Heute: Arbeiterroman von Gerhard Henschel
Habe nun, ach, fast 4000 Seiten über das Leben des Martin Schlosser gelesen, und von mir aus können ruhig noch mal sieben Bände über das (zefix, ich muss es schon wieder schreiben!) alter ego von Gerhard Henschel erscheinen. Mich – und nicht nur mich – machen diese Romane seit dem Auftakt ("Kindheitsroman", 2004) süchtig. Sie lesen sich so wunderbar flott weg, auch wenn nichts und nichts geschieht außer dass gegessen, ferngesehen, gefeiert, gelesen, konversiert und verreist wird. Im "Arbeiterroman" allerdings erlebt der inzwischen 25jährige Martin so einiges, muss gleich drei ziemlich heftige Schicksalsschläge verarbeiten,
und das alles vor dem aufregenden Hintergrund des Mauerfalls. Ja, es gibt wieder unzählige unnötige Zitate (v.a. von Bob Dylan und Arno Schmidt, doppelgähn), die historischen Notizen finde ich hingegen äußerst interessant. Überhaupt ist die Akribie des Autors und seine Liebe zur Authentizität nicht weniger als anbetungswürdig. Man kann sich kaum eine glaubwürdigere, deteilgetreuere, ehrlichere, in summa "echtere" Autobiographie vorstellen – vom Umfang zu schweigen! (Einen staunen machenden Einblick in Henschels Arbeitsweise und -ort gibt dieser Artikel aus der Welt.) Persönliche Anmerkung: Besonders erhellend und erheiternd sind für mich, dessen Lebensweg ja gewisse Parallelen zu dem von Henschel aufweist, die Stellen, in denen der ambitionierte Jungschriftsteller sich in die Welt der Printsatire vortastet. Ich traf auf Personal, mit dem ich heute berufsmäßig zu tun habe! Wer weiß, vielleicht werde auch ich irgendwann einen Gastauftritt in Band Nummer 10 oder 15 oder 18 haben, immerhin habe ich bereits mehr als einmal mit Herrn Henschel hin- und hergemailt, und der pflegt jedes Schnipselchen Korrespondenz aufzubewahren, um es später literarisch zu verwerten. Ich sehe es schon vor mir: "In der Titanic-Rubrik 'Briefe an die Leser' wollte ich mal wieder einen Beitrag unterbringen. Ich schickte einen kurzen Text an die Redaktion. Wenig später meldete sich ein gewisser Torsten Gaitzsch. Was waren das für Leute, die dort mittlerweile arbeiteten?" Am lautesten musste ich übrigens lachen, als "Martin Schlosser" zum ersten Mal ein Antwortschreiben des Frankfurter Satiremagazins erhält: "Vielen Dank für Ihren Text. Wir möchten ihn nicht drucken." The struggle is real.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen