Aus der Vergangenheit in die Gegenwart herübergerettet hatte ich einen Stoß VHS-Kassetten. Wer weiß, ob ich nicht irgendwann Lust habe, das alte Zeug mal wieder anzusehen, hatte ich mir gedacht. Bei dem alten Zeug handelte es sich hauptsächlich um aus dem Fernsehen Aufgenommenes, aber auch die Aufzeichnung einer Schultheateraufführung, bei der ich "den Vorhang gemacht" habe, war darunter, sowie zwei bei eBay ersteigerte Original-Raritäten, nämlich Trey Parkers Spielfilmdebüt "Cannibal! The Musical" und die Troma-Komödie "Zurück zur Natur". Nachdem ich sechs Jahre lang keine Möglichkeit gehabt hatte, diese Kostbarkeiten abzuspielen, bekam ich zu Weihnachten einen gebrauchten Videorecorder geschenkt. Eine prima Sache, leider erlitt das Gerät wohl beim Transport in meine Wohnung innere Schäden, mit dem Ergebnis, dass die Tapes nicht nur nicht wiedergegeben, sondern zu Bandsalat gedröselt und zerrissen wurden. Ein Desaster! Wie gerne hätte ich einen Blick auf alte TV-Werbung geworfen oder auf den Mitschnitt eines frühen Domino Days.
Niedergeschlagen, aber von nostalgischen Anwandlungen befeuert, nahm ich mir kurz nach Abschluss des unrühmlichen VHS-Kapitels meine Audiokassettensammlung vor. Auch diese hatte ich bei meinem letzten Umzug eingepackt, ohne ein entsprechendes Abspieldingens zu besitzen. Während VHS-Player und -Recorder heute nur gebraucht und i.d.R. zu irrwitzigen Preisen über den (virtuellen) Ladentisch gehen, ist es wesentlich einfacher, auf eine musikalische Zeitreise zu gehen – dank moderner und dennoch spottbilliger Technik. Ich orderte also für weniger als 20 Euro einen Walkman mit USB-basierter Digitalisierungsmöglichkeit und checkte, was sich auf meinen gut zwei Dutzend MCs verbarg. Was sich dort verbarg, war durchweg grauenhaft! So etwas lief damals im Radio?! Und man fand das auch noch gut?!
Vor YouTube, Spotify & Co. war es integraler Bestandteil der popkulturellen Sozialisation, dass man sich vor die CD-MC-Tuner-Kombination setzte und die "Rec"-Taste betätigte, wenn etwas über den Äther lief, das man später noch mal hören wollte. So habe ich das bis ungefähr zur Jahrtausendwende gemacht. Auch ließ ich oft in der Nacht von Samstag zu Sonntag, während ich schlief, ein 120-Minuten-Tape laufen (automatische Wendefunktion!), welches ich am nächsten Morgen bei meinem Nebenjob als stationärer Sonntagszeitungsverkäufer anhörte. Jeden Samstagabend wurde nämlich eine Kultsendung ausgestrahlt, die ich aus verschiedenen Gründen schätzte, vor allem wegen der Liedauswahl. Mit genügend Abstand und Objektivität muss ich heute zugeben, dass die aufgenommen Lieder überhaupt nicht toll sind und es niemals waren, und man muss einsehen, dass die 1990er Jahre in dieser Beziehung wirklich als das allerschlimmste Jahrzehnt verurteilt gehören. Ich wünschte, nicht meine Video-, sondern meine Audiokassetten wären zerrupft worden! Etwas ging dann im Zuge dieses Horrortrips down memory lane aber doch noch kaputt: der Walkman! Sein Laufwerk versagte von einer Sekunde auf die nächste den Dienst, wie um zu sagen: Genug jetzt mit diesem Dancefloor-Techno-Europop-Trash! Ich konnte das Teil glücklicherweise gegen Vollpreiserstattung zurücksenden und überlege nun, mir einen neuen Kassettenspieler zu kaufen. Doch ich glaube, ich brauche noch ein paar Wochen, bevor ich in der Verfassung bin, den (mutmaßlich) abscheulichen Rest meines analogen Audiofundus' zu begutachten ...
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