Montag, 11. Januar 2021

Wechsel und Reisende

Fast 40 Jahre alt musste ich werden, um zwei Wörter kennenzulernen, die eigentlich zum deutschen Grundwortschatz gehören. Falsch, das stimmt so nicht. Besser formuliert: Zwei konkrete bzw. Spezialbedeutungen von Lexemen mit sehr allgemeiner Hauptbedeutung wurden mir erst kürzlich geläufig, zumindest einigermaßen.

Das erste Wort ist Wechsel im Finanzzusammenhang. Aus dem Kreuzworträtsel kannte ich zwar seit langem "Wechselbezogener: Trassat", aber Gedanken darüber, was ein "Wechsel" in diesem Falle sei, habe ich mir nie gemacht. Als ich das Wort vor einiger Zeit in einem alten Film, ich glaube "Frau ohne Gewissen", hörte, konsultierte ich dann doch mal Wikipedia. Den umfangreichen Artikel habe ich weder komplett gelesen noch verstanden, und ich bin erleichtert, dass das Wissen um Wechsel keine Allgemeinbildung (mehr) darstellt: "Der Wechsel hat im täglichen Geschäft [...] an Bedeutung verloren und kommt mittlerweile nur noch in sehr geringer Stückzahl bei Nichtbanken vor. Bei Kreditinstituten spielt der Wechsel seit Januar 1999 keine Rolle mehr und ist in der Ausbildung von Bankkaufleuten kein Lehrgegenstand." Entfernt verwandt – das nehme ich zumindest nach ungeduldigem Querlesen mit – scheint das Wechselprinzip mit der Benutzung von Schecks oder auch mit Ordern zu sein.
Wenn man bei eBay unter "Sammeln & Seltenes" nach "Wechsel" sucht, findet man in der Subkategorie "Büro, Papier & Schreiben > Papier & Dokumente" nicht wenige Angebote mit historischen Wechselpapieren, zum Beispiel "Prima-Wechsel", "Einheits-Wechsel", teils auch mit "Wechselmarken" oder "Steuermarken".

In Dorothy Sayers' Kriminalgeschichten um den Weinvertreter und Hobby-Detektiv Montague Egg hat jener stets ein gewisses "Handbuch des Reisenden" bei sich, aus dem er bei jeder passenden Gelegenheit zitiert. Als ich eine Story las, in der ein Kollege Montagues aus der Vertreterzunft wiederholt als Reisender bezeichnet wurde, begann es in meinem Kopf zu rattern: Ist das etwa ein Beruf? Klar!, das "Handbuch des Reisenden" ist kein Universalführer für Touristen, sondern ein Begleiter für Handlungsreisende, weswegen der fiktive Schmöker im Original auch "The Salesman's Handbook" heißt. Reisender ist dabei keine saloppe Kurzform, sondern eine offizielle Postenbezeichnung. Wikipedia: "Ein Reisender ist innerhalb des Vertriebs eines Unternehmens und in der Betriebswirtschaftslehre die Bezeichnung für einen sozialversicherungspflichtig angestellten Handlungsgehilfen im Außendienst. Andererseits kann es sich auch um einen Kleingewerbetreibenden handeln." Das Wort kam Anfang des 19. Jahrhunderts auf und setzte sich Anfang des 20. durch ("Die umgangssprachliche Bezeichnung 'Vertreter' war zunehmend negativ konnotiert"; ibid.).
Wusstet ihr das? Muss ich mich schämen für meine Unkenntnis oder bin ich entschuldigt, weil ich niemandem in diesem Gewerbe kenne?

2 Kommentare:

  1. Zum Wechsel kann ich nur soviel sagen, dass mir dieser im vergangenen Jahr bei der Durchsicht meiner alten Schulunterlagen (Realschule, 1997) untergekommen ist. Ja, wir mussten den Wechsel tatsächlich im Wirtschaftsuntericht durchnehmen. Da sage nochmal einer, man wird in der Schule nicht auf's Leben vorbereitet. Dass der Wechsel alsbald unnötig wurde, das konnte ja keiner ahnen.

    Den Wikipediaartikel hatte ich mir auch schon reingezogen und genauso wenig verstanden wie du. Es ist also nicht viel vom Unterricht hängen geblieben. ;-)

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  2. Wusste beides, bin aber auch sehr alt.

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