Dienstag, 17. November 2020

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

The Tall Man
Man sollte sich nicht vom Titel oder vom Plakat zu der Annahme verleiten lassen, bei dem "Großen Mann" handele es sich um einen Slenderman-Abklatsch. Er dient lediglich als loser Aufhänger, um ein leicht angegruseltes Provinz-Drama mit einem ganz cleveren Twist zu erzählen – das mich unterm Strich trotz allem kalt gelassen hat. Womöglich lag es an den farblosen Figuren oder der unangenehmen "Schwere", die auf allem liegt. Buch und Regie stammen übrigens von Pascal Laugier, dem Franzosen, der 2008 mit "Martyrs" einen der drastischsten Schocker inszeniert hat, die ich je gesehen habe.

1917
Dass Sam Mendes' Erster-Weltkriegs-Episode mitreißend sein würde, hatte ich geahnt, schließlich war vorher bekannt, dass es die lebensgefährliche Mission zweier junger britischer Soldaten im (scheinbaren) One-Cut zeigen würde. Nun, es stimmt nicht ganz: Ein harter Schnitt teilt es in zwei Akte, was dem Pacing guttut und Abwechslung in der Lichtstimmung zulässt. Nach den knapp zwei Stunden ist man außer Atem und gleichzeitig gerührt.
Eine Besetzungs-Entscheidung dürfte "Game of Thrones"-Fans wagemutig, wo nicht gar frevelhaft erscheinen (leichter Spoiler): Eine der beiden Hauptfiguren, neben George MacKay, ist Dean-Charles Chapman, der in GoT Tommen Baratheon verkörpert hat, und dessen Bruder wird gespielt von Richard "Robb Stark" Madden!

Ich. Darf. Nicht. Schlafen. (OT: Before I Go To Sleep)
Kurioser Zufall: Sowohl Dean-Charles Chapman als auch Mark Strong, der bei "1917" eine kleine Nebenrolle innehat, sind in diesem Psycho-Verwirrspiel an der Seite von Nicole Kidman zu sehen. Eine an Gedächtnisverlust leidende Ehefrau muss Geheimnisse und Lügen ihrer Vergangenheit aufklären, was ein wenig an "Memento" erinnert und den deutschen Titel leicht irreführend erscheinen lässt. Solide Zwischendurch-Spannung bekommt man allemal geboten.

Mortal Engines - Krieg der Städte
Von dieser Verfilmung des gleichnamigen Young-Adult-Steampunk-Fantasy-Romans hatte ich mir nichts erhofft außer extrem leicht konsumierbarer Trash-Unterhaltung, die wenigstens nett anzuschauen ist. Letzteres immerhin wurde eingelöst: Die Darstellung der Städte auf Rädern (jawoll, das ist die Prämisse, liebe Lesende aus der Zukunft!) ist visuell gelungen. Die Geschichte hat jedoch kaum Substanz, was der dünnen Vorlage (293 Seiten) geschuldet sein mag; wobei das Autorentrio Peter Jackson / Fran Walsh / Philippa Boyens es ja auch geschafft hat, den "Kleinen Hobbit" auf neun wenn nicht epische, so doch vergnügliche Stunden auszuwalzen. Dass der Hauptdarstellerin Hera Hilmar der womöglich erhoffte Kristen-Stewart-gleiche Durchbruch mit dieser Gurke verwehrt war und bis auf weiteres wohl auch bleiben wird, tut mir ein bisschen leid.

Lost Bayou
Dieses Südstaaten-Drama mit Mystery-Touch dürfte die meisten eher ermüden, aber da mich das Leben in den Sümpfen Louisianas schon immer fasziniert hat, hatte diese ungeschönte, in ihrer Tristesse sehr lebendige Darstellung der Bayous eine regelrechte Sogwirkung auf mich. Wie von einem Sog wird man auch heruntergezogen, aber am Ende tastet sich ein Silberstreif über das Hausboot, das den Dreh- und Angelpunkt der Familiengeschichte bildet.

Irresistible
Eine Politsatire IN DIESEN ZEITEN, von einem Meister seines Faches – da kann doch gar nix schiefgehen, möchte man meinen. Leider sind die Kritikpunkte der zahllosen Negativ-Reviews nicht von der Hand zu weisen: Jon Stewarts Komödie ist zahnlos, unausgegoren, missing the point und fühlt sich an wie während der mittleren Bush-Jr.-Ära entstanden. In meiner Erinnerung war sogar der 2004er-Flop "Willkommen in Mooseport" mit Ray Romano bissiger. Auch die Auflösung am Ende vermag nichts zu retten. Wenigstens Steve Carell ist (wie immer) als Pluspunkt verbuchen.

Gemini Man
Ich hätte Will Smith ein starkes Comeback gegönnt, am liebsten in einer tragischen Rolle wie in "Sieben Leben" oder "Das Streben nach Glück". In "Gemini Man" hat er sich dann aber einmal mehr im Actionfach versucht, und an seiner Performance gibt es nichts zu mäkeln. Überhaupt geht es zünftig und scheppernd zur Sache; mich persönlich ermüden lange Kampfsequenzen und Verfolgungsjagden ja beizeiten, aber nach wessen Geschmack derlei ist, der kommt auf seine Kosten. Ich habe Ang Lees Spektakel v.a. deswegen eine Chance gegeben, weil mich der technische Aspekt der Prämisse neugierig gemacht hat: Auf den Helden (Smith) wird ein 25 Jahre jüngerer Klon gehetzt, der ebenfalls von (einem digital verjüngten) Will Smith gespielt wird. Ja, schon stellenweise beeindruckend, doch etwas mehr Handlung hätte ich mir gewünscht.

Happy Happy Joy Joy: The Ren & Stimpy Story
Eine äußerst aufschlussreiche Dokumentation über den anarchischen und wegweisenden Nickelodeon-Cartoon "The Ren & Stimpy Show", von dem ich damals überhaupt nicht fassen konnte, dass so etwas im Kinderfernsehen möglich ist. Das Haupt-Augenmerk liegt auf dem mindestens exzentrisch zu nennenden (das Adjektiv broken ist nicht unpassend) Ren-&-Stimpy-Schöpfer Jon Kricfalusi. Es gibt schonungslose Interviews mit Weggefährten, aber auch mit ihm selbst, so dass nie der Eindruck mangelnder Fairness oder Einseitigkeit entsteht.

Amerikanisches Idyll (OT: American Pastoral)
Ewan McGregor gibt sein Regiedebut und spielt selbst darin mit. Er mimt einen ehemaligen High-School-Sportler mit dem Spitznamen "Der Schwede", der in den 1960er Jahren mit einer sich entfremdenden, erst in die Anti-Kriegsbewegung, dann in den gewalttätigen Anarchismus (und schließlich in den Jainismus; hä?) abrutschenden Tochter (Dakota Fanning) zu hadern hat. Irgendwie wirkt diese Familiensaga unentschieden und überfrachtet, verliert sich in zu vielen (gesellschaftlichen) Problemen und scheint nicht recht zu wissen, wohin. Mir schien es, als hätte das alles viel "epochaler" ausfallen können. Womöglich ist aber auch schon die Vorlage von Philip Roth nicht ganz "rund".

Once Upon a Time In... Hollywood
Die Frage nach Quentin Tarantinos schlechtestem Werk werde ich fürderhin leicht beantworten können! Verbeugungen vor dem Old Hollywood habe ich schon deutlich gelungenere gesehen. Die Dialoge, die Tarantino doch in der Regel famos beherrscht, flogen mir in ein Ohr hinein und aus dem anderen heraus, ohne etwas auszulösen – na ja, nicht ganz: Vereinzelt fragte ich mich, ob man im Jahr 1969 dieses oder jenes wirklich so formuliert hätte. Auch irritierte mich, dass an einer Stelle jemand vorschlägt, Pizza nach Hause zu bestellen; ich konnte keine Hinweise darauf finden, dass das vor den Achtzigern schon möglich gewesen ist, aber man möge mich korrigieren. Überhaupt betreibt dieses schön ausgeleuchtete und wie immer erstrangig besetzte Märchen ja alternative Geschichtsschreibung. [Spoiler] In der Tat gefiel mir am besten, dass das Manson-Massaker im Hause Tate eben nicht korrekt (und gratuitously gewaltverherrlichend) nachgestellt wurde, was unsensibel und tonal unpassend gewesen wäre (looking at you, "American Horror Story"!), sondern einen herrlich befriedigenden und tarantinoesk überzeichneten Verlauf mit umgekehrten Vorzeichen nimmt. Aber bis dahin habe ich mich über die Maßen gelangweilt.

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