Freitag, 16. Februar 2018

Kollektivschuld

Als ich den deutschen Trailer für "Mission: Impossible 6" sah, musste ich an einer Stelle stutzen.

Alec Baldwin: "Aber sein Team wäre tot."
Angela Bassett: "Ja, wären sie."

"Sein Team wären tot"? Kann man das sagen? Da stimmt doch was nicht!

Im Originaldialog heißt es "Yes, they would", wobei sich "they" auf "his team" bezieht, und das ist selbstverständlich korrekt. Sogenannte collective nouns wie group, staff, police und eben team sorgen im englischen Sprachraum für notorische Verwirrung. Benutzt man den Singular oder den Plural eines Verbs (ggf. nebst entsprechendem Pronomen), wenn ein Substantiv in der Einzahl eine Gruppe von mehreren Individuen/Items bezeichnet? Wie das "Oxford Dictionaries"-Blog 2011 festgehalten hat, gibt es (oder gab es zumindest anno 2011) dabei leichte Unterschiede zwischen British und American English. In den Staaten tendiert man wohl eher dazu, den Singular der finiten Verbform zu verwenden, was grammatisch am "konsequentesten" ist, während im Britischen Englisch "it’s absolutely fine to treat most collective nouns as either singular or plural". Einige wenige Wörter wie police verlangen laut dem verlinkten Blogeintrag ausschließlich den Plural, doch schon in der Zeit der Niederschrift schien diese Vorschrift im Aufweichen begriffen zu sein. Langer Rede kurzer Sinn: Das Wort team pluralisch zu interpretieren und zu behandeln, ist vollkommen legitim.

Das Übersetzungsteam haben hat das nun aufs Deutsche übertragen. Diese Inkongruenz liegt ehrlich gesagt außerhalb meiner persönlichen sprachlichen Komfortzone*, aber in Stein gemeißelt ist das Gesetz, wonach einem Nomen im Singular ein Verb im Singular zu folgen hat, keineswegs. Die Formulierungen "Die schätzungsweise große Anzahl von Menschen arbeiten in den Schattenbereichen des Berliner Arbeitsmarktes und gehören zu den schwächsten Gruppen" und "Ein Teil der Umsätze werden bereits jetzt mit internationalen Aufträgen erwirtschaftet" sind in offiziellen politischen Verlautbarungen getätigt worden, und kaum jemand stört sich daran außer Sprachkolumnistinnen wie Brigitte Grunert, die am Ende ihrer darauf Bezug nehmenden Tagesspiegel-Glosse vom 14.7.2007 jedoch einräumen muss, dass selbst der Duden anmerkt: "Oft wird aber nach dem Sinn konstruiert und das Verb in den Plural gesetzt."

Klarheit schafft eine Handreichung des Instituts für Germanistik der Uni Wien:
"a) Wenn das Subjekt im Singular steht und dennoch eine Mehrzahl bezeichnet, oder das Subjekt aus mehreren Teilen besteht kann es zu Konflikten bezüglich der Kongruenz im Numerus kommen.
Eine Reihe von Leuten hat (auch: haben) sich beschwert.
Ein Kilogramm Erbsen wurde (auch: wurden) gekocht.
Das Gelächter, die Heiterkeit klangen (auch: klang) aufgesetzt.
→ Die finite Verbform kann in diesen Fällen sowohl im Singular als auch im Plural stehen. Eine feste Regel gibt es nicht.
b) Wenn einem Mengenbegriff im Singular wie Anzahl, Gruppe, Hälfte, Hand voll, Haufen, Heer etc. das Gezählte im Plural folgt, dann steht das Verb überwiegend im Singular:
Eine Menge faule Äpfel lag unter dem Baum.
Es war wie immer eine Menge Leute da."

Auch bei Maß- und Mengenangaben sowie Brüchen und Prozentangaben im Plural ist es nicht unüblich, das Prädikat in den Singular zu setzen, und umgekehrt:
"Zwei Liter Bier reichen (auch: reicht) nicht aus, um mich betrunken zu machen.
Drei LKW Sand sind (auch: ist) genug für unsere Zwecke.
Hundert Gramm Zucker sind (auch: ist) zu schon zu viel.
[...]
Drei Fünftel Strom wird (auch: werden) atomar erzeugt.
50% Zucker wird (auch: werden) dem Produkt entzogen." (Beispiele von der Uni Wien)

Jedenfalls freue ich mich auf den neuen "Mission Impossible".

* Der Fairness halber muss man sagen, dass das beanstandete Zitat aus dem Filmtrailer kein einzelner Satz war, sondern es sich um zwei Sätze handelte und der zweite auf den ersten referierte. "Sein Team wären tot" hätten die Übersetzer/-innen vermutlich dann doch nicht ins Dialogbuch geschrieben.

1 Kommentar:

  1. Gerne gelesen! Bei dieser Konstruktionen hätte ich auch gestutzt und ich würde es wie du wohl nie so verwenden.

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