Freitag, 27. März 2020

Videospieltipp: The Vanishing of Ethan Carter

Von allen (spielerisch) minimalistischen First-Person-Adventures, die ich in den letzten Jahren gespielt habe, ist dieser Vertreter des polnischen Studios The Astronauts von 2014 das mit Abstand prächtigste. Selbst auf meinem betagten Sony Vaio war die Optik beeindruckend; wer einen modernen Rechner hat, sollte die Graphikeinstellungen aufs Maximum setzen, um aus der verwendeten Unreal-Engine einen geradezu fotorealistischen Detailgrad herauszukitzeln. (Selbstverständlich gibt es "The Vanishing of Ethan Carter" auch für alle gängigen Konsolen.) Der Ort des Geschehens ist nicht auf ein einzelnes Haus oder ein Anwesen wie bei "Edith Finch" oder "Gone Home" beschränkt, man bewegt sich durch eine weitläufige Landschaft mit Brücken, Fließgewässern, Bergen und Wald. Gebäude betritt man natürlich auch. Das Szenario büßt leider insofern an Glaubwürdigkeit ein, als man sich fragt, warum man in diesem riesigen Areal, das ja durchaus Spuren von Zivilisation aufweist (etwa eine Kirche und eine Stauanlage), keiner Menschenseele begegnet. Dass wir die einzige Person sind, nämlich ein Privatermittler, steigert zwar die Spannung und sorgt gerade in der Open World für sehr spezielle Beklemmung, wirft aber immer wieder Fragen auf, z.B. warum meilenweit von Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindungen überhaupt ein Einfamilienhaus gebaut und bewohnt wurde.
Die relativ offene Spielwelt hat denn auch zur Folge, dass die abwertende Bezeichnung "Walking Simulator" auf "Ethan Carter" teilweise zutrifft: Weil ich an einigen Stellen nicht weiterwusste, war mehrfach minutenlanges Backtracking angesagt, vor allem gegen Ende meines circa fünfstündigen Durchgangs. Einmal – oder zweimal, falls es einem erst später dämmert, dass es dort gleich zwei Rätsel zu lösen gilt – führt uns das Abenteuer in eine stillgelegte Mine, in welcher man eine gefühlte Ewigkeit umherstreift. Ebendort gibt es auch eine total unpassende Sequenz mit Jump-Scares und der Möglichkeit, zu "sterben" bzw. zurückgeworfen zu werden. 
Im Großen und Ganzen wird die Geschichte um das Verschwinden des titelgebenden Jungen aber stimmig erzählt: in Rückblenden, mit komplexen, aber selten nervigen Puzzles und vielen Möglichkeiten zur Erkundung.


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