von ihnen: Wenn Erika Steinbach wieder einen hämischen Tweet absondert, wenn Margot Käßmann sich wieder auf besonders einfältige Weise in eine Debatte einmischt, dann denke ich mir "Ja mei, das ist halt Erika Steinbach / Margot Käßmann / Til Schweiger / der Papst / Sarah Palin / Dieter Nuhr / Jasper von Altenbockum [...]". Oder wie Jon Stewart es neulich ausdrückte: "It is hard to get mad at Donald Trump for saying stupid things in the same way you don’t get mad at a monkey who throws poop at you at the zoo." Gleichzeitig behalte ich mir vor, mich über diese Figuren lustig zu machen.
Aber es gibt eine Grenze. Wenn diese Grenze überschritten wird – und zwar von Personen, deren Existenz eben gerade nicht allein auf öffentlicher Meinungsäußerung fußt –, ist es bei mir mit jeglichem Verständnis und aller Demokratieverteidigung vorbei. Und mit meinem Humor. Ich möchte für diese Grenzüberschreitungen zwei Beispiele geben: in der Tat die einzigen zwei Fälle, die mir in Erinnerung sind (ich bin halt im Großen und Ganzen ziemlich tolerant).
Erstens: der berühmte "Kramer incident". Der ist nun auch schon wieder achteinhalb Jahre her. Was war passiert? Der Schauspieler und Komiker Michael Richards ("Kramer" aus "Seinfeld") fühlte sich bei einer Stand-up-Performance von ein paar etwas laut gewordenen Schwarzen im Publikum gestört und verfiel in eine Hasstirade, deren Wortlaut ich zum Glück fast vergessen habe; sie beinhaltete ein mehrfach gebrülltes "He's a nigger!" und, sinngemäß, den Satz "Vor fünfzig Jahren hätte man dich aufgehängt!" Richards bat später um Verzeihung und schob den verbalen Ausfall auf die Wut, die ihn an jenem Abend "wie ein Dämon" ergriffen hätte. Wut, Schmut!, schnaube ich. So etwas rutscht einem nicht einfach so raus. Das war ganz offensichtlich ein tief sitzender Rassismus, der sich dort Bahn gebrochen hatte; da zeigte jemand sein wahres, hässliches Gesicht, und dafür kann es keine Entschuldigung geben. Nö, nö, da bin ich stur. Der Mann hat's verschissen. (Amüsant übrigens, wie gefasst und gewählt der Beschimpfte auf Richards' Gebrüll reagierte: "That's uncalled for!") Auch der selbstironische Gastauftritt bei "Curb Your Enthusiasm" hat da nichts mehr geraderücken können.
Zweitens: die Dresdner Rede von Sibylle Lewitscharoff im März 2014. Als ich davon las, wäre mir vor lauter Schütteln fast der Kopf abgefallen. Ich konnte einfach nicht fassen, wie eine hochgelobte Schriftstellerin künstliche Befruchtung – etwas, das im 21. Jahrhundert so selbstverständlich scheint wie Kaiserschnitt und Bluttransfusion – als "abscheulich" und "widerwärtig" bezeichnen kann und "Kinder, die auf solch abartigen Wegen entstanden sind, als Halbwesen" und als "nicht ganz echt [...], sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas"; wie eine Bachmann-, Kleist- und Büchner-Preisträgerin allen Ernstes kundtun kann, ein "Onanieverbot" für "weise" zu halten. "Was für ein Dreck; welch ein Abgrund an Perfidie und Schweinegesinnung." (Stefan Gärtner, in anderem Zusammenhang)
Ich halte fest: Michael Richards und Sibylle Lewitscharoff könnten von mir aus gemeinsam den Nahostkonflikt lösen und einen Impfstoff gegen Diabetes erfinden, ich würde ihnen trotzdem nicht die Fahrstuhltür aufhalten. Die würden eh in eine andere Richtung fahren als ich. DIREKT IN DIE HÖLLE.
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