Vor einer Weile habe ich, nachdem ich im vorigen Jahr mit großem Vergnügen das Buch zum xkcd-Spinoff "What if?" gelesen habe, auch mal eine Frage an Randall Munroe geschickt. Leider scheint die Rubrik nicht mehr aktualisiert zu werden, und so blieb meine (clevere, wenn auch naheliegende) hypothetische Frage unbeantwortet. Sie lautete: Wie viele Tüten Wackelpudding-Pulver muss man in den Bodensee schütten, damit ein Mensch auf der Oberfläche laufen kann?
Es handelt sich streng genommen um mehrere Teil-Rätsel, von denen das erste am einfachsten zu lösen ist. Der Bodensee hat ein Volumen von 48 km³, also 48 Billiarden Milliliter. Legt man Instantpulverpackungen für je 500 ml Wackelpudding zu Grunde, kommt man darauf, dass 96 Billionen Stück benötigt werden. Das sind 9,6 Milliarden Tonnen Pulver, also fast eine Million Mal der Eiffelturm; das ist schon einigermaßen unvorstellbar und schwer zu glauben.
Gesetzt den Fall, die Firma Dr. Oetker würde es je schaffen, so viel Wackelpuddingpulver zu produzieren (der Gesamtkaufpreis betrüge, sofern man praktische Achterpacks der Sorte Waldmeister bei Amazon bestellt, 95.040.000.000.000,- Euro, ein gutes Stück weniger als das weltweite Bruttoinlandsprodukt): Wie schaffen wir es, den Bodensee zu erhitzen? Dr.-Oetker-Wackelpudding braucht nicht gekocht zu werden, doch muss man das Pulver in zu erwärmendes Wasser einrühren. (Das Rührproblem lassen wir mal außen vor; eventuell müsste man ein tausendköpfiges, mit Quirlen ausgestattetes Tauchteam in Thermoanzüge stecken und durch den See schwimmen lassen.) Wir sollten die Vorteile des Klimawandels nutzen und das Experiment im Hochsommer durchführen. In Ufernähe wurden im Bodensee in den letzten Jahren Temperaturen von bis zu 28° C gemessen! Gehen wir von einer Durchschnittstemperatur von 22 Grad aus, die wir auf sagenwamal 90 Grad erhöhen wollen, beträgt unsere gewünschte Wärmeenergie 13.643.520.000.000.000.000 Joule oder kurz 13.643.520 Terajoule. Das ist gerade mal ein Tausendstel des jährlichen Gesamtenergiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch sind, um diese Energie zu erzeugen, 65 Exemplare der stärksten jemals gezündeten Wasserstoffbombe, der sowjetischen "Zar-Bombe", nötig. Und ich glaube gerade, an irgendeiner Stelle habe ich mich verrechnet. (Auf Dominica gibt es übrigens eine überflutete Fumerole, die als "boiling lake" eine Touristenattraktion darstellt. Darin könnte man den Versuch im kleinen Maßstab proben.)
Als nächstes gilt es, den Bodensee tüchtig abzukühlen. Das fertig gerührte heiße Dessert muss nämlich noch zwei Stunden im Kühlschrank stehen, um seine typische Festigkeit zu erlangen. Ich habe allerdings keine Energie (!) mehr für weitere Rechenspiele. Nehmt's halt Antimaterie oder was.
Der wichtigste Punkt kommt ohnehin zuletzt ins Spiel: Reicht die Oberflächenspannung von Wackelpudding, wie wir ihn kennen, überhaupt aus, um einen ausgewachsenen, normalschweren stehenden Menschen zu tragen? Ich habe mehrere englischsprachige Diskussionsthreads gefunden, in denen es um das amerikanische Pendant Jell-o geht; ähnliche Beschaffenheit wie bei unserem Wackelpeter vorausgesetzt, scheint mir die Haupt-Kniffligkeit darin zu bestehen, dass gelatinöse Speisen inhomogen und viskoelastisch sind. Kurioserweise wird häufiger die Frage behandelt, ob man in Jell-o schwimmen könne. Eine befriedigende, aber unbelegte Antwort auf Google Questions lautet: "[I]f the Jello is so concentrated that it behaves as a solid, the best you can do is to dig your way
across. You'd NOT fall to the bottom!" Der Konsens ist offenbar: Es kommt auf die Dichte des Puddings an. Zur Sicherheit sollte man also ein paar Tütchen mehr in den See schütten.
Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich voraussage, dass die Menschheit sich niemals zu diesem potenziell sehr spaßigen Experiment durchringen wird. Bleibt also die graue Theorie, doch wer mag sie beherrschen außer Randall Munroe, der anscheinend Wichtigeres zu tun hat? Vielleicht sollten manche irdischen Rätsel ja auch nie gelöst werden – nicht umsonst spricht man von Götterspeise ...
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