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Mittwoch, 2. Mai 2018
Was regnet denn da?
Dieser xkcd-Comic von vergangener Woche spielt im letzten Panel auf die sogenannten Witterungsverben an, welche "trotz ihrer Häufigkeit im Sprachgebrauch in der Sprachwissenschaft wenig diskutiert" werden, "und die Meinungen zu ihrer syntaktischen Valenz und semantischen Beschreibung sind kontrovers".[1] Das Thema ist hochkomplex, schnell ist man in der Relationalen Grammatik und bei irgendwelchen "Unakkusativitätshypothesen". Im Wesentlichen geht es um die Frage, welche Rolle das es in Phrasen wie "es regnet", "es hagelt" usw. spielt.
Regnen & Co. sind unpersönliche Verben, in dem Satz "Es regnet" scheint es kein logisches Subjekt zu geben. Zumindest nicht mehr, denn historisch könnte das Pronomen es ein tatsächliches Agens, etwa eine Gottheit, ersetzt haben ("Jupiter pluit.").[2] Schön finde ich die metaphysische Erklärung: "Nach dieser Theorie steht das es für eine geheimnisvolle Macht, die nicht näher zu bestimmen sei, und gerade darin wird auch der Zweck der Impersonalien gesehen." (Hans-Jürgen Heringer) Aber zurück zum es als rein formales Subjekt. Dazu "wird u.a. Folgendes angeführt: es ist nicht kommutierbar, d.h. kann durch kein anderes sprachliches Element ersetzt werden". Dagegen möchte ich einwenden, dass Wendungen wie "Hat das geregnet?" durchaus, vor allem im norddeutschen Sprachraum, möglich und geläufig sind.
Weitere Bezeichnungen für das es in den semantisch null- und syntaktisch einwertigen Witterungsverben sind "Pseudoaktant" und – vgl. das "dummy pronoun" im obigen Comic – "Dummy-Subjekt".[3] Die Idee, dass es in der Tat, wie angesprochen, an die Stelle von Götternamen getreten ist, "als die alte Religion und die animistische Interpretation der Welt immer weniger wichtig wurden"[4], gefällt mir immer besser, je länger ich darüber nachdenke. Bei Homer heißt es ja auch: "Zeus regnet" und "Zeus donnert". Das Wetter ist halt wirklich "an entity".
1 Schmitz, Katrin: Die Witterungsverben im Französischen und Italienischen. In: Kailuweit, Rolf / Hummel, Martin (Hgg.): Semantische Rollen. Tübingen: Narr 2004.
2 Alles in diesem Absatz nach Nikula, Henrik: Unpersönliche Konstruktionen. In: Ágel, Vilmos et al. (Hgg.): Dependenz und Valenz. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung. Vol. 2. Berlin / New York: de Gruyter 2006.
3 Kolehmainen, Leena: Fennosaxonische Wettervalenzen. Turbulenzen im Valenzverhalten finnischer und deutscher Witterungsverben. In: dies. / Lenk, Hartmut E.H. / Liimatainen, Annikki (Hgg.): Infinite kontrastive Hypothesen. Frankfurt a.M. et al.: Lang 2010.
4 Viti, Carlotta: Variation und Wandel der Syntax der alten indogermanischen Sprachen. Tübingen: Narr 2015.
Im Französischen regnet "er": il pleut, und "er" schneit auch: il neige. Passt also zu der These mit den Götternamen. Ich erinnere mich, das unsere Französischlehrerin so etwas ähnliches auch angedeutet hat, aber kann mich an ihre genaue Erklärung nicht mehr erinnern... :)
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