Eine meiner aktuellen Print-Lektüren ist "The Language of Food" von Dan Jurafsky. Im sechsten Kapitel, welches ich gestern las, ging es zufälliger- und passenderweise um die verwirrende Namensvielfalt des saisonal gefragten Vogels, den man im Englischen mit der Türkei in Verbindung bringt (turkey), im Französischen mit Indien (dinde < "d'Inde"), im Hindi wiederum mit Peru (peru) und im Arabisch der Levante mit Äthiopien (dik habash "äthiopischer Vogel"). Was Truthähne obendrein mit mexikanischer Schokoladensoße und einer Tragödie von Sophokles zu tun haben, kann man bei Bedarf a.a.O. selbst nachlesen. Hierzulande spielt Thanksgiving ohnehin keine Rolle, weswegen ich euch lieber an einem Aha-Erlebnis teilhaben lasse, das ich an einer anderen Stelle hatte.
Das Alte Testament kennt – wie viele Schriften alter Kulturen – Libationsopfer. Die Hebräer nahmen dafür gerne Wein oder ein Getränk namens sheker. Dieses Wort konnte u.a. "Bier" bedeuten und wurde aus dem Akkadischen entlehnt (šikaru), wo es gleichfalls eine Art Bier bezeichnete. Als sicera fand sheker in die Vulgata, die lateinische Bibelübersetzung des späten 4. Jahrhunderts, Einzug, und auch im Yiddischen lebt es weiter: shikker bedeutet hier "betrunken". Und steckt shikker nicht auch in unserem umgangssprachlichen angeschickert drin? Ja, tut es! Und das finde ich suuupercrazy und wunderschön. Ein älteres Wort, oder präziser: ein Wort in der deutschen Sprache mit noch längerer Historie ist, soweit ich weiß, allenfalls das regional verwendete Semmel, das wahrscheinlich sogar im Sumerischen wurzelt und über die semitischen Sprachen (z.B. arabisch samīd "Weißbrot; Feinmehl", vgl. auch Simit) und das Lateinische (simila "feines Weizenmehl") zu uns gelangt ist.
Das macht Hoffnung: Selbst wenn eine Sprache ausstirbt, haben einzelne Kulturwörter die Chance, auch noch nach Jahrtausenden und in weit entfernten Gegenden der Erde fortzubestehen, wenn auch mehr oder weniger verändert, verformt, verfremdet.
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