Samstag, 1. April 2017

This blog won't change your life

Irgendwann im vergangenen Jahrzehnt entdeckte ich in einer Buchhandlung im englischsprachigen Ausland ein Taschenbuch mit dem aufmerksamkeitsheischenden Titel "This Diary Will Change Your Life". Es handelte sich um einen peppig gestalteten Kalender, der für jede Woche des Jahres eine aberwitzige Aufgabe bereithielt. Am Ende des Jahres, also des Buches, würde – so die Prämisse – das Leben des Besitzers bzw. der Besitzerin nachhaltig verändert worden sein. Aus verschiedenen Gründen sah ich davon ab, das Buch zu kaufen, was ich später bereute. In unregelmäßigen Abständen musste ich an das anregende Diarium denken und überprüfte Amazon nach etwaigen Fortsetzungen, trotzdem konnte ich mich nie zu einem Erwerb aufraffen. Es gab diesen Kalender des Autorenduos "Benrik" (Ben Carey und Henrik Delehag) erstmals 2004 und letztmalig 2009. 2010 folgte ein Best-of aus allen Jahrgängen, zudem erschienen diverse Ableger, von denen drei sogar von Blanvalet auf deutsch verlegt wurden ("Vaters Buch", "Mutters Buch" und "Sex haben, Geld machen, Gott finden. Der einzig nötige Ratgeber für wirklich alle Lebensfragen").

Ende 2016 entschied ich mich dann endlich, das "Diary"-Experiment im Jahr 2017 nachzuholen. Für weniger als einen Euro ersteigerte ich bei eBay die Ausgabe von 2006 (Grund: 2017 ist mit 2006 "synchron", es begann wie jenes an einem Sonntag).


In meinem Blogpost vom 31.12.2016 hatte ich großspurig "neue Rubriken" angekündigt; eine von denen sollte ein "Let's Play Real Life" anhand des Benrik-Büchleins sein. Beizeiten musste ich allerdings erkennen, dass dieses Vorhaben unerfüllbar ist. 

Einige Wochenaufgaben lasse ich in der Tat als spaßig bis alltagsaufwertend durchgehen: "Handle entgegengesetzt zu deinem Sternzeichen"; "Lass ein Körperteil versichern"; "Bitte einen Milliardär um Geld"; "Agiere, als befändest du dich in einem Werbespot"; "Entzünde eine politische Debatte"; "Sei eine Woche lang ein pathologischer Lügner"; "Stalke einen Schriftsteller und inspiriere ihn zu seinem nächsten Buch". 


Andere Vorschläge entpuppen sich wegen, nun ja: Dämlichkeit als nicht durchführbar. So vielen Menschen wie möglich (buchstäblich) auf die Füße treten, mich bei Bekannten prostituieren oder sieben Tage in Babysprache brabbeln? Nee, lass mal.


Wiederum andere Aufgaben sind schlicht gefährlich bis kriminell. Bei aller Experimentierfreudigkeit und größtem Willen zum life improvement: Ich werde bestimmt keinem Kunstwerk im nächsten Museum "meine persönliche Note geben". Und ich überlasse auch nicht mein Handy einem Obdachlosen (Okay, wir reden über die Prä-Smartphone-Ära; trotzdem ...)!


Schon klar, das Werk ist in erster Linie ein satirisches. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen die meisten tasks allein dadurch, dass man sie gedanklich durchspielt. Was wäre, wenn? Schönes Beispiel: "This week, play God with other peoples' lives. The village of Likabula is one of the poorest in Malawi [...]. If every Diary reader donates £5 this week, the village will be rich, and you will have changed the fortunes of an entire community." Einerseits wird mit diesem Ansatz Potenzial verschenkt, denn jede Woche eine Sache zu tun, die man normalerweise nicht tut, könnte wirklich ein ganzes Jahr herausragend werden lassen. Andererseits bleiben Geist und Verstand nicht gänzlich unbeeindruckt, wenn man sich der bloßen – im Übrigen noch immer graphisch innovativ wirkenden – launigen Lektüre hingibt, ohne dabei aktiv zu werden. Außerdem kann das Tagebuch (Format: A5) auch als richtiger Wochenplaner und Erlebnisbewahrer gebraucht werden.


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