Sonntag, 29. November 2015

Wortgeschichte zum Erntedankfest

Eine meiner aktuellen Print-Lektüren ist "The Language of Food" von Dan Jurafsky. Im sechsten Kapitel, welches ich gestern las, ging es zufälliger- und passenderweise um die verwirrende Namensvielfalt des saisonal gefragten Vogels, den man im Englischen mit der Türkei in Verbindung bringt (turkey), im Französischen mit Indien (dinde < "d'Inde"), im Hindi wiederum mit Peru (peru) und im Arabisch der Levante mit Äthiopien (dik habash "äthiopischer Vogel"). Was Truthähne obendrein mit mexikanischer Schokoladensoße und einer Tragödie von Sophokles zu tun haben, kann man bei Bedarf a.a.O. selbst nachlesen. Hierzulande spielt Thanksgiving ohnehin keine Rolle, weswegen ich euch lieber an einem Aha-Erlebnis teilhaben lasse, das ich an einer anderen Stelle hatte.

Das Alte Testament kennt – wie viele Schriften alter Kulturen – Libationsopfer. Die Hebräer nahmen dafür gerne Wein oder ein Getränk namens sheker. Dieses Wort konnte u.a. "Bier" bedeuten und wurde aus dem Akkadischen entlehnt (šikaru), wo es gleichfalls eine Art Bier bezeichnete. Als sicera fand sheker in die Vulgata, die lateinische Bibelübersetzung des späten 4. Jahrhunderts, Einzug, und auch im Yiddischen lebt es weiter: shikker bedeutet hier "betrunken". Und steckt shikker nicht auch in unserem umgangssprachlichen angeschickert drin? Ja, tut es! Und das finde ich suuupercrazy und wunderschön. Ein älteres Wort, oder präziser: ein Wort in der deutschen Sprache mit noch längerer Historie ist, soweit ich weiß, allenfalls das regional verwendete Semmel, das wahrscheinlich sogar im Sumerischen wurzelt und über die semitischen Sprachen (z.B. arabisch samīd "Weißbrot; Feinmehl", vgl. auch Simit) und das Lateinische (simila "feines Weizenmehl") zu uns gelangt ist.

Das macht Hoffnung: Selbst wenn eine Sprache ausstirbt, haben einzelne Kulturwörter die Chance, auch noch nach Jahrtausenden und in weit entfernten Gegenden der Erde fortzubestehen, wenn auch mehr oder weniger verändert, verformt, verfremdet.

Freitag, 27. November 2015

Mario the Sailor Man

Eine meiner aktuellen Kindle-Lektüren ist "Super Mario Bros. 2" von Jon Irwin. Zwar habe ich die sagenhafte Entstehungsgeschichte des zweiten Mario-Spiels für das Nintendo Entertainment System schon mehrfach gehört und gelesen, aber mit der Begeisterung eines Gleichgesinnten und Gleichaltrigen aufbereitet macht das Ganze ungleich mehr Freude. Zudem erfuhr ich in einer kleinen Randbemerkung etwas schier Unglaubliches: Das Arcadespiel "Donkey Kong", in welchem Super Mario – hier noch "Jumpman" geheißen – seinen ersten Auftritt hat, sollte ursprünglich ein Spiel um den Comichelden Popeye werden! Nachdem Robert Altmans 1980er Realverfilmung der Seemannsabenteuer ein ordentlicher Erfolg geworden war, machte sich Nintendo an eine Game-Umsetzung. Das Spiel war schon so gut wie fertig (Prinzip: Popeye muss Olive Oyl aus den Fängen Blutos retten), doch aus irgendwelchen Gründen konnte man sich mit King Features Syndicate, die damals die Print- und TV-Rechte an Popeye hielten, nicht einigen, und so ersetzte Game-Designer Shigeru Miyamoto kurzerhand die Figuren: Aus Olive Oyl wurde Pauline, aus Bluto wurde der Riesenaffe und aus Popeye der später weltberühmte Klempner. (Ein Donkey Kong nicht unähnliches Popeye-Spiel wurde 1982 dann doch noch realisiert.)

Nun stelle man sich mal vor, Miyamoto hätte tatsächlich "Popeye" statt "Donkey Kong" auf den Markt gebracht – mit derselben Mechanik und demselben Leveldesign, nur eben mit anderen, bereits etablierten Figuren. Wäre "Popeye" genauso populär geworden wie das Affenspiel? Hätte es ebenso viele ebenso erfolgreiche weitere Spiele nach sich gezogen? Wäre Popeye heute das Aushängeschild von Nintendo und die bekannteste Videospielfigur des Planeten? Wohl kaum. Es existiert jedenfalls irgendwo im Multiversum eine Parallelwelt, in der es Super Mario nie gegeben hat. Da läuft's mir eiskalt den Rücken herunter ...

Mittwoch, 25. November 2015

Traumprotokoll: Tierquälerei

Ich träumte, Amazon hätte ein Kindle für Haustiere auf den Markt gebracht. Ich kaufte das Modell für Wellensittiche, denn im Traum war ich (wie einst in meiner Kindheit) Halter eines solchen Piepmatzes. Das Gerät funkionierte so: Über das Display wurden Hologramme in Form irgendwelcher für Vögel interessanter Konstruktionen (Klettergerüste, Futterhäuschen) projiziert. Das verstörte meinen Wellensittich mehr als dass es ihn unterhielt, denn Hologramme sind halt nur Hologramme, und das arme Tier schwirrte und irrte aufgeregt durch die bunten Fata Morganas. Zudem war das Konzept unhandlich, denn die Hologramme konnten nur von oben nach unten geworfen werden, d.h. man musste das Kindle für die Dauer der Projektion in den Händen behalten. Ich kam dann auf die Idee, das Gerät mit einem Faden an der Zimmerdecke zu befestigen. Dabei flatterte mir der Wellensittich zwischen die Hände und verhedderte sich in der Garnrolle, bis er von dem Faden beinahe erdrosselt wurde. Mit viel Fingerspitzengefühl gelang es mir zum Glück, den Vogel zu befreien, der dabei dennoch Schaden genommen hatte: Sein Hals war total langgezogen und ihm hing die Zunge aus dem Schnabel. Das sah einigermaßen komisch aus, und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

Montag, 23. November 2015

Neulich in der FAZ-Redaktion

Feuilletonkonferenz. Die Frage "Und wer rezensiert das neue Hacker-Sachbuch 'Global Hack'?" steht im Raum. Alle Köpfe drehen sich in Richtung einer Person. "Also gut, ich mach's", seufzt der Gemeinte schließlich, die Augen verdrehend.


Samstag, 21. November 2015

Das C-Wort

Schon Mitte 2010 dokumentierte ich das Verschwinden des Wortes cinema, vor allem in der Bedeutung "Filmtheater", aus dem Wortschatz des (amerikanischen?) Englisch. Zur Untermauerung der Annahme, sich durch Verwendung von cinema heutzutage regelrecht gesellschaftsunfähig zu machen, habe ich nun neues Material gefunden, in Form einer Stand-up-Nummer des US-Comedians Brian Regan aus dem September 2015.
You ever have a friend use a word that's so awkward you consider dropping them as a friend? Like "cinema"? We had this couple over that kept using that word like it was a normal word for people to use. [übertrieben blasiert] "My wife and I like to attend the cinema. We went to the cinema Friday evening. We usually attend the cinema couple of times a month. Do you enjoy the cinema?" ... Can you get out of my house? 'cause we's all going to the movies.

Donnerstag, 19. November 2015

Ein Audiohäppchen

"Überschätzte Lebensmittel: Zwiebeln"
(Lustspielhaus München, 18.11.2015)

Dienstag, 17. November 2015

Wenn die Meinungsschraube überdreht wird

Warum Kritik an der Facebook-Tricolore unsympathisch ist, erklärte uns heute die Süddeutsche Zeitung. Warum dieser Kommentar wiederum überheblich und keineswegs hilfreich war, wird uns morgen ein beliebiges Watchblog darlegen. Diese fruchtlose Partie Belehrungs-Pingpong wird sodann die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung auf einer halben Seite im Medienteil zerpflücken. In der Woche darauf wird das Ganze noch einmal unter philosophischen Gesichtspunkten in einem überregional relevanten Feuilleton behandelt; die Neon wird das Thema für Twens küchenpsychologisch in der Rubrik "Darum ist das so" aufbereiten; und nächsten Monat wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit endlich jemand die berechtigte Frage stellen, was es über unsere Gesellschaft aussagt, wenn wir kurz nach einer schrecklichen Tat nicht mehr nur über die Tat debattieren, sondern mit derselben Hitzigkeit über unsere Verarbeitung dieser Tat in sozialen Netzwerken.

Die zehnte Auseinandersetzung ermüdet mich dann vielleicht wieder weniger.

(Für Leute aus der Zukunft: Die "Facebook-Tricolore" bezeichnete die Option, über sein Facebook-Profilbild die Flaggenfarben Frankreichs zu legen, um sein Mitgefühl mit den Opfern der Pariser Terroranschläge des 13. November 2015 zu zeigen.)

Montag, 16. November 2015

Die 26 obskursten Kreuzworträtsel-Lösungen in dieser Liste

  • Pferdehaar zum Polstern: Crin
  • Türhaken: Haspe
  • Metallverzierung: Niello
  • Gerüst: Lehrbogen
  • afrikanische Hirsepflanze: Durra
  • junges männliches Schwein: Pölk
  • bronzezeitliches Beil: Kelt
  • spanischer Hirtenjunge: Zagal
  • Sieb in der Technik: Rätter
  • Untergestell von Kanonen: Lafette
  • Weißfisch: Nase
  • Mineral: Eisenrahm
  • Rasensprenger: Regner
  • Blütenstempel: Pistill
  • tropisches Harz zur Lackherstellung: Kopal
  • Wüstenwind in Libyen: Gibli
  • Vorblätter am Maiskolben: Lieschen
  • Ohr des Wildes: Loser
  • Schiffsmarke: Ahming
  • ausgestochenes Rasenstück: Plagge
  • Runde, Rundgang: Ronde
  • dick behaarte Beine: Hummel
  • Anordnung des Sultans: Irade
  • Zinkerz: Galmei
  • Planke an der Schiffsaußenseite: Rüste
  • Kornwurm: Wiebel

Sonntag, 15. November 2015

Wir raten ab

Nachdem am Anfang des Jahres bereits das unrühmliche Produkt "Sante Expresskur Mango" in meinen Besitz gelangt war (Kybersetzung berichtete), ließ ich mich kürzlich, auf der Suche nach Naturkosmetik, im "Basic" dazu hinreißen, eine verheißungsvolle Flasche Rasierschaums derselben Firma in meinen Einkaufskorb wandern zu lassen. Was soll ich sagen? Das hier: Bio-Aloe ist sicher schön und gut, aber mit Schaum hat die penetrant nach Zimt riechende Masse nichts zu tun, höchstens mit jenem Zeug, das nach dem Wasserablassen auf dem Wannenboden übrigbleibt, wenn man ein Schaumbad genommen hat. Die Verwendung kann man sich obendrein sparen; jedes Rasiergel einer beliebigen Drogerie-Hausmarke verrichtet bessere Dienste. Schade ums Geld!


Mein Rasurverhalten dahingehend umzustellen, mir nur noch einmal pro Woche die Halspartie nass zu rasieren und den restlichen Bart mit einem Gesichtshaartrimmer auf zwei Millimeter herunterzustutzen, war indes eine meiner besten Entscheidungen der letzten zwei Jahre und hat mein Leben um mindestens 50 Punkte auf der nach oben offenen Lebensqualitäts-Skala verbessert.

Mittwoch, 11. November 2015

Die Reise nach Afrika (3)

Wir stürzten über einer Lichtung ab, gruben uns aus den Trümmern des Kleinflugzeuges frei und durchforsteten die Umgebung. Nicht weit mussten wir laufen, da wurden wir einer Siedlung ansichtig. Die Siedlungsbewohner krochen nach und nach aus ihren Rundhütten, die aus Waldfruchtmarmelade modelliert waren. Wir verhielten uns ruhig, denn wir wussten nicht, ob sie uns für Wilde hielten. Doch man hieß uns freundlich willkommen. Der Häuptling war von stämmiger Statur und mit Preziosen behangen.

Bemerkenswert war das Verständigungssystem dieses Völkchens. Zum Kommunizieren benutzte man Geschirr! Wollte beispielsweise jemand "Guten Tag" sagen, zerbrach er einen Teller. Wenn eine Versammlung der Ältesten anzukündigen war, wurden drei Tassen und zehn Untertassen auf den Boden geworfen. Und Suppenschüsseln zu demolieren bedeutete: "Wir brauchen neue Suppenschüsseln!" Somit waren die Leute den lieben langen Tag mit dem Anfertigen von Töpferware beschäftigt. Die Männer trugen dabei lediglich Intimtextilien, die Damen waren mit einfacher, aber geschmackvoller Reizwäsche ausgestattet. Nach dem üblichen Geplänkel über Wetter, Befindlichkeit und Benzinpreise taten wir unseren Hunger kund. Laut Wörterbuch mussten wir dazu zwei große Bierkrüge aneinander schlagen. Die Köche servierten uns eine Hausmacherplatte, bestehend aus Palmenblättern, auf Asche erhitztem Bananenmus, Borkenkäfer-Saft, Pinienkernen und einem Soufflé aus Eulenfleisch. Es schmeckte nicht schlecht. Nach dem Essen brauchte nicht abgewaschen zu werden; das angefallene Geschirr nutzte man gleich für beschwingte Konversation. Wir hielten uns 15 Jahre in dem Dorf auf, dessen Name hier leider geheim bleiben muss. Dann reisten wir ab. Vorher zeigten wir dem Häuptling noch den Fadentrickfilm.

In Teil eins dieser Geschichte habe ich von "Scherereien" gesprochen. Ich muss revidieren: Meine Zeit im afrikanischen Busch war gewiss die feinste in meinem Leben. 

ENDE

(Geschrieben im März 2005)

Dienstag, 10. November 2015

Die Reise nach Afrika (2)

Als wir den Äquator überflogen, machten wir alle gleichzeitig "Huiiiiii!!!" Der Professor sagte fröhlich "Ein bisschen Spaß muss sein", um sogleich mit ernster Miene fortzufahren: "Aber nun etwas Anderes. Wir haben vergessen, uns impfen zu lassen. Im afrikanischen Urwald erwarten uns kreuzgefährliche Krankheiten: Malaria, Dengue-Fieber, Flecktyphus und Hepatitis A, B, C, E und B12. Passt also auf, wo ihr hintretet, und esst kein angeschimmeltes Obst, auch wenn es noch so verlockend aussieht!" In dem Moment wurde die Cockpittür aufgetan und unsere Pilotin erschien. "Das Fliegen ist sehr anstrengend", sprach sie. Sie nahm ein Glas aus dem Wandschrank und mixte sich ein Kakaogetränk. Vater wurde nervös. "Und wer steuert in Ihrer Abwesenheit die Maschine?", fragte er. Die Pilotin beschwichtigte: "No worries, Gentlemen! Ich habe das Kleinflugzeug auf einer Wolke gelandet. Wir machen eine kurze Rast." Wir drei Kerle klatschten begeistert. "Ihr könnt mich übrigens Magda nennen", ergänzte sie. Erneut klatschten wir voller Enthusiasmus. Nach einer Viertelstunde ging der Flug weiter.

Beim Durchblättern meines Reiseführers stellten sich die ersten Fragen. "Welchen Stamm werden wir denn studieren?", wollte ich wissen. Windisch meinte: "Den werden wir vor Ort auserkiesen. Lassen wir uns überraschen, wo der Flieger abstürzt." Als es dunkel wurde, legte mein Vater eine Video-CD in ein im Tisch integriertes Abspielgerät. Ein Display wurde sichtbar. "Wir schauen einen Animationsfilm", kündigte Vater an. Dabei handelte es sich um einen sogenannten Fadentrickfilm, der im Trickfilmstudio Dresden produziert worden war. Vor einem tiefschwarzen Hintergrund bewegten sich weiße Bindfäden und stellten die Umrisse verschiedener Protagonisten dar. Eine Stimme sagte den Titel an: "Der Wolf und das Rotkäppchen in der Stadt. Ein modernes Märchen für junge Verkehrsteilnehmer." Dann begann die Handlung. Rotkäppchen: "Hallo, Wolf! Wie komme ich über diese Straße?" Wolf: "Du musst zu Fuß gehen. Auf dem Boden ist ein Fußgängerüberweg." Volkspolizist: "Den habe ich mit weißer Farbe gemalt!" Rotkäppchen: "Ich habe es mir anders überlegt. Ich will auf den Spielplatz gehen!" Wolf: "Dein Fahrrad ist nicht verkehrssicher. Wo ist denn der Gepäckträger für deinen Korb für die Großmutter, die im Altenheim wohnt?"

Schnell wurde es langweilig. Als nächstes sahen wir "Lolek und Bolek", und die Stimmung stieg wieder.

Montag, 9. November 2015

Die Reise nach Afrika (1)

Meine Schwester kam aus dem Schulhort und war grambehaftet. "Ei, was für ein artiges Ränzlein du trägst!", rief ich ihr zu, wie als Aufmunterung. Grund für ihren Kummer war das Hansaplast-Pflaster, das man ihr auf das linke Brillenglas geklebt hatte, um ihr den Silberblick zu nehmen. Ich setzte mir die Narrenkappe auf und hopste keck, damit ein Ulk sei. "Lass mich in Ruh!", fuhr mich Dorothy an (so hieß mein Geschwister-Mensch). Wir zogen uns jeweils in unsere Privatgemächer zurück.

Es muss Schlag drei gewesen sein, als eine unvermutete Störung in die Behaglichkeit der Residenz hineinbrach. Aus einem Zimmer im Westflügel stürmte Vaters Vorgesetzter; er hatte schon seit etlichen Monaten bei uns gehaust, wie später zu erfahren war. In Bälde stieß Vater selbst hinzu und machte Tumult. Die beiden Wissenschaftler suchten mich! Hätte ich mich besser versteckt gehalten, wären mir die folgenden Scherereien erspart geblieben ...

Zur Erklärung: Professor Theobald Windisch war Leiter des Lehrstuhls für "Ethnologie und Interessantes" an der Universität Helgoland. Bei ihm beschäftigt war mein Vater, Wissenschaftler auf dem Gebiet der Schnalz-, Klopf- und Zwitschersprachen indigener Völker. Heuer sollte der Forschungsetat in die Erkundung von Buschmännern und -frauen gesteckt werden, erklärte mir Vater. Windisch hatte eine Reise nach Schwarzafrika geplant, deshalb waren die zwei auch so aus dem Häuschen.

"Was ficht mich das an?", fragte ich. "Von mir aus könnt ihr ruhig die gesamten Ferien auf Achse sein." Der Professor zwinkerte meinem Vater verschmitzt zu. "Junger Bursche", sagte er dann, "wir dachten uns, dass du uns auf der Expedition behilflich sein könntest." – "Warum dies?", versetzte ich. Vater antwortete: "Du bist doch auf dem Gebiet der Naturheilkunde sehr bewandert. Das könnte sich im tiefen Dschungel als nützlich erweisen!" Es stimmte. Als angehender Pharmazeut hatte ich mir die Kräuterkunde als Lieblingsdisziplin ausgewählt. Nach knapper Bedenkzeit verkündete ich: "Wohl, ich bin dabei. Ein Abstecher in die Wildnis kann meinen Horizont nur erweitern. Wann soll die Reise losgehen?" – "Jetzt", sagte Windisch. "Wir nehmen mein privates Kleinflugzeug. Es braucht kein Kerosin, sondern lediglich reines Olivenöl." – "Herrlich!", jauchzte Vater. "Lasst uns rasch packen. Jeder nimmt einen Tornister mit. Spute dich, mein Sohn. Und sag deiner Schwester Adieu!"

Ich ging in Dorothys Spielsaal, doch sie hatte keine Zeit für mich. Sie spielte mit ihren neuen Freunden – das waren: ein Löwe, eine Vogelscheuche und ein Zinnmann. Nach dem Fünfuhrtee trotteten wir auf die Startbahn. Worauf hatte ich mich hier eingelassen?

Sonntag, 8. November 2015

Scheidende Scheiben

Eigentlich wollte ich heute die jährliche Einkommensübersicht für meinen Steuerberater erstellen, aber jetzt prokrastiniere ich lieber: nämlich indem ich Audio-CDs digitalisiere und darüber schreibe. Bei den Audio-CDs handelt es sich um gebrannte Musikalben, die ich ab sofort nicht mehr in der Wohnung verstauben lassen will. Zu dieser Entscheidung bin ich gelangt, als Amazon vor ein paar Tagen "Prime Music" einführte, einen Streamingdienst, den ich als Prime-Kunde kostenlos nutzen kann. Das Angebot umfasst nicht nur langweiligen Mainstream, sondern auch Musik, die mir zusagt und/oder solche, die ich bereits besitze. Das ist in jenen Fällen leicht ärgerlich, wo ich für diese Musik bereits bezahlt habe (was seit ein paar Jahren mein Standard der Musikbeschaffung ist); teils betrifft es aber auch Alben, die ich als illegal gerippte CDs im Regal stehen habe. Und weil ich die nun in den Müll schmeißen kann, nutze ich die Gelegenheit, auch die nicht bei Amazon verfügbaren Alben zu entsorgen – nicht ohne sie vorher (so sie mir überhaupt noch gefallen) als MP3s auf meinem Rechner zu speichern. Original-CDs behalte ich freilich. Wie ich mit Zeug verfahre, das ich bereits auf der Festplatte liegen habe und das nun bei "Prime Music" zur Verfügung steht, weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich lösche ich es einfach, denn Amazon wird die Alben schon nicht einfach wieder aus seinem Sortiment nehmen, oder? Oder? Wann habe ich eigentlich zum letzten Mal ein Album auf CD gebrannt? Das muss gut zehn Jahre her sein. Wann ich zum letzten und zum vorletzten Mal physische Audiodatenträger gekauft habe, ist ja hinreichend dokumentiert. (Nebenanmerkung zum Komplex Amazon & Musik hier.)

Freitag, 6. November 2015

MÜSSEN WIR ALLE ERFRIEREN?

Anfang der Woche schreckte uns "Spiegel online" mit dieser Schlagzeile auf: "Gasspeicher so leer wie noch nie im Herbst".

"Leer wie nie": eine Phrase, die einmal mehr zeigt, wie gut der Spiegel in Sprachdingen inzwischen mit der Bild mithalten kann ("Anni Friesinger nackt wie nie!"). Das Adjektiv "leer" definiert der DUDEN so: "nicht mit etwas gefüllt; ohne Inhalt". Ein Gasspeicher kann schlechterdings nicht eben mal "ein bisschen leer" oder gar "leer wie nie" sein. Ich könnte mich eventuell auf die Formulierung "leerer als im Vorjahr" einlassen, wenn verdeutlicht werden soll, dass in einem Behälter weniger drin ist als im Jahr davor. Oder warum nicht wie die FAZ, welche "Spiegel online" in seinem Artikel verlinkt, einfach "Gasreserven so gering wie lange nicht" schreiben? Das wäre freilich weniger reißerisch.

Aber wie leer sind die Erdgasspeicher denn nun? "Fast leer!", schrei(b)t ähnlich panisch "Focus online". Das Wirtschaftsministerium weiß es genauer: Die Füllstände betragen 77 Prozent. Aha. Da kann man schon mal durchdrehen. Erinnern wir uns an das Jahr 2013, als unisono vor einem kommenden Fimbulwinter gewarnt wurde, der uns, wenn nicht das Leben, so doch mindestens horrende Energienachzahlungen kosten würde. "Die Jahresrechnung 2013 könnte um bis zu 18 Prozent höher liegen als im vergangenen Jahr, wie aus einer Schätzung des Deutschen Mieterbundes (DMB) hervorgeht", wusste die Welt. Und schon im November 2012 hatte die Bild den "teuerste[n] Winter aller Zeiten" ausgerufen. Dazwischen dann immer wieder die Angstmacherei davor, dass uns der Russe den Gashahn zudreht. Ja, es wurde eine ungemütliche Jahreszeit, aber trotzdem kannte ich keine Person in meinem Umfeld, die dabei einen Zeh verlor oder einen Kredit aufnehmen musste, um die nächste Nebenkostenrechnung zu begleichen. Ich habe sogar ein paar Euro rückerstattet bekommen; dieses Jahr übrigens auch.

Deutsche Medien sollten sich in manchen Dingen die Gelassenheit Österreichs zum Vorbild nehmen: "Die österreichischen Gasspeicher sind heuer etwas weniger gefüllt als im Vorjahr. Das sei aber kein Problem, da einerseits Österreich traditionell eine der höchsten Deckungsquoten in Europa habe und andererseits die Lage in der Ukraine stabiler sei, sagte OMV Vizepräsident Controlling, Christoph Trentini, am Donnerstag bei der Gewinnmesse." (Tiroler Zeitung, 15.10.2015)

(Noch eine semantische Spitzfindigkeit als Zugabe. Der Geschäftsführer von Deutschlands größtem Gasnetzbetreiber erklärt, was das Gegenteil von "leer" ist: "Voll sein heißt 95 Prozent plus x." Wäre also auch das geklärt.)

Montag, 2. November 2015

Neues von der Sprachnörgel(s)front


Müsste ich die SZ-Rubrik "Sprachlabor" betreuen, hätte ich schon längst stinksauer angedroht, den Job zu schmeißen. Da schmiere ich mir lieber ein paar Brote.

Sonntag, 1. November 2015

Serientagebuch: Oktober

01.10. The Last Man on Earth 2.01
South Park 19.03
Gotham 2.01
The Office 5.20 (RW)
03.10. Low Winter Sun 1.08
Backstrom 1.06
04.10. Boardwalk Empire 2.08
The Office 5.21 (RW)
Akte X 5.15 (RW)
05.10. Weeds 1.06
08.10. The Simpsons 27.02
Homeland 4.08
The Big Bang Theory 9.03
10.10. The Last Man on Earth 2.02
Bosch 1.09
Dr. House 7.21
Family Guy 14.02
12.10. Gotham 2.02
17.10. South Park 19.04
Homeland 4.09
18.10. Bosch 1.10
19.10. Doctor Who 9.03
Doctor Who 9.04
Doctor Who 9.05
20.10. Hustle 5.03
The Big Bang Theory 9.04
The Big Bang Theory 9.05
21.10. The Simpsons 27.03
The Simpsons 27.04
Dr. House 7.22
Dr. House 7.23
22.10. South Park 19.05
Homeland 4.10
The Office 5.22 (RW)
The Last Man on Earth 2.03
Family Guy 14.03
23.10. Homeland 4.11
Homeland 4.12
Weeds 1.07
24.10. Ripper Street 1.01
The Office 5.23 (RW)
The Office 5.24 (RW)
25.10. Homeland 5.01
Homeland 5.02
26.10. Family Guy 14.04
American Horror Story 5.01
American Horror Story 5.02
American Horror Story 5.03
27.10. The Simpsons 27.05
Low Winter Sun 1.09
29.10. Firefly 1.01
31.10. The Last Man on Earth 2.04
The Last Man on Earth 2.05

Ich bin mit so einigem fertiggeworden diesen Monat! Dr. House ist ein weiterer Beweis dafür, dass Staffeln mit über 20 Episoden selten eine gute Idee sind; die 7. Staffel wirkte einfach nur wie künstlich in die Länge gezogen. Zudem war die Hauptfigur zum Ende hin viel zu überzeichnet für meinen Geschmack. Die Schlussszene hat mir dann aber doch Lust auf die achte und letzte Staffel gemacht. Und in Folge 22 hat es die Serie zum ersten Mal (erstaunlich spät!) geschafft, dass mir ein wenig schlecht wurde – Stichwort: Tumorentfernung in der Badewanne. Die vierte Season von Homeland wiederum war die großartigste seit der ersten. Ich mag es, dass die Geschehnisse der Vergangenheit praktisch keine Rolle mehr spielen. Bosch hatte ein unspektakuläres Ende, war aber mehr als durchschnittliche Krimikost und zeigt, dass Amazon im Serienbusiness einen guten Weg eingeschlagen hat. Low Winter Sun hätte ich mir gerne erspart, aber ich fühle mich halt verpflichtet, jede Serie, die ich beginne, auch zu Ende zu schauen, so wie ich auch ein Buch nicht einfach mittendrin abbrechen kann. Naja, wenigstens die Musik war ganz nett.