Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich den Medienterm op-ed kennenlernte. Nun hat die New York Times verkündet, ihre Gastkolumnen bald nicht mehr so zu nennen, sondern "Guest Essays". Der Grund für die Umbenennung liege in der im digitalen Zeitalter nicht mehr nachvollziehbaren Bedeutung von "opposite" – die mir (und vermutlich vielen anderen) aber gar nicht bewusst war! Ich dachte, ein opposite editorial heiße so, weil es eine zum redaktionsinternen Leitartikel gegenteilige Meinung vertritt. Tatsächlich ist das "opposite" aber rein auf die Platzierung bezogen: Das Op-Ed (die Times benutzt die Großschreibung) stand traditionell dem Editorial ("geographically") gegenüber: "It was so named because it appeared opposite the editorial page and not (as many still believe) because it would offer views contrary to the paper’s." Da es in Onlinemedien so eine räumliche Opposition nicht gibt, ist auch der semantische Verweis darauf obsolet.
Bemerkenswert ist der Einschub "as many still believe". Wenn viele so wie ich gedacht haben, könnte man die Bezeichnung doch beibehalten und die Bedeutungsverschiebung vollends sich vollziehen lassen. Das Wort wäre dann eine Analogie oder eine Metapher, wie sie in der Medienwelt häufig vorkommt und die aufzulösen der Leserschaft (zumal jener der New York Times) durchaus zuzumuten ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen