The Hunt
Den Wirbel, den es im Vorfeld um diesen makabren Splatterspaß gab, hat sicher jeder mitbekommen. Dazu nur so viel: Wer in solch einer haarsträubenden Prämisse – reiche leftists entführen right-wing "deplorables", um sie mit allen möglichen Waffen zu jagen – einen Angriff auf den Diskurs oder die Spaltung des amerikanischen Volkes befeuert sieht, hat sie doch nicht alle. Tatsächlich bekommen auch überkorrekte liberals mehrmals und auf äußert witzige Weise ihr Fett weg. "Both-siding" braucht man indes nicht zu befürchten, und überhaupt kann ich nicht verstehen, wie manche Linke den Autoren Nick Cuse und Damon Lindelof (gerade nach "Watchmen"!) irgendwelche Zugeständnisse an Trumpisten unterstellen können. Allenfalls könnte man ihnen im Gegenteil Bequemheit vorwerfen, wenn sie in einem recht späten Dreh enthüllen (Spoiler), dass das Final girl der Meute gar nichts mit dem MAGA-Pöbel zu tun hat. Aber würde man denn wirklich für eine rechtsradikale Heldinnenfigur rooten wollen?
Solche politischen Fragestellungen beiseite genommen, ist "The Hunt" ein irrwitziges Vergnügen, bei dem ich besonders mochte, dass Charaktere, die von prominenten Schauspieler(inne)n gespielt werden, bereits nach ultrakurzen Auftritten ausgesiebt werden (laut Wikipedia eine "Anlehnung an den Twist in Alfred Hitchcocks Psycho – von Lindelof der Janet Leigh-Trick genannt –, in dem überraschend früh im Handlungsverlauf die bisherige Hauptfigur, die von dem größten Star in der Besetzung gespielt wurde, umgebracht wurde und daher im Rest des Films nicht mehr vorkam. Dieser Twist wurde bereits in Scream satirisch aufgenommen. Daher sagt Lindelof, der nächste Schritt sei, ihn einfach zu wiederholen"). Lol.
Summer of 84
Ein Coming-of-Age-Krimi, der auf der 80s-Retro-Welle von Erfolgen wie "Stranger Things" und "Es" mitsurfen will, an dessen Inhalt ich mich aber schon jetzt kaum mehr erinnern kann. Ich weiß noch, dass drei dauerfluchende Jungs einen schrecklichen Verdacht gegen einen Polizisten aus der Nachbarschaft hegen und dass das Ende extrem pessimistisch und niederschmetternd war. Dazu: BMX-Räder, Arcade-Automaten und Autos. Die Schauspieler in dieser kanadisch-US-amerikanische Co-Produktion waren mir unbekannt.
Die Jury (OT: A Time to Kill)
Anlässlich des Todes von Joel Schumacher habe ich eine beliebige John-Grisham-Verfilmung nachgeholt, und die entpuppte sich, wie zu erwarten war, als sehr prototypisch für das Neunzigerjahre-Thrillerkino, im Guten wie im Schlechten. In manchen Aspekten fühlt man sich unangenehm an "Mississippi Burning" erinnert, vor allem die Verharmlosung von Selbstjustiz stößt sauer auf; man lese dazu den Abschnitt "Kritik" auf der Wikipediaseite. Die Besetzung ist durchweg erste Sahne: Sandra Bullock, Matthew McConaughey, Vater und Sohn Sutherland und (speaking of "sauer aufstoßen") Kevin Spacey. Ich habe noch nichts von John Grisham gelesen und kannte auch bis dato noch keinen Film, der auf einem Grisham-Roman basiert, aber ich frage mich, ob man den Stoff nicht auch in zwanzig Minuten weniger nacherzählen hätte können.
Ali G in da House
Bei meiner Reise durch Sacha Baron Cohens Filmographie bin ich nun bei seinem Erstling angelangt ("Brüno" fehlt mir noch). Das abendfüllende Ali-G-Feature markierte im Jahr 2002 bereits die dritte und letzte der bei Wikipedia aufgestellten Phasen der Entwicklung dieser Kunstfigur:
"1. Als Ali G noch weitgehend unbekannt war, tritt die Figur als Hoax-Interviewer für britisches Jugendfernsehen auf. Der Humor ergibt sich aus dem Aufeinanderprallen eines 'Straßen-Habitus' mit dem Establishment.
2. Ab der zweiten Serie Ali G ist die Figur zu bekannt, so dass die Interviewpartner wissen, dass er fiktiv ist. Die Komik ergibt sich dennoch aus den Fragen von Ali G, wie beispielsweise im Interview mit David und Victoria Beckham.
3. Schließlich ist Ali G in dem Film Ali G in da House eine fiktive Figur in einer fiktiven Umgebung. In dem Film gelangt Ali G in die britische Politik. Er wird von einem intriganten Finanzminister als Kandidat aufgestellt, um der eigenen Partei zu schaden. Überraschenderweise wird der Politiker Ali G sehr beliebt."
Das ist schade, denn während man sich über "Borat" mit seiner Mischung aus Mocku- und Documentary noch heute beömmeln kann, ist "Ali G in da House" schlecht gealtert. Manche Gags sieht man meilenweit nahen, viele wirken trotz ironischer Brechung / uneigentlicher Distanz / whatever heutzutage problematisch. Erstaunlich ist einmal mehr, dass sich gestandene britische Akteure und Aktricen für diesen pubertären Klamauk hergegeben haben, allen voran Charles Dance in routiniert durchgehaltener straightness.
Kuriosa am Rande:
1. Alis nicht eben glorreich wegkommende Heimatstadt ist Staines. Dazu Wikipedia: "Am 20. Mai 2012 wurde die Stadt offiziell in Staines-upon-Thames umbenannt, um die Lage an der Themse hervorzuheben, andererseits die Verbindung mit der Figur Ali G des Komikers Sacha Baron Cohen zu schwächen."
2. In der deutschen Synchronfassung wird die Hauptfigur von Mola Adebisi gesprochen.
The Forest
Apropos "Game of Thrones"-Veteran (Charles Dance): In "The Forest" sucht Natalie Dormer im berüchtigten japanischen "Selbstmordwald" Aokigahara nach ihrer Schwester. Zwar angenehm zurückhaltender Outdoor-Grusel, der aber nicht über Mittelmaß hinauskommt.
A Deadly Adoption
Hier der obligatorische Will-Ferrell-Streifen, und der ist diesmal wirklich nur etwas für Hardcore-Fans wie mich. Es handelt sich um einen komplett unironischen Lifetime movie, also einen jener an eine spezielle Zielgruppe aus mittelalten und reiferen Frauen ausgerichteten (Nachmittags-)TV-Filme, die mit beschränktem Budget ein angeblich auf wahren Begebenheiten beruhendes Schicksal schildern. In diesem Fall geht es um eine schwangere femme fatale, die sich im Haus und in das Leben einer Bilderbuch-Mittelschichtsfamilie einnistet. Dass die zwei lustigsten Schauspieler des Planeten (Ferrells Frau wird von Kristen Wiig verkörpert) die Story tatsächlich ernsthaft durchexerzieren, ist (fast) der einzige Witz dieses cineastischen Experiments. Wie würde eine Lifetime-Stammzuschauerin, die von den komödiantischen Hintergründen der Beteiligten nichts weiß, auf "A Deadly Adoption" reagieren? Sicher, als reines Drama funktioniert das durchaus, der Plot ist durchdacht und nicht unspannend, aber mir ist die Fallhöhe dabei zu gering. Oder zu hoch?
Parasite
Satire zum Vierten: Den südkoreanischen Oscar-Gewinner 2019, der allüberall als Gesellschaftssatire vermarktet und gelobt worden ist, musste man natürlich auch mal sehen, und was soll ich sagen? Puh, das ist ja was! Wie viel und wo Satire darin steckt, vermag ich nicht zu sagen, aber ein ätzender, bisweilen komischer, am Ende verstörend blutiger Kommentar zu Familienbanden, kapitalistischen Mechanismen und dem westlichen Klassensystem ist "Parasite" allemal. Jawohl, westlich, denn zum einen ist Korea im Kern ein "westliches" Land, zum anderen macht Bong Joon Hos Werk reichlich Zugeständnisse an nicht-asiatische Sehgewohnheiten. Als ich erfuhr, dass ein amerikanisches Remake geplant ist, habe ich angemessen die Augen verdreht. Jetzt, da ich weiß, dass Bong persönlich dafür verantwortlich zeichnen wird (und zwar in Zusammenarbeit mit Adam McKay!) und es sich um eine HBO-Serie handeln wird, bin ich voll des Hypes.
Game Night
Ein Vertreter des oft unerfreulichen Genres der Chaos-Komödie, der mich aber die meiste Zeit über glänzend unterhalten hat. Er hat ein bisschen was von Finchers "The Game" (1997, mit Michael Douglas), weiß mit turbulenten Wendungen zu überraschen und mit einem Cast aufzuwarten, dem man gern zusieht (Jason Bateman, Rachel McAdams, Jesse Plemons).
Charade
Unvermeidbarer Bestandteil amerikanischer Spieleabende ist Charade, weswegen es nahelag, den so betitelten Suspense-Klassiker von 1963 nachzuschieben – immerhin "der beste Hitchcock, den Hitchcock nie gedreht hat". Ja, es macht viel Freude, den Hollywood-Granden Audrey Hepburn (als durchaus starke Frauenfigur, an der lediglich die romantische Naivität antiquiert wirkt) und Cary Grant an Pariser Originalschauplätzen zuzusehen. Und Walter Matthau! Die Mörderhatz ist sogar mit ein paar Lachern gespickt, allein der finale Twist weist meines Erachtens eine gewisse Ungereimtheit auf bzw. wirft Fragen auf.
Travis: The True Story of Travis Walton
Zum Schluss eine Dokumentation, nämlich über den Fall Travis Walton. Tja, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Spannendes Thema jedenfalls.
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