Das heute getestete Lebensmittel ist ein Markenprodukt. Mit ihren Funny-frisch Kruspers Honig & Senf imitiert die deutsche Intersnack GmbH ganz offensichtlich die beliebten Honey Mustard Pretzel Pieces von Snyder's of Hanover. Kann sie auch nur annähernd an das amerikanische Vorbild herankommen?
Zuerst die Daten und Fakten. Mit 1,49 € ist die Funny-frisch-Tüte 50 Cent billiger als das Snyder's-Vorbild, sie enthält allerdings statt 125 nur 120 Gramm. Beim Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe überraschen die Kruspers positiv, enthalten sie doch keinerlei böses Palmöl, sondern lediglich Sonnenblumenöl. Ansonsten sind die Zutaten nahezu identisch, nur das den pennsylvanischen Pretzel Pieces zugefügte Meerrettichpulver sucht man im Nachahmerprodukt vergeblich. Ist dies vielleicht das Zünglein an der Aromawaage? Denn, um zum Wesentlichen zu kommen, ein so intensives Flavor-Erlebnis wie die süchtig machende Snyder's-Knabberei bescherten mir die Kruspers leider nicht. Das liegt womöglich auch daran, dass die Beschaffenheit unterschiedlich ist: Kruspers haben eine niedrigere Dichte und verfügen auch nicht über jene glatten, scheinbar glasierten Flächen wie die Snyder's-Stückchen. Überhaupt wirken letztere wie echter, grob zerhauener Brezelbruch, während die Kruspers, auf deren Verpackung das Wort "Brezel" kein einziges Mal vorkommt, als biederere und uniformere Backwarenbröckchen um unsere Gunst buhlen. Hier wie da gibt es eine leichte Zwiebelnote, die aber selbst mich als ausgesprochenen Zwiebelverächter nicht stört.
Insgesamt ist mit der US-Variante gut bedient, wem es nach der ultimativen Honig-Senf-Explosion gelüstet. Wer es nicht gar so krass und kross braucht, darf getrost zur Funny-frisch-Version greifen und findet dennoch eine hochbefriedigende Chips- und Flips-Alternative. Wertung: 8/10
▼
Samstag, 29. Oktober 2016
Freitag, 28. Oktober 2016
Der Shirley-Temple-Effekt
Ich hatte heute morgen kurz eine Vision: Ich stellte mir vor, wie es wäre, Schauspielagent im "Old Hollywood" zu sein. Ich wäre der Agent von einem aufsteigenden Kinderstar und würde dafür sorgen, dass dieser Star aufgrund einer gut versteckten Klausel im Vertrag mit einem Filmstudio bis ins hohe Alter ausschließlich in der Rolle von Kindern besetzt wird. Noch mit 60 würde der ehemalige Junge – oder noch besser: das ehemalige Mädchen – Sechsjährige verkörpern. Eine Vorstellung, die mich zum Lachen brachte.
Ganz trocken betrachtet ist type-casting natürlich eine bekämpfenswerte Unsitte. Zudem wäre mein Vorhaben heute gar nicht mehr realisierbar, weswegen ich auch "Old Hollywood" schrieb: ein Hollywood, in dem das Studiosystem vorherrschte und Schauspieler sich tatsächlich über ihre ganze Karriere hinweg an eine einzige Produktionsgesellschaft, derer es nur fünf gab, gebunden haben. Filmtipps: "Hollywoodland" (2006), "L.A. Confidential" (1997), "Sunset Boulevard" (1950).
Ganz trocken betrachtet ist type-casting natürlich eine bekämpfenswerte Unsitte. Zudem wäre mein Vorhaben heute gar nicht mehr realisierbar, weswegen ich auch "Old Hollywood" schrieb: ein Hollywood, in dem das Studiosystem vorherrschte und Schauspieler sich tatsächlich über ihre ganze Karriere hinweg an eine einzige Produktionsgesellschaft, derer es nur fünf gab, gebunden haben. Filmtipps: "Hollywoodland" (2006), "L.A. Confidential" (1997), "Sunset Boulevard" (1950).
Mittwoch, 26. Oktober 2016
Happy Ö-Day!
Facebook weist mich darauf hin, dass heute (ich nehme zumindest an, heute) in Österreich Nationalfeiertag ist, unterschlägt allerdings 9 meiner Freunde, die ebenfalls in jenem schönen Land leben.
Ich habe dazu nichts beizutragen außer dieses Foto, das ich vor "ein" paar Wochen "in" Wien gemacht "habe":
Montag, 24. Oktober 2016
Unausgegorenes, Halbgares und Nichtfertiggestelltes
Den 1000. Blogeintrag möchte ich nutzen, um einige Textfragmente, die zum Teil seit Jahren in meinem Ideendokument lagern, rauszuhauen. Es handelt sich um Rohmaterial, von dem ich weiß, dass ich es eh nicht mehr in einen veröffentlichungswürdigen Zustand überführen kann. Aber vielleicht sind ja einige meiner geschätzten Leserinnen und Leser an einem kleinen Einblick in meine digitale Werkstatt interessiert.
Folgende Zeilen schrieb ich Anfang 2009, als das Wort "(Not-)Wasserung" durch alle Kanäle galoppierte, nämlich nach Captain "Sully" Sullenbergers spektakulärer und jüngst verfilmter Notlandung auf dem Hudson River:
Der Vorwurf, der von Sprachpuristen am häufigsten gemacht wird, lautet, wir Deutschen griffen heute bei der Bildung neuer Wörter nicht mehr auf ererbtes Material zurück, sondern entlehnten alles aus dem Englischen. Zurzeit geistern aber drei ziemlich deutsche Wörter durch die Medien, von denen zwei nicht mal im Duden stehen. Eine Wasserung ist, wenn man ein Flugzeug in einem Fluss landet, eine Abwrackprämie bekommt man für sein altes Auto, wenn man sich dafür ein neues kauft, und das Konjunkturpaket ist zwar nicht wirklich deutsch, aber zumindest Paket wird kaum noch als Fremdwort empfunden. (Mich wundert, dass wir nicht das kurze, prägnante englische bailout verwenden.) Fazit: Da kann man mal sehen!
Supergähn! Ähnlich erkenntnismehrend war diese Einlassung zum kurzen Wiederaufleben der Vokuhilas, ebenfalls aus dem Jahr 2009 (Auszug):
Für die, die es nicht wissen: "Vokuhila" steht für "vorne kurz, hinten lang" (eine so genannte Silbenkürzung) und bezeichnet nicht nur die "Frise" (Jugendsprache) an sich, sondern auch deren Träger (sog. pars pro toto). Zu meiner Schulzeit haben wir uns gern und ausgiebig über Vokuhilas lustig gemacht. Es ist betrüblich, dass diese Kopfhaartorheit heute unter jungen Douchebags ein Revival erfährt. Durch rote oder andersfarbige Tupfer ergänzt, sieht die 2000er-Variante sogar noch grausiger aus als der 80er-Jahre-Prototyp.
Über Äußerlichkeiten bzw. den medialen Umgang mit ihnen wollte ich mich auch 2010 beschäftigen. Ein Entwurf mit dem vielversprechenden Titel "Hurra! Ein längst überfälliger rant über den Beruf des Models" wurde leider nicht viel substantieller als dieser lieblos hingekritzelte Assoziationsklumpen:
Die Modelsuchsendungen im Fernsehen haben mehrere Aufgaben. Eine davon ist, das Ansehen von Models zu verbessern. Model, so denkt man sich, ist der wohl einfachste Beruf der Welt. Man muss nichts können außer sich fotografieren zu lassen und/oder über einen Steg zu laufen. Bei der beliebten Topmodel-Show mit Heidi Klum müssen die Kandidatinnen jedoch zusätzlich model-untypische Aufgaben absolvieren wie schwimmen oder gefährliche Tiere tragen. (Zumindest bilde ich mir ein, das irgendwo gelesen zu haben.) Diese Aufgaben sind aber für die zukünftige Karriere irrelevant, denn mir kann niemand erzählen, dass die Damen im echten Modelalltag irgendeine Tätigkeit ausführen müssen, die über bloßes Posieren hinausgeht, da können die noch so oft beteuern, dass das "eine unheimlich harte Arbeit" ist.
Wozu gibt es Models? Ist es nicht ein abwegiges Unterfangen, Schönheit zu objektivieren? Sicher, die biometrischen Daten der Topmodels entsprechen bestimmt den Idealen frigider Attraktivitätsmathematiker, doch will/soll man so etwas bewundern? Bedenklich wird es dann, wenn gewisse Mindestmaße vorausgesetzt werden. Um Model werden zu können, muss eine Frau mindestens 170 cm groß sein. Fakt: Auch wer in die SS eintreten wollte, musste wenigstens 1,70 m messen! Und dann immer diese Magersucht und das frostige Lächeln – das ist doch völlig widernatürlich! Überhaupt: Wenn ich über den Campus gehe, sehe ich Hunderte Mädchen, die tausendmal hübscher sind als die Püppchen aus dem Fernseher. [usw. ad inifnitum]
Was jetzt kommt, verfasste ich auf dem Höhepunkt des Wirtschaftscrashs im Herbst 2008. Seinerzeit war ich einem leichten studentischen Antiamerikanismus verfallen. Dass ich meinem Gedankengang selbst nicht recht traute, kann man am letzten Satz erkennen.
Ich habe mich schon immer gefragt, ob, und wenn ja, warum der Durchschnittsamerikaner reicher ist als der Durchschnittseuropäer. Man liest Bücher, schaut Filme, und immer wohnen alle in Einfamilienhäusern, fahren mehrere Autos, gehen jeden Abend essen und lachen alle aus, die weniger als 40.000 im Jahr verdienen! Gleichzeitig liest/hört man, wie die Leutchen dort über Hypotheken, unbezahlte Rechnungen und überzogene Kreditkarten jammern. Jetzt, im Zuge der Wirtschaftskrise, wurde es aufgedeckt. Die Amis können nicht sparen! Nicht nur das – sie leben auf Pump! Alles, was sie verdienen, wird sofort in Einfamilienhäuser, mehrere Autos und Abendessen gesteckt; bezahlt wird mit Plastik. Nur 5% werden angelegt, hieß es gestern in einer Fernsehsendung. Der Grund dafür ist, dass niemand auf etwas verzichten möchte; jeder will mindestens so reich sein wie sein Nachbar. Ich bin schon seit langem der sympathischen Meinung, dass sich jede/r nur das kaufen soll, was sie/er sich leisten kann. Kredite würde ich als Bank nur in absoluten Notfällen vergeben, keineswegs für Segelyachten und so 'nen Quatsch. Nur Reiche sollen sich Prestigeobjekte zulegen können, dann schrumpft die Menge der tatsächlich Reichen nämlich zusammen, und so etwas [hier stand ein inzwischen toter Link zu einem Artikel über die damals neueste OECD-Studie] kann zu Gunsten einer erstarkenden Mittelschicht gar nicht mehr passieren.
Mh, wahrscheinlich habe ich gerade totalen Unsinn geschrieben, denn die "klaffende Arm-Reich-Schere" in Deutschland hat ganz andere Ursachen.
Zum Abschluss eine Notiz, die tatsächlich im Januar 2012 auf dem alten Platz meines Blogs veröffentlicht wurde, sich des Umzugs zu Blogger aber als nicht würdig erwies, obwohl ich der Grundaussage und -wut noch immer zustimme:
YouTube nervt! Erinnert ihr euch noch an vor fünf, sechs Jahren, als es ALLES, wirklich alles bei YouTube gab? Jede kleine, noch so abwegige Szene aus einem Film oder einer Serie, die einem gerade einfiel, konnte man auf der Videoplattform insta anschauen. Es war die Zeit der "YouTube-Sessions", die auf Privatpartys zu fortgeschrittener Stunde einberufen wurden. Man setzte sich an einen Rechner und konsumierte Dutzende von Videos; jeder hatte etwas beizutragen, und alles war vorrätig. Heute ist YouTube die machtlose Bitch der großen Netzwerke, die alles rigoros löschen lassen. Mindestens genau so schlimm wie mit Fernseh-/Filmclips verhält es sich mit Musikvideos und Liedern. Alles weg. Im Grunde wäre jetzt der richtige Punkt für eine Renaissance der Musiksender.
Und im Grunde ist jetzt der richtige Punkt für ein Ende dieser Recycling-Session.
Folgende Zeilen schrieb ich Anfang 2009, als das Wort "(Not-)Wasserung" durch alle Kanäle galoppierte, nämlich nach Captain "Sully" Sullenbergers spektakulärer und jüngst verfilmter Notlandung auf dem Hudson River:
Der Vorwurf, der von Sprachpuristen am häufigsten gemacht wird, lautet, wir Deutschen griffen heute bei der Bildung neuer Wörter nicht mehr auf ererbtes Material zurück, sondern entlehnten alles aus dem Englischen. Zurzeit geistern aber drei ziemlich deutsche Wörter durch die Medien, von denen zwei nicht mal im Duden stehen. Eine Wasserung ist, wenn man ein Flugzeug in einem Fluss landet, eine Abwrackprämie bekommt man für sein altes Auto, wenn man sich dafür ein neues kauft, und das Konjunkturpaket ist zwar nicht wirklich deutsch, aber zumindest Paket wird kaum noch als Fremdwort empfunden. (Mich wundert, dass wir nicht das kurze, prägnante englische bailout verwenden.) Fazit: Da kann man mal sehen!
Supergähn! Ähnlich erkenntnismehrend war diese Einlassung zum kurzen Wiederaufleben der Vokuhilas, ebenfalls aus dem Jahr 2009 (Auszug):
Für die, die es nicht wissen: "Vokuhila" steht für "vorne kurz, hinten lang" (eine so genannte Silbenkürzung) und bezeichnet nicht nur die "Frise" (Jugendsprache) an sich, sondern auch deren Träger (sog. pars pro toto). Zu meiner Schulzeit haben wir uns gern und ausgiebig über Vokuhilas lustig gemacht. Es ist betrüblich, dass diese Kopfhaartorheit heute unter jungen Douchebags ein Revival erfährt. Durch rote oder andersfarbige Tupfer ergänzt, sieht die 2000er-Variante sogar noch grausiger aus als der 80er-Jahre-Prototyp.
Über Äußerlichkeiten bzw. den medialen Umgang mit ihnen wollte ich mich auch 2010 beschäftigen. Ein Entwurf mit dem vielversprechenden Titel "Hurra! Ein längst überfälliger rant über den Beruf des Models" wurde leider nicht viel substantieller als dieser lieblos hingekritzelte Assoziationsklumpen:
Die Modelsuchsendungen im Fernsehen haben mehrere Aufgaben. Eine davon ist, das Ansehen von Models zu verbessern. Model, so denkt man sich, ist der wohl einfachste Beruf der Welt. Man muss nichts können außer sich fotografieren zu lassen und/oder über einen Steg zu laufen. Bei der beliebten Topmodel-Show mit Heidi Klum müssen die Kandidatinnen jedoch zusätzlich model-untypische Aufgaben absolvieren wie schwimmen oder gefährliche Tiere tragen. (Zumindest bilde ich mir ein, das irgendwo gelesen zu haben.) Diese Aufgaben sind aber für die zukünftige Karriere irrelevant, denn mir kann niemand erzählen, dass die Damen im echten Modelalltag irgendeine Tätigkeit ausführen müssen, die über bloßes Posieren hinausgeht, da können die noch so oft beteuern, dass das "eine unheimlich harte Arbeit" ist.
Wozu gibt es Models? Ist es nicht ein abwegiges Unterfangen, Schönheit zu objektivieren? Sicher, die biometrischen Daten der Topmodels entsprechen bestimmt den Idealen frigider Attraktivitätsmathematiker, doch will/soll man so etwas bewundern? Bedenklich wird es dann, wenn gewisse Mindestmaße vorausgesetzt werden. Um Model werden zu können, muss eine Frau mindestens 170 cm groß sein. Fakt: Auch wer in die SS eintreten wollte, musste wenigstens 1,70 m messen! Und dann immer diese Magersucht und das frostige Lächeln – das ist doch völlig widernatürlich! Überhaupt: Wenn ich über den Campus gehe, sehe ich Hunderte Mädchen, die tausendmal hübscher sind als die Püppchen aus dem Fernseher. [usw. ad inifnitum]
Was jetzt kommt, verfasste ich auf dem Höhepunkt des Wirtschaftscrashs im Herbst 2008. Seinerzeit war ich einem leichten studentischen Antiamerikanismus verfallen. Dass ich meinem Gedankengang selbst nicht recht traute, kann man am letzten Satz erkennen.
Ich habe mich schon immer gefragt, ob, und wenn ja, warum der Durchschnittsamerikaner reicher ist als der Durchschnittseuropäer. Man liest Bücher, schaut Filme, und immer wohnen alle in Einfamilienhäusern, fahren mehrere Autos, gehen jeden Abend essen und lachen alle aus, die weniger als 40.000 im Jahr verdienen! Gleichzeitig liest/hört man, wie die Leutchen dort über Hypotheken, unbezahlte Rechnungen und überzogene Kreditkarten jammern. Jetzt, im Zuge der Wirtschaftskrise, wurde es aufgedeckt. Die Amis können nicht sparen! Nicht nur das – sie leben auf Pump! Alles, was sie verdienen, wird sofort in Einfamilienhäuser, mehrere Autos und Abendessen gesteckt; bezahlt wird mit Plastik. Nur 5% werden angelegt, hieß es gestern in einer Fernsehsendung. Der Grund dafür ist, dass niemand auf etwas verzichten möchte; jeder will mindestens so reich sein wie sein Nachbar. Ich bin schon seit langem der sympathischen Meinung, dass sich jede/r nur das kaufen soll, was sie/er sich leisten kann. Kredite würde ich als Bank nur in absoluten Notfällen vergeben, keineswegs für Segelyachten und so 'nen Quatsch. Nur Reiche sollen sich Prestigeobjekte zulegen können, dann schrumpft die Menge der tatsächlich Reichen nämlich zusammen, und so etwas [hier stand ein inzwischen toter Link zu einem Artikel über die damals neueste OECD-Studie] kann zu Gunsten einer erstarkenden Mittelschicht gar nicht mehr passieren.
Mh, wahrscheinlich habe ich gerade totalen Unsinn geschrieben, denn die "klaffende Arm-Reich-Schere" in Deutschland hat ganz andere Ursachen.
Zum Abschluss eine Notiz, die tatsächlich im Januar 2012 auf dem alten Platz meines Blogs veröffentlicht wurde, sich des Umzugs zu Blogger aber als nicht würdig erwies, obwohl ich der Grundaussage und -wut noch immer zustimme:
YouTube nervt! Erinnert ihr euch noch an vor fünf, sechs Jahren, als es ALLES, wirklich alles bei YouTube gab? Jede kleine, noch so abwegige Szene aus einem Film oder einer Serie, die einem gerade einfiel, konnte man auf der Videoplattform insta anschauen. Es war die Zeit der "YouTube-Sessions", die auf Privatpartys zu fortgeschrittener Stunde einberufen wurden. Man setzte sich an einen Rechner und konsumierte Dutzende von Videos; jeder hatte etwas beizutragen, und alles war vorrätig. Heute ist YouTube die machtlose Bitch der großen Netzwerke, die alles rigoros löschen lassen. Mindestens genau so schlimm wie mit Fernseh-/Filmclips verhält es sich mit Musikvideos und Liedern. Alles weg. Im Grunde wäre jetzt der richtige Punkt für eine Renaissance der Musiksender.
Und im Grunde ist jetzt der richtige Punkt für ein Ende dieser Recycling-Session.
Samstag, 22. Oktober 2016
Immer wieder nett: Leserbriefe
Vor einigen Wochen spielte ein findiger Finder der Titanic-Redaktion (wo ich arbeite) das Inhaltsverzeichnis eines leicht abstrusen wissenschaftlichen Sammelbandes zu: "Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin". An die Herausgeber schrieb ich daraufhin für das Oktoberheft 2016 diesen Brief an die Leser:
Hartmut Böhme und Beate Slominski!Kurz darauf erreichte uns eine E-Mail folgenden Inhalts (in Auszügen):
Sie sind Herausgeber eines im Verlag Wilhelm Fink erschienenen Bandes mit dem Titel »Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin«, was wir – wenn auch leider gerade in der analen Phase steckenden – Lesefreunde völlig in Ordnung finden. Über Ihr mehr als naheliegendes Grundlagenkapitel »Einführung in die Mundhöhle« haben wir genausowenig zu maulen wie über den Aufsatz »Ethik in der Zahnheilkunde« oder die Beantwortung der bohrendsten Fragen »zur Traumsymbolik von Zähnen«. Mit offenen Mündern saßen wir über den Texten »Ästhetik und Anästhetik des Mundraums«, »Zähne in der Literatur« und »Schlingen und Würgen im Werk von Christoph Schlingensief«. Als wir schließlich den Rausschmeißer »Die Zähne fressen das Orale. Marshall McLuhans Update des Kadmos-Mythos« durchgekaut hatten, waren zwar unsere Speichelkanäle versiegt, doch wußten wir so sicher wie nie: Im Wissenschaftsbetrieb wird noch die abstruseste Quatschidee mit Zungenkußhand genommen und publiziert. Lipp-lipp, hurra!
Eine Frage haben wir aber noch: Wird es ein Hörbuch geben? Sinnlich eingesprochen, ja: -geschmatzt und mit unbearbeiteten Kau-, Beiß- und Schnalzgeräuschen als Bonustracks? Das wäre doch ausgesprochen köstlich!
Sagt »Aaaaaa«:
Titanic
"Sehr geehrte Damen und Herren [...] Auf S. 11 mokieren Sie sich über das Buch 'Das Orale' von Böhme/Slominski. Ich setzte voraus, daß ich weder Fr. Slominski noch Hrn. Böhme persönlich kenne. Von der eventuellen Mutmaßung, ich würde hier als 'Ghost-Writer' fungieren, bitte ich Sie von vornherein Abstand zu nehmen. Es steht Ihnen frei, eine Publikation sinnvoll oder sinnlos zu finden, aber mit Ihrer pauschalisierenden Feststellung, im Wissenschaftsbetrieb werde noch die abstruseste Quatschidee mit Zungenhandkuß genommen und publiziert, stimmen Sie mit ein in das aktuelle Stammtischniveau, das als 'abstrus' diffamiert, womit es sich nur nicht auseinandersetzen möchte. [...] Und haben Sie sich schon einmal überlegt, ob das Thema nicht eigentlich hochbrisant ist in Zeiten, da die Zahnsubstanz bei einem hohen Bevölkerungsteil zwischen untere Mittelschicht und Hartz IV ernäherungsbedingt und durch Umwelteinflüsse stark beeinträchtig und gleichzeitg die Zahnzusatzversicherung im Berufsleben zu einem sozialen 'Must have' geworden ist? (Sie persönlich sehen auf den Fotos nicht so aus, als ließen Sie Ihre Zähne verlottern und retouchierten dann die Bilder.) Abgesehen davon, daß uns allmählich der Biß verloren geht. U.a. auch Ihrem Magazin."Tja, es juckt mich in den Fingern, dem guten Mann eine ernsthafte Antwort zu geben. Ich könnte etwas von gespielter Oberflächlichkeit, dem Bedienen von Ressentiments und meinem Spaßprinzip "Wortspiel vor Inhalt" schreiben, evtl. aufführen, dass ich dem Wissenschafts(publikations)betrieb selbst nicht ganz fremd bin, und zugeben, dass ich mich sogar ein bisschen schäme; aber Satire zu verteidigen ist halt meistens lahm und letztlich fruchtlos.
Donnerstag, 20. Oktober 2016
Genussvolles Ignorieren
Kurzer Privilegiencheck! Dankbar bin ich dafür, uneingeschränkten Zugang zur Medienwelt zu haben. Ich kann beim Wäscheaufhängen mal eben tagesschau24 einschalten, um zu gucken, was in der Welt los ist, ich rufe mehrmals täglich "Spiegel online" auf, und ich habe sämtliche FAZ- und Süddeutsche-Ausgaben der letzten fünf Jahre, nun ja: nicht durchgelesen, aber zumindest -geblättert. Ich scanne Überschriften, lese hie und da einen Kommentar oder einen Artikel, öffne die eine oder andere Eilmeldung auf meinem Telefon, kurzum: Ich halte mich zwar nicht für einen Auskenner, aber wenigstens für durchschnittlich gut informiert.
Ein umso größeres Vergnügen ist es mir, über ausgewählte Nachrichten und Themenkomplexe einfach hinwegzusehen. Auch dies ist nämlich ein Privileg. Erinnert ihr euch noch an das medienrechtliche Hickhack um die Tagesschau-App? Ich (auch) nicht. Keinen einzigen Text zu dieser Angelegenheit habe ich gelesen! Stefan Niggemeier hat gefühlte zehn Millionen Zeichen dazu geschrieben – was eine gewisse Wichtigkeit des Themas nahelegt –, ich aber sagte mir damals: "Nö, davon will ich nix wissen!"
Mein derzeitiges Lieblings-Ignorier-Thema ist der "Kampf um" bzw. die "Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann". Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was da vor sich geht, und finde es herrlich. Was hat Sigmar Gabriel damit zu tun? Und Rewe? Bitte nicht antworten.
Ein umso größeres Vergnügen ist es mir, über ausgewählte Nachrichten und Themenkomplexe einfach hinwegzusehen. Auch dies ist nämlich ein Privileg. Erinnert ihr euch noch an das medienrechtliche Hickhack um die Tagesschau-App? Ich (auch) nicht. Keinen einzigen Text zu dieser Angelegenheit habe ich gelesen! Stefan Niggemeier hat gefühlte zehn Millionen Zeichen dazu geschrieben – was eine gewisse Wichtigkeit des Themas nahelegt –, ich aber sagte mir damals: "Nö, davon will ich nix wissen!"
Mein derzeitiges Lieblings-Ignorier-Thema ist der "Kampf um" bzw. die "Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann". Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was da vor sich geht, und finde es herrlich. Was hat Sigmar Gabriel damit zu tun? Und Rewe? Bitte nicht antworten.
Montag, 17. Oktober 2016
Sind so Fragen
- Was finden Sie unhöflicher: Unpünktlichkeit oder Überpünktlichkeit?
- Was war Ihr drittliebstes Fach in der Grundschule?
- Wie sehr vertrauen Sie Packungsbeilagen?
- Finden Sie, dass allgemein zu viel geschrieben wird?
- Auf welche Farbe könnten Sie am ehesten verzichten?
- Haben Sie je eine fleischfressende Pflanze besessen?
- Was ist Ihrer Meinung nach der angemessene zeitliche Abstand zwischen dem Ende einer Beziehung und dem Anfang einer neuen?
- Hat Sie schon mal eine Glückskeksbotschaft stärker beschäftigt als sie es hätte tun sollen?
- Wann haben Sie das letzte Mal eine RealAudio-Datei abgespielt?
- Wie weit von Ihnen entfernt befindet sich in diesem Moment der nächste Kamm?
- Glauben Sie, dass man Sie manchmal für lästig hält?
- Wenn ein Toaster so viel kostete wie ein Kleinwagen, würden Sie dann trotzdem einen Toaster besitzen?
- Was verbinden Sie mit dem US-Bundesstaat Oklahoma?
- Stellen Sie sich vor, Sie würden innerhalb von zwölf Stunden gleich zweimal von wildfremden Menschen darauf angesprochen, dass Ihre Stimme angeblich so klingt wie die eines TV-Werbespotsprechers der Neunzigerjahre: Was würde das mit Ihnen machen?
- Sind Sie gut im Rückenschwimmen?
- Welches Lied haben Sie zuletzt gesungen?
- Geben Sie sich beim Unterschreiben nach Kartenzahlung noch so viel Mühe wie früher?
- Unter welchen Umständen halten Sie das Verletzen von Wildtieren (ohne Todesfolge!) für gerechtfertigt?
- Mögen Sie Malzbier?
Sonntag, 16. Oktober 2016
Videospieltipp: Inside
Wer sich für leicht abseitige Spiele interessiert, hat wahrscheinlich eh schon einen Blick auf "Inside", den neuesten Puzzle-Platformer von Playdead (die zuvor das großartige "Limbo" gemacht haben) geworfen bzw. es bereits durchgespielt. Trotzdem muss ich es einfach noch einmal ausdrücklich ans Herz legen. Man steuert in diesem Jump & Run wie bei "Limbo" einen kleinen Jungen durch eine stimmungsvolle, von Grautönen dominierte Welt: Man startet in einem Waldstück, rennt später durch ein Maisfeld, einen Bauernhof, Industrieruinen, es gibt auch Schwimmpassagen und und und. Warum rennt der Junge? Das wird einem relativ zeitig klar: Man ist auf der Flucht vor bösen Männern samt Hunden, die einem ans Leder wollen. Warum wollen die einem ans Leder? Das erfährt man nicht sofort, und überhaupt bleibt vieles im Unklaren; am Ende hat man ohnehin ein großes Fragezeichen über dem Haupte schweben, ist aber dankbar für eines der am längsten nachwirkenden Erlebnisse, die man für derzeit knapp 20 Euro haben kann. In circa vier Stunden wechseln sich Rätsel- und Actionpassagen auf elegante Weise ab; Überraschungen und WTF-Momente lassen kaum Zeit zum Luftholen, und das USK-16-Siegel ist nicht ungerechtfertigt. Graphik, Soundeffekte und sparsam eingesetzte Musik runden die Atmosphäre ab. Wie für alle meine Spieleempfehlungen gilt: Nicht weiter drüber informieren, sondern einfach installieren! (Ha, das reimt sich.)
Donnerstag, 13. Oktober 2016
Kurz notiert: Verstümmelte Verben
"Habe ich ein hypersensibles Sprachempfinden"?, fragte ich bereits vor über neun Jahren, und auch heute stelle ich (wem auch immer) die Frage: Habe ich ein hypersensibles Sprachempfinden? Stört es außer mir noch jemanden, dass nach dem Wort "anfällig" das Wort "dafür" fehlt? Als Redakteur der Zeit würde ich den obigen Satz – der zwar ein Zitat, aber ein ins Deutsche übersetztes ist – jedenfalls anstreichen. Auch wenn er "nur" auf Facebook erscheint.
Ich werde weitere Petitessen dieser Art sammeln und gelegentlich in diesem Blog veröffentlichen.
Dienstag, 11. Oktober 2016
Nüsschen und Oppel
Die alte Bundesrepublik! Deren Geist wird nirgendwo mehr geatmet, ist unwiederbringlich erloschen. Die Zeiten, als man immer die gute Fischli-Knabbergebäckmischung im Keller hatte und den doofen Nachbarn als "Kamel" beschimpft hat. Als man mit hochgekrempelten Ärmeln bei Siemens oder Volkswagen eine Lehre gemacht hat, und dann wurde man übernommen und hat vierzig Jahre lang dort malocht, erst als einfache Fließbandkraft, dann als Vorarbeiter mit 'nem Posten in der Gewerkschaft, am Ende als Abteilungsleiter mit eigenem Büro. Zum Abschied gab es eine goldene Armbanduhr, und in der Einfamilienhausgarage standen zwei Mittelklassewagen, dabei hatte man ganz bescheiden mit einem gebrauchten Polo angefangen. Die Kinder waren aus dem Haus, dem Ältesten hatte der Papa eine Stelle im Betrieb verschafft, die Tochter machte Interrail durch Spanien, ein Geschenk zum Abi. Im Sommer ging es an den Gardasee oder nach Bregenz oder ans Kattegat, am Wochenende auf Schalke. Currywurst, Pilsken, Canapés, Mettigel, kein Schnickschnack. Eine bunte Samstagabendshow im Nordmende- oder Blaupunkt-Fernseher, gespielter Witz. Hörzu-Abo, Aufsitzmäher, Makramee-Eulen. Im ganzen Viertel gab es exakt einen Italiener, der hat auch mal schwarz das Esszimmer neu vertäfelt. Es gab CDU- und SPD-Familien, und man war entweder katholisch oder evangelisch. Zu Weihnachten hat man die Schwiegermutter (den Drachen!) aus dem Heim geholt und dann das Fondueset aus dem Küchenschrank, Eiche rustikal. Der aufgesetzte Kirschlikör wurde in besondere Kristallgläschen gekippt, und dann wurden auf dem Diaprojektor Bilder von Opas Kameradentreffen angekuckt.
Gott sei Dank habe ich diese Ära nie miterleben müssen!
Gott sei Dank habe ich diese Ära nie miterleben müssen!
Sonntag, 9. Oktober 2016
Meine zehn zuletzt gesehenen Filme
Ich habe es in den vergangenen Monaten wieder geschafft, einige Filme zu konsumieren. Da diese m.M.n. allesamt in die Wertungskategorie "Kann man gucken" fielen (7/10 Punkten), möchte ich sie qua Kürzestkritiken meiner Leserschaft anempfehlen.
Big Eyes
Tim Burtons ziemlich un-burton'sche Annäherung an die Künstlerin Margaret Keane und deren die Lorbeeren einheimsenden Hochstapler-Ehemann (Christoph Waltz). Hübsche Farben und Feel-good-Musik. Die (unglaubliche!) Geschichte überfordert einen nicht.
RoboCop (2014)
Seltener Fall eines gelungenen Remakes! Den Hauptdarsteller (Joel Kinnaman) kannte ich bis dahin überhaupt nicht.
Paradies: Hoffnung
Irgendwo las ich, der Abschluss von Ulrich Seidls "Paradies"-Trilogie werde dem Titel gerecht und sei der positivste der Reihe. Es gibt natürlich immer noch genug Momente qualvoller Peinlichkeit, aber man hat am Ende nicht völlig abgeschlossen mit der Menschheit.
Sin City 2
Deutlich schwächer als der revolutionäre Vorgänger, aber immer noch nett anzusehen. Weiß mit wohldosierter Comicgewalt und einem sich selbst übertreffenden Mickey Rourke zu überzeugen.
Conjuring 2
Diese Fortsetzung wiederum ist deutlich besser als der verschwurbelte, überkandidelte erste Teil. Sauber inszenierter Geister-Grusel vor einnehmender Kulisse.
Popstar: Never Stop Never Stopping
Lustige Musik-Mockumentary von und mit The Lonely Island. Wer mit denen etwas anfangen kann und "Fraktus" zu realitätsnah fand, sollte sich diese Komödie "gönnen".
The Ones Below
Dieses Nachbarschaftsdrama um zwei Nachwuchs erwartende Paare dürfte kaum bekannt sein. Mit geringem Aufwand wird von Anfang bis Ende eine beklemmende Stimmung erzeugt, zudem spielt Clémence Poésy großartig auf.
Into the Forest
Ein Vater lebt mit seinen zwei Töchtern im Wald. Dann gibt es einen großflächigen und langanhaltenden Stromausfall (warum genau, wird bis zum Schluss offen gelassen), und tragedy ensues. Wie immer wunderbar: Ellen Page.
Oben
... gilt ja als einer der besten Pixar-Produktionen, und da ich eh viel zu selten Animationsfilme sehe, habe ich "Up" eine Chance gegeben. Gestört hat mich, dass selbst in diesen in der Menschenwelt verwurzelten Kosmos "sprechende" Tiere hineingeschummelt wurden; gut fand ich die Extraportion Rührseligkeit. Und technisch ist natürlich alles makellos.
Maps to the Stars
Ein Film, den man nicht zusammen mit seinen Eltern anschauen möchte, voller verbaler und visualisierter Obszönitäten. Um es mit den Worten des Bloggers/Twitterers Henscheck zu sagen: "ein BestOf diverser Cronenbergthemen, minus Bodyhorror". Dekadenz meets Nihilismus, yeah! Und gibt es eigentlich eine mutigere Schauspielerin als Julianne Moore?
Big Eyes
Tim Burtons ziemlich un-burton'sche Annäherung an die Künstlerin Margaret Keane und deren die Lorbeeren einheimsenden Hochstapler-Ehemann (Christoph Waltz). Hübsche Farben und Feel-good-Musik. Die (unglaubliche!) Geschichte überfordert einen nicht.
RoboCop (2014)
Seltener Fall eines gelungenen Remakes! Den Hauptdarsteller (Joel Kinnaman) kannte ich bis dahin überhaupt nicht.
Paradies: Hoffnung
Irgendwo las ich, der Abschluss von Ulrich Seidls "Paradies"-Trilogie werde dem Titel gerecht und sei der positivste der Reihe. Es gibt natürlich immer noch genug Momente qualvoller Peinlichkeit, aber man hat am Ende nicht völlig abgeschlossen mit der Menschheit.
Sin City 2
Deutlich schwächer als der revolutionäre Vorgänger, aber immer noch nett anzusehen. Weiß mit wohldosierter Comicgewalt und einem sich selbst übertreffenden Mickey Rourke zu überzeugen.
Conjuring 2
Diese Fortsetzung wiederum ist deutlich besser als der verschwurbelte, überkandidelte erste Teil. Sauber inszenierter Geister-Grusel vor einnehmender Kulisse.
Popstar: Never Stop Never Stopping
Lustige Musik-Mockumentary von und mit The Lonely Island. Wer mit denen etwas anfangen kann und "Fraktus" zu realitätsnah fand, sollte sich diese Komödie "gönnen".
The Ones Below
Dieses Nachbarschaftsdrama um zwei Nachwuchs erwartende Paare dürfte kaum bekannt sein. Mit geringem Aufwand wird von Anfang bis Ende eine beklemmende Stimmung erzeugt, zudem spielt Clémence Poésy großartig auf.
Into the Forest
Ein Vater lebt mit seinen zwei Töchtern im Wald. Dann gibt es einen großflächigen und langanhaltenden Stromausfall (warum genau, wird bis zum Schluss offen gelassen), und tragedy ensues. Wie immer wunderbar: Ellen Page.
Oben
... gilt ja als einer der besten Pixar-Produktionen, und da ich eh viel zu selten Animationsfilme sehe, habe ich "Up" eine Chance gegeben. Gestört hat mich, dass selbst in diesen in der Menschenwelt verwurzelten Kosmos "sprechende" Tiere hineingeschummelt wurden; gut fand ich die Extraportion Rührseligkeit. Und technisch ist natürlich alles makellos.
Maps to the Stars
Ein Film, den man nicht zusammen mit seinen Eltern anschauen möchte, voller verbaler und visualisierter Obszönitäten. Um es mit den Worten des Bloggers/Twitterers Henscheck zu sagen: "ein BestOf diverser Cronenbergthemen, minus Bodyhorror". Dekadenz meets Nihilismus, yeah! Und gibt es eigentlich eine mutigere Schauspielerin als Julianne Moore?
Freitag, 7. Oktober 2016
Anzeigen mit Hirn
In etlichen Zeitschriften findet man gegenwärtig diese ganzseitigen Anzeigen:
"10 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde.
Dein Gehirn.
Weil die beste Technik menschlich ist.
Und falls doch mal etwas ist, ermöglichen wir für
unsere Versicherten moderne Tumorbehandlung."
Ich habe dazu fünf Anmerkungen:
1. Die beste Technik ist menschlich? Abgesehen davon, dass Technik im engeren Sinne ohnehin menschgemacht ist: Hat man etwa ohne Technik herausgefunden, dass das Gehirn 10 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde vollbringt?
2. Außerdem sind es nur 9 Billionen Rechenoperationen; ich habe gerade nachgerechnet!
3. Diese Stakkato-Sprache in der Werbung geht mir schon seit langem gehörig auf den Senkel. In Hessen fahren Busse Reklame folgenden Wortlauts durch die Gegend: "Hier in Darmstadt. Die Hochschule. Für Berufstätige." Niemand hat mehr Mut. Zum Satz. Zum richtigen.
4. Wieso eigentlich "Weil die beste Technik menschlich ist"? Was war denn die Frage?
5. Wenn eine Tumorbehandlung nötig ist, dann sicher nicht, weil "mal etwas ist". Dieses lapidare "etwas" dürfte äußerst schwerwiegend und auch mit modernen Mitteln nicht mir nix, dir nix zu therapieren sein.
Sei's drum. Genug gemosert.
"10 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde.
Dein Gehirn.
Weil die beste Technik menschlich ist.
Und falls doch mal etwas ist, ermöglichen wir für
unsere Versicherten moderne Tumorbehandlung."
Ich habe dazu fünf Anmerkungen:
1. Die beste Technik ist menschlich? Abgesehen davon, dass Technik im engeren Sinne ohnehin menschgemacht ist: Hat man etwa ohne Technik herausgefunden, dass das Gehirn 10 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde vollbringt?
2. Außerdem sind es nur 9 Billionen Rechenoperationen; ich habe gerade nachgerechnet!
3. Diese Stakkato-Sprache in der Werbung geht mir schon seit langem gehörig auf den Senkel. In Hessen fahren Busse Reklame folgenden Wortlauts durch die Gegend: "Hier in Darmstadt. Die Hochschule. Für Berufstätige." Niemand hat mehr Mut. Zum Satz. Zum richtigen.
4. Wieso eigentlich "Weil die beste Technik menschlich ist"? Was war denn die Frage?
5. Wenn eine Tumorbehandlung nötig ist, dann sicher nicht, weil "mal etwas ist". Dieses lapidare "etwas" dürfte äußerst schwerwiegend und auch mit modernen Mitteln nicht mir nix, dir nix zu therapieren sein.
Sei's drum. Genug gemosert.
Donnerstag, 6. Oktober 2016
Ein fast zehnminütiges Audiohäppchen
"Stolz und Vorurgeil - Massenphänomen CSD & Co."
("Club Voltaire", Frankfurt am Main, 04.10.2016)
("Club Voltaire", Frankfurt am Main, 04.10.2016)
Dienstag, 4. Oktober 2016
Ein Beitrag für dich (und dich!)
In einer alten TV-Reklame für Kellogg's Frosties, die man sich auf YouTube ansehen kann, wird folgendes Lied gesungen:
(Frauenstimme) "Lass ihn raus, den Tiger! Zeig ihnen, dass du es kannst.
Die Kellogg's Frosties schmecken so, die wecken den Tiger in dir."
(Tony der Tiger) "Und dir!"
Was ich mich seit Ewigkeiten frage: Wen meint Tony der Tiger mit "und dir"? Meint er mich, den Betrachter des Werbespots? Aber wen hat dann die Frau, die vorher gesungen hat, mit "du" gemeint? Das muss doch ein ganz anderes "du" gewesen sein! Der Ablauf ergibt eigentlich nur Sinn, wenn exakt zwei Kinder vor dem Fernseher sitzen. Zuerst adressiert die Frau Kind Nr. 1; dann spricht Tony der Tiger Kind Nr. 2 an. Aber woher soll welches Kind wissen, wann es gemeint ist? Und was ist, wenn sich mehr als zwei Kinder vor dem TV-Gerät versammelt haben? Bilden sie instinktiv zwei Gruppen, von denen die erste sich auf eine kollektiv-pluralische Interpretation des "du" einlässt (Wir hatten in der Schule eine Kunstlehrerin, die stets die gesamte Klasse in der 2. Person Singular ansprach: "Hole deine Gouachefarben heraus!") und die zweite nur aus einem einzelnen Menschen besteht, der sich dann freuen darf, am Ende noch persönlich von dem animierten Frühstücksmaskottchen angeknurrt zu werden?
(Frauenstimme) "Lass ihn raus, den Tiger! Zeig ihnen, dass du es kannst.
Die Kellogg's Frosties schmecken so, die wecken den Tiger in dir."
(Tony der Tiger) "Und dir!"
Was ich mich seit Ewigkeiten frage: Wen meint Tony der Tiger mit "und dir"? Meint er mich, den Betrachter des Werbespots? Aber wen hat dann die Frau, die vorher gesungen hat, mit "du" gemeint? Das muss doch ein ganz anderes "du" gewesen sein! Der Ablauf ergibt eigentlich nur Sinn, wenn exakt zwei Kinder vor dem Fernseher sitzen. Zuerst adressiert die Frau Kind Nr. 1; dann spricht Tony der Tiger Kind Nr. 2 an. Aber woher soll welches Kind wissen, wann es gemeint ist? Und was ist, wenn sich mehr als zwei Kinder vor dem TV-Gerät versammelt haben? Bilden sie instinktiv zwei Gruppen, von denen die erste sich auf eine kollektiv-pluralische Interpretation des "du" einlässt (Wir hatten in der Schule eine Kunstlehrerin, die stets die gesamte Klasse in der 2. Person Singular ansprach: "Hole deine Gouachefarben heraus!") und die zweite nur aus einem einzelnen Menschen besteht, der sich dann freuen darf, am Ende noch persönlich von dem animierten Frühstücksmaskottchen angeknurrt zu werden?
Die Originalfassung hilft uns leider nicht weiter, denn darin hören wir (fast) dasselbe in Englisch:
(Männerstimme) "So show them you're a tiger! Show them what you can do!
The taste of Kellogg's Frosties brings out the tiger in you."
(Tony the Tiger) "And you!"
Tatsächlich weist die englischsprachige Version eine zusätzliche Ungereimtheit auf: "[S]how them you're a tiger [...] brings out the tiger in you." Bin ich nun ein Tiger oder steckt lediglich einer in mir, den herauszuholen die Haupteigenschaft der beworbenen Cornflakes ist? Hier wurde eine ganze Generation auf immerdar verwirrt! Fahrlässig oder vorsätzlich – darüber wollen wir nicht spekulieren ...
Ich möchte aber nicht nur meckern, sondern auch eine von Logiklöchern bereinigte deutsche Neuversion anbieten:
(geschlechtsneutrale Stimme) "In dir steckt ein Tiger. Lass ihn doch einfach raus!
Mit Kellogg's Frosties schaffst du dies. Sie sind ein zuckriger Schmaus!"
(Tony der Tiger) "Du bist gemeint!"
(Männerstimme) "So show them you're a tiger! Show them what you can do!
The taste of Kellogg's Frosties brings out the tiger in you."
(Tony the Tiger) "And you!"
Tatsächlich weist die englischsprachige Version eine zusätzliche Ungereimtheit auf: "[S]how them you're a tiger [...] brings out the tiger in you." Bin ich nun ein Tiger oder steckt lediglich einer in mir, den herauszuholen die Haupteigenschaft der beworbenen Cornflakes ist? Hier wurde eine ganze Generation auf immerdar verwirrt! Fahrlässig oder vorsätzlich – darüber wollen wir nicht spekulieren ...
Ich möchte aber nicht nur meckern, sondern auch eine von Logiklöchern bereinigte deutsche Neuversion anbieten:
(geschlechtsneutrale Stimme) "In dir steckt ein Tiger. Lass ihn doch einfach raus!
Mit Kellogg's Frosties schaffst du dies. Sie sind ein zuckriger Schmaus!"
(Tony der Tiger) "Du bist gemeint!"
Montag, 3. Oktober 2016
Sonntag, 2. Oktober 2016
Der alte Mann hat es schwer
Die angesagtesten Popsensationen, die hottesten Schauspieler und vor allem -innen, die kommenden Literatursternchen, die beliebtesten Moderatoren, Kolumnistinnen, Models, Start-up-Gründer, Comedians/Comediennes sowie der Löwenanteil der aktiven Fußballspieler: Sie alle sind jünger als ich. Das macht mich traurig.
Noch mit Ende 20 befand ich mich auf einem Höhenflug: Ich hatte mit Leichtigkeit und mit Auszeichnung ein Studium abgeschlossen und direkt danach meinen absoluten Traumjob ergattert. Doch heute? Bin ich in meinen Dreißigern und kann – nur als Beispiel – keine Wikipedia- oder imdb-Seite zu einer aktuellen Fernsehserie mehr lesen, ohne resigniert zu stöhnen angesichts der Tatsache, dass der halbe Cast aus Menschen besteht, die meine kleinen Geschwister sein könnten. Die sind in den Neunzigern geboren und haben schon alles erreicht!
Zugegeben, noch habe ich mich nicht komplett aufgegeben, denn mein Betätigungsfeld (Satire und Journalismus) ist von Haus aus eine Domäne der Reiferen. Überhaupt: Jammere ich hier nicht auf hohem Niveau? Bin ich nicht verblendet und arrogant, wenn ich mich an einer vermeintlichen Elite und irgendwelchen "Superstars" messe? Klar. Das da oben waren auch Extrembeispiele. Aber selbst bei "ganz normalen" Gleichaltrigen finde ich stets etwas, das mich melancholisch und neidisch werden lässt, und seien es profane Dinge wie eigene Kinder oder die Anzahl der Instagram-Follower. Ist dies Teil einer Persönlichkeitsstörung oder Resultat eines Lebens in einer verderbten, auf Oberflächlichkeiten fixierten Leistungsgesellschaft? Missgunst empfinde ich jedenfalls nie, das möchte ich festhalten. Ich gönne allen alles!
Worauf aber werde ich zurückschauen können, wenn ich die große Vier-null überschritten habe? Noch wichtiger: In welchem Bereich werde ich dann Fuß fassen können, ohne mich wie ein Methusalem zu fühlen? Auf diese Frage lieferte mir die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vor zwei Wochen eine Antwort. Einen Artikel über das Verlagswesen leitete sie mit dem Satz ein: "Sieben junge Lektoren berichten von ihrer Arbeit." - 'Aha, wie jung werden die wohl sein?', fragte ich mich ... und las unter den jeweiligen Portraits: 35, 33, 36, 36, 34, 29, 44. Das gab mir Aufwind! Eine Branche, in der man mit 44 als jung gilt, darf sich schon mal auf mein künftiges Mitwirken "freuen". Ich glaube, diese Arbeit würde mich sogar einigermaßen befriedigen. Und zur Not gehe ich in die Politik.
(Oh Gott, das war der wohl wehleidigste Beitrag aller Zeiten. Stay with me, morgen lachen wir wieder über die schwülstigen Namen richtig alter Säcke!)
Noch mit Ende 20 befand ich mich auf einem Höhenflug: Ich hatte mit Leichtigkeit und mit Auszeichnung ein Studium abgeschlossen und direkt danach meinen absoluten Traumjob ergattert. Doch heute? Bin ich in meinen Dreißigern und kann – nur als Beispiel – keine Wikipedia- oder imdb-Seite zu einer aktuellen Fernsehserie mehr lesen, ohne resigniert zu stöhnen angesichts der Tatsache, dass der halbe Cast aus Menschen besteht, die meine kleinen Geschwister sein könnten. Die sind in den Neunzigern geboren und haben schon alles erreicht!
Zugegeben, noch habe ich mich nicht komplett aufgegeben, denn mein Betätigungsfeld (Satire und Journalismus) ist von Haus aus eine Domäne der Reiferen. Überhaupt: Jammere ich hier nicht auf hohem Niveau? Bin ich nicht verblendet und arrogant, wenn ich mich an einer vermeintlichen Elite und irgendwelchen "Superstars" messe? Klar. Das da oben waren auch Extrembeispiele. Aber selbst bei "ganz normalen" Gleichaltrigen finde ich stets etwas, das mich melancholisch und neidisch werden lässt, und seien es profane Dinge wie eigene Kinder oder die Anzahl der Instagram-Follower. Ist dies Teil einer Persönlichkeitsstörung oder Resultat eines Lebens in einer verderbten, auf Oberflächlichkeiten fixierten Leistungsgesellschaft? Missgunst empfinde ich jedenfalls nie, das möchte ich festhalten. Ich gönne allen alles!
Worauf aber werde ich zurückschauen können, wenn ich die große Vier-null überschritten habe? Noch wichtiger: In welchem Bereich werde ich dann Fuß fassen können, ohne mich wie ein Methusalem zu fühlen? Auf diese Frage lieferte mir die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vor zwei Wochen eine Antwort. Einen Artikel über das Verlagswesen leitete sie mit dem Satz ein: "Sieben junge Lektoren berichten von ihrer Arbeit." - 'Aha, wie jung werden die wohl sein?', fragte ich mich ... und las unter den jeweiligen Portraits: 35, 33, 36, 36, 34, 29, 44. Das gab mir Aufwind! Eine Branche, in der man mit 44 als jung gilt, darf sich schon mal auf mein künftiges Mitwirken "freuen". Ich glaube, diese Arbeit würde mich sogar einigermaßen befriedigen. Und zur Not gehe ich in die Politik.
(Oh Gott, das war der wohl wehleidigste Beitrag aller Zeiten. Stay with me, morgen lachen wir wieder über die schwülstigen Namen richtig alter Säcke!)
Samstag, 1. Oktober 2016
Dies ist ein Test
Jahrelang habe ich mich immer wieder milde erbost, wenn ich auf einem Kosmetik- oder Haushaltsartikel das Siegel "Dermatologisch getestet" vorfand. Das sagt schließlich erstmal überhaupt nichts aus! Der dermatologische Test kann ja auch haarsträubend schlecht ausgefallen sein. "Dermatologisch getestet und als höchst bedenklich eingestuft" ist mir als Aufdruck jedoch nie untergekommen, nur die ewig gleiche Floskel. Als ich letzte Woche eine Flasche Kuschelweich kaufte, war ich überrascht ob dieser Entdeckung:
"... und bestätigt"! Das ist zwar immer noch verhältnismäßig vage (Was wurde denn bestätigt? Der Anfangsverdacht, dass der Weichspüler feuerrote Hautreizungen hervorruft?), aber ein Schritt in die richtige Richtung.
Dass ich mich ausgerechnet für das wohl kitschigste Weichspülerkonzentrat entschieden habe, möchte ich übrigens damit entschuldigen, dass das Produkt 1.) im Sonderangebot war und 2.) ganz nett riecht. Letzteres hatte ich bereits im Laden überprüft. Ohne vorherige Geruchsprobe kaufe ich überhaupt kein Waschmittel mehr, seit ich einmal mit "Spee Sensitive" dufttechnisch gehörig ins Klo gegriffen habe. Zudem kann man dabei gleich sicherstellen, dass sich die Flasche öffnen lässt, was bekanntlich keine Selbstverständlichkeit ist.
"... und bestätigt"! Das ist zwar immer noch verhältnismäßig vage (Was wurde denn bestätigt? Der Anfangsverdacht, dass der Weichspüler feuerrote Hautreizungen hervorruft?), aber ein Schritt in die richtige Richtung.
Dass ich mich ausgerechnet für das wohl kitschigste Weichspülerkonzentrat entschieden habe, möchte ich übrigens damit entschuldigen, dass das Produkt 1.) im Sonderangebot war und 2.) ganz nett riecht. Letzteres hatte ich bereits im Laden überprüft. Ohne vorherige Geruchsprobe kaufe ich überhaupt kein Waschmittel mehr, seit ich einmal mit "Spee Sensitive" dufttechnisch gehörig ins Klo gegriffen habe. Zudem kann man dabei gleich sicherstellen, dass sich die Flasche öffnen lässt, was bekanntlich keine Selbstverständlichkeit ist.