Samstag, 30. Juni 2018

Ordnungsgemäß verwendete Wörter

Dieser Hinweis wurde zwar nicht mir angezeigt, sondern jemand anderem, der ihn daraufhin screenshottete und öffentlich teilte, aber er ist echt:


Ich selbst bekam dies zu Gesicht:


Die alte "scheinbar"/"anscheinend"-Verwechslung, im Jahr 2018 und bei einem der bedeutendsten Unternehmen auf dem Erdenrund! Was machen eigentlich die unzähligen Angestellten den ganzen Tag? 

Ich möchte nicht kritteln, ich stelle nur Dinge fest. Zum Beispiel stelle ich fest, dass Facebook Seitenbetreibende nicht länger mit "Bewerbe Beitrag xy für 9 €" ermuntert, sondern mit "Bewirb". Gut.

Zuvor in diesem Blog: 

Donnerstag, 28. Juni 2018

Jack in the box

Preisfrage: Was esse ich hier?


Gulasch, oder? Das kann nur Gulasch sein! Hier ein Detailausschnitt:


Ich zumindest wäre mir, hätte man mir das Gericht ohne weitere Angaben vorgesetzt, sehr sicher gewesen, es mit einem ganz normalen – wenn auch extrazarten – Rindsgulasch zu tun zu haben. Doch nein! Es handelt sich um den neuesten Trend in der Veggieküche: 


Die Frucht des in Südwestindien heimischen Jackfruchtbaums (Artocarpus heterophyllus) "hat das Aussehen und die Textur von Fleisch" (Zitat Verpackungsrückseite) und eignet sich daher hervorragend als Basis für Fertigmahlzeiten wie das hier abgebildete, welches ich letzte Woche bei Rewe entdeckte. Es gab die Geschmacksrichtungen Curry, Teriyaki und natur, und ich entschied mich für Teriyaki, denn wann kommt einem schon mal ein fleischloses Teriyaki-Gericht unter? Die Sorte "natur" empfiehlt sich als gute Grundlage für individuelle Verfeinerungen, denn der Eigengeschmack der Jackfrucht wird mit "neutral" beschrieben. Die Konsistenz und die Faserigkeit haben mich wie gesagt ehrlich verblüfft und mir das Mundgefühl von echtem verarbeiteten Tier beschert (nicht dass ich darauf stehen würde), einzig das Fehlen von Knorpeln und Fetteinlagerungen (Dinge, auf die ich gerne verzichten kann) machte mir klar, dass ich eine vegane Alternative verspeiste. Irre!

Der 200-Gramm-Beutel wird im Wasserbad erhitzt, man kann den Inhalt aber auch in der Pfanne anbraten. Eine Portion kostet 3,99 €. Hersteller ist das auf Reis spezialisierte Berliner Lebensmittelunternehmen Lotao.


Samstag, 23. Juni 2018

Wanderer, kommst du nach Hessen ...

Die Rubrik "Ausflug am Wochenende" in der Freitags-FAZ ist Gold wert! Wo es in einer normalen Wegbeschreibung heißen würde "Gehen Sie geradeaus dem Bach entlang bis zu einem roten Gebäude, dann biegen Sie rechts ab und folgen Sie dem Wegweiser nach Falkenstein", steht bei Thomas F. Klein, dem 77jährigen Verantwortlichen der Glosse:
"Fast alle Wanderzeichen weisen ins Urselbachtal. Deshalb muss keines hervorgehoben werden. Ausgangs der Partie durch das zunächst offenere Terrain und dem kurzzeitigen Wechsel auf die – in Gehrichtung – rechte Bachseite vor einem roten Gebäude heißt es ohnedies ab der Rückkehr über den Holzsteg vorerst ohne Markierung weiterlaufen, wenn wir uns gegenüber nach 'Falkenstein' einreihen."

Man liest solche Passagen vier-, fünfmal, und wenn man ungefähr zu ahnen glaubt, was gemeint ist, wird man von (bei dieser Textsorte besonders "sinnvollen") Zeitsprüngen überrascht ("Dieser [schwarze Punkt] wird auch relevant, nachdem es vorerst geradeaus weiterging"), wird von "zwar"-Sätzen, denen kein "aber" folgt, irre gemacht oder findet sich beim gedanklichen Skizzieren von Aussagen wieder wie "Ab dem nahen Felsklotz ist allein der Punkt links über ein Pfädchen maßgeblich, das sich auch nach Kreuzen des von den Abkürzenden benutzten Weges fortsetzt". Das Wort "hinan" spielt auch oft eine Rolle.

Am Ende tut einem der Schädel mehr weh als die Waden. Trotzdem isses immer wieder schön.



Donnerstag, 21. Juni 2018

Corny jokes

Nicht nur gibt es heute alle möglichen Mainstream-Süßigkeiten als Getränk, auch jedes denkbare Schokoprodukt, von Bounty bis Teasers, existiert inzwischen in Brotaufstrichform. Gut! Corny – auf Wikipedia leicht höhnisch "als Müsliriegel beworbenes Produkt" genannt – bringt seit neuestem zwei Aufstriche heraus: Schokocreme mit Getreidecrispies und Milchcreme mit Banane, Schoko & Getreidecrispies. Sie nennen sich "Crunchy" und sind genau das, was man sich darunter vorstellt, nämlich die zu einer streichfähigen Masse verrührten Knusperriegel. Beide Sorten finde ich eigentlich langweilig, vor allem bin ich nicht unbedingt Bananenfan. Dennoch: Alle paar Tage auf einer Brötchenhälfte genossen, bildet "Crunchy" eine willkommene Abwechslung. Die Zutatenliste offenbart nichts allzu Verwerfliches. 7/10


Mittwoch, 13. Juni 2018

Der tägliche Augenverdreher


Es wirkt heute drollig, was dem Journalismus der 1960er als "ungleiches Paar" erschienen ist -- ach nee, halt! Der Artikel ist aus dem Jahr 2018.

Montag, 11. Juni 2018

Faszinierende Insel: Hans

Die Hans-Insel – englisch Hans Island, dänisch Hans Ø, grönländisch Tartupaluk ("nierenförmig") – ist eine unbewohnte Insel bzw. ein aus dem Meer ragender "Hügel" (auf der englischsprachigen Wikipedia ist von "knoll" die Rede) im Kennedy-Kanal. Der Kennedy-Kanal verläuft zwischen der kanadischen Insel Ellesmere* und dem nordgrönländischen Washington-Land, und die Hans-Insel hat nun das "Glück", ziemlich genau in seiner Mitte und in der Zwölfmeilenzone von sowohl Kanada als auch Grönland (und damit Dänemark) zu liegen. Da ist ein permanenter Disput zwischen beiden Nationen natürlich programmiert. Der Mensch streitet halt gern, auch um unfruchtbare Gesteinsbrocken im Eismeer. Der Ständige Internationale Gerichtshof in Den Haag hat 1933 zugunsten Dänemarks entschieden. Das hat Kanada nicht davon abgehalten, seitdem Surveys verschiedener Art durchzuführen. In den 1970ern sollte dann ein für alle Mal Klarheit geschaffen werden, in Form einer definitiven Grenzfestlegung. Die strenge gedachte Linie, die durch den Kennedy-Kanal "fließt", schneidet die Hans-Insel in zwei Teile, darin war man sich einig. Doch eine gültige Vereinbarung verschob man (wahrscheinlich aus Faulheit – neben Streitlust eine andere allzu menschliche Eigenschaft) ... und hat man bis heute nicht getroffen. Man hätte natürlich eine Grenze durch die Insel hindurch ziehen und sie (à la Usedom und Hispaniola) zu einem Eiland mit zwei Staatsgebieten machen können. Auch hätte man sie zu einem Kondominium erklären können: ein Territorium, über das zwei Herrschaftsträger entweder abwechselnd oder gleichzeitig gebieten. Das wurde erst 2015 von Gelehrten vorgeschlagen. Aber nein, stattdessen hat sich seit 1984 eine inoffizielle und, wie ich finde, sehr sympathische "Zwischen"-Lösung etabliert: In unregelmäßigen Abständen besucht eine Abordnung eines der beiden Länder das Inselchen, hisst die jeweilige Flagge und hinterlässt darunter eine einheimische Spirituose. Darüber, wer damit angefangen hat, sind sich die Quellen uneins: Der New York Times zufolge war es Kanada mit einer Flasche Whisky, laut Business Insider (sich auf CBC beziehend) Dänemark mit einer Flasche Brandy. Heute sind wohl Canadian Club und dänischer Schnaps die Hoheitszeichen der Wahl. Ansonsten passiert auf dem 1,25 km² großen Felsen nicht viel.

Toubletap, Wikipedia, CC BY-SA 3.0

* Ob der Name der Insel Elsweyr aus den "Elder Scrolls" darauf anspielt? Von der Lage und der Klimazone her ist diese allerdings das glatte Gegenteil von Ellesmere.

Donnerstag, 7. Juni 2018

Meine Vorstellung von Luxus

Wann immer ich als junger Mensch in den Genuss einer Cocktailkirsche kam, sagte ich mir: "Oh Mann, irgendwann werde ich mir ein Glas kaufen, in dem nichts anderes drin ist als Cocktailkirschen – falls es so etwas gibt –, und es in einer einzigen Sitzung verputzen!" Schon die in Mengen von <2 in Dosenobstsalaten versteckten Kaiserkirschen übten einen ungeheuren Reiz auf mich aus: Etwas, das so selten und unerhört schmackhaft ist, muss irre teuer sein! Nun gut, Kaiserkirschen im Glas fand ich alsbald zum nicht besonders hohen Preis in einem beliebigen einheimischen Supermarkt; damit war der Zauber passé. Auf die knackigen, marmornen Kirschen, die als Garnitur in etlichen alkoholischen Mixgetränken zu finden sind, stieß ich jedoch nie und nirgends.

Letzte Woche musste ich aus heiterem Himmel daran denken, suchte kurz im Netz und wurde (natürlich in jenem mit A beginnenden großen Onlineversandhaus) fündig. 13,95 € für 400 Gramm – so eine "Hausnummer" hatte ich vermutet. Aber jetzt kann ich es mir ja leisten! Also bestellte ich ein Glas. Beim Naschen der (entgegen der Tradition nicht alkoholischen, da nicht in Maraska-Kirschlikör eingelegten) Früchte packte mich noch eine Erinnerung. Wann immer ich als junger Mensch in den Genuss von Amaretti kam (etwa weil sie mir jemand, der einen Espresso bestellt hatte, spendete), sagte ich mir: "Oh Mann, irgendwann werde ich mir eine Tüte kaufen, in der nichts anderes drin ist als Amaretti – falls es so etwas gibt –, und sie in einer einzigen Sitzung verputzen!" Nun fügte es sich, dass ein befreundetes Paar gerade durch Italien reiste und anfragte, ob man mir etwas mitbringen möge. Ich orderte entsprechend.


Nun befinden sich also diese zwei Produkte in meinem Haushalt, und ich komme mir vor, als hätte ich den Gipfel der Dekadenz erreicht. 😍

Dienstag, 5. Juni 2018

Man reiche mir die Wortschestersoße!

Als ich im Jahre 2014 zusammen mit einem Wanderfreund die erste Hälfte des legendären South West Coast Path entlangstiefelte, stolperten wir zwar selten über Stock und Stein, dafür aber umso häufiger über die Aussprache der britischen Ortsnamen. Während Westward Ho! zuvörderst wegen des enthaltenen Ausrufezeichens (!) faszinierte, fragten wir uns in Bideford, ob wir nun in "Beidford", "Biedford" oder "Bideford" gelandet seien. (Es war "Bidiferd".) In Bude und Ilfracombe ähnliche Verwirrung.

Dass die Spitze des Eisbergs mit diesen leicht kuriosen Küstenstädtchen beiweiten nicht erreicht ist, wurde mir erst letzte Woche klar, als ich auf Wikipedias "List of places in England with counterintuitive pronunciations" stieß (A-L, M-Z). Sicher, die Aussprachen von Reading, Thames, Cambridge und – spätestens seit dem überraschenden Meisterschaftssieg des örtlichen Fußballvereins – Leicester dürften den meisten Menschen auf der Welt geläufig sein und lassen einen irgendwie ahnen, dass in Angelland nicht alles so ist, wie es scheint. Aber angesichts der folgenden Schreib-Sprech-Inkonsistenzen schlackern einem dann doch die Ohren:


Sowohl beruhigend als auch ein bisschen schade ist, dass Einheimische in einigen Fällen zur intuitiven Aussprache übergehen bzw. in jüngerer Vergangenheit übergegangen sind:


Ich finde, in Deutschland sollte es auch solche Verrücktheiten geben. Eltville und Troisdorf schön und gut, aber da geht doch noch mehr: "'Villingen-Schwenningen'? Das heißt 'Vilschen'!"

Freitag, 1. Juni 2018

Wie süß ist das denn?! (Teil 5)

Acht Süßstoffe sind derzeit in der EU nicht zugelassen. Ich möchte sie in einer kurzen Übersicht vorstellen. Der Süßkraft-Faktor gibt an, wie süß das jeweilige Süßungsmittel im Vergleich zu normalem Zucker ist (Saccharose hat demnach den Süßkraftwert 1).

5. Lugdunam
Zugelassen: nirgends
Süßkraft: 220.000 - 300.000
Lugdunam wurde erst 1996 an der Universität Lyon (lateinischer Name dieser Stadt: Lugdunum) entwickelt und ist, wie ich als absolute Chemie-Null unkritisch der Wikipedia entnehme, ein Derivat der sog. Guanidincarbonsäuren, einer Süßstoff-Familie mit extrem hohem Süßegrad. Tatsächlich kann sich Lugdunam als bisher potentester Zuckerersatz rühmen. Ob es je für den Menschen zugelassen wird, steht in den Sternen.

6. Monellin
Zugelassen in Japan
Süßkraft: 1500 - 2000/3000 (je nach Quelle)
Wie Brazzein und Thaumatin kommt Monellin als natürlicher Bestandteil in einer afrikanischen Pflanze vor, die wegen ebenjener Süße von einigen Primaten genascht wird. Es handelt sich in diesem Fall um eine Kletterpflanze mit dem englischen Namen serendipity berry. Isoliert wurde Monellin erstmals 1972 im namensgebenden Monell Chemical Senses Center Philadelphia. Leider ist Monellin geschmacklich etwas unbeständig ("slow onset of sweetness and lingering aftertaste", Wikipedia), zudem ist der Süßegrad pH-abhängig, und ab 50° C bei geringem pH-Wert geht die Süße verloren.
Warum dieses Protein in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union nicht erlaubt ist, konnte ich nicht herausfinden.

7. Pentadin
Zugelassen: nirgends
Süßkraft: 500
Pentadin ist dem Letztgenannten insofern ähnlich, als es ebenfalls aus dem Fruchtfleisch einer afrikanischen Kletterpflanze isoliert wird, und zwar aus derselben wie Brazzein, der "Vergessenspflanze" Oubli.
Bzgl. gesundheitlicher Bedenken scheinen auch hier keine aussagekräftigen Studien vorzuliegen.

8. Ultrasüß (5-Nitro-2-propoxyanilin)
Zugelassen "in einigen europäischen Ländern" (Stand 2010)
Süßkraft: je nach Angabe 1000, 3100 - 3300 oder 4000 (daher auch als P-4000 bekannt)
Bedenklichkeit: Die 1940 entdeckte Verbindung 5-Nitro-2-propoxyanilin "war wegen toxischer Nebenwirkungen nur kurze Zeit (nach dem Zweiten Weltkrieg) in Gebrauch." (Macholz/Lewerenz: Lebensmitteltoxikologie) Auch in Amerika ist sie nicht zugelassen.

Fortsetzung (Bonustrack) folgt!