Alle Mörder sind schon da (OT: Clue)
Ich begreife nicht, warum als deutscher Titel nicht "Cluedo" gewählt wurde, denn aus "Alle Mörder sind schon da" kann man wohl kaum schließen, dass es sich um die Verfilmung des beliebten Murder-Mystery-Brettspiels handelt. Dass man aus dem Szenario des Spiels einen Film gemacht hat, ist so gewitzt wie naheliegend. Naheliegender zumindest als etwa "Battleship" (2012), wo aus einer praktisch nicht vorhandenen Story etwas aufgebauscht wurde, was ... nun gut: vermutlich auch nicht gerade ein Höhepunkt der Erzählkunst geworden ist. Wie dem auch sei: Eine Dinnerparty, ein Landhaus bei Nacht, viele skurrile Verdächtige und Mordwaffen – das taugt als Basis für einen klassischen Whodunit-Film. Wobei Regisseur Jonathan Lynn und Co-Autor John Landis* dankbarerweise gar nicht erst versucht haben, ein unironisches Poirot-&-Co.-Schnittmuster zu zeichnen, sondern aus dem Stoff eine rasante Komödie entwickelt haben. In den Plot wurde dabei gar nicht mal wenig Mühe gesteckt, man wird "Cluedo"-mäßig zum Mitraten eingeladen, und für das Ende hat man sich ein nettes Gimmick ausgedacht. In Sachen Humor ist dieser Film von 1985 hier und da angegraut (auch eine wiederkehrende Frage in dieser meiner Reihe: Wie gut halten Komödien dem Zahn der Zeit stand?), es gibt frivole Gags mit hohem Uff!-Faktor, und nicht selten kippt der Slapstick ins Kindische (Stichwort Scooby-Doo-artiges Von-einem-Zimmer-ins-nächste-rennen**). Doch ich müsste lügen, würde ich behaupten, ich hätte mich gelangweilt. Insbesondere an dem herrlichen Cast hatte ich meine helle Freude.
* übrigens Regisseur des von mir beim letzten Mal besprochenen "Der Prinz aus Zamunda"; er wird uns auch in Zukunft noch begegnen
** Wortbildung am Limit!
Moon
Duncan Jones' Time-bzw.-Mind-travelling-SciFi-Thriller "Source Code" von 2011 hatte mir sehr gut gefallen, aber als sich Jones (Sohn von David Bowie, falls das jemand noch nicht wusste) der Verfilmung von "World of Warcraft" widmete, hatte ich jegliches Interesse an diesem Regisseur verloren. (2018 gab es von ihm einen weiteren, mittelmäßig bewerteten Science-Fiction-Thriller namens "Mute", von dem ich soeben zum ersten Mal gelesen habe.) Sein 2009er-Debut "Moon" wurde mir aber schon öfter empfohlen, also schaute ich ihn mir neulich unvoreingenommen bis vorfreudig auf Amazon Prime an.
Das klaustrophobische Weltraumkammerspiel mit dem späteren Oscar-Gewinner Sam Rockwell hat eine überzeugende Grundidee, hätte m.M.n. aber "klarer" erzählt werden sollen. Mir erschien die Inszenierung zum Teil zu wenig stringent, zu episodenhaft, zu verrätselt. Womöglich war aber auch einfach nur meine Aufnahmefähigkeit an jenem Abend etwas vermindert.
Unhinged - Außer Kontrolle
Von diesem recht neuen Thriller hatte ich im Vorfeld gelesen, er erinnere an "Falling Down" (1993). Das kann ich nicht unterschreiben. Zwar geht es auch hier um einen Mann im Auto, der eines Tages austickt und eine Spur der Verwüstung hinter sich her zieht, aber im Gegensatz zu Michael Douglas' Charakter ist der von Russell Crowe verkörperte Wutbürger von Anfang an als verachtenswerter Psychopath angelegt. Wo bei "Falling Down" das Umkippen der Dominosteine, die zum irgendwie nachvollziehbaren Überschnappen Douglas' führen, gezeigt wird, erfahren wir bei "Unhinged" abgesehen von ein paar verbalen Andeutungen aus Crowes Mund nichts darüber, warum jener Tropfen (leichtes Fehlverhalten im Straßenverkehr) sein Fass zum Überlaufen bringt. Dieses (scheinbare?) Fehlen einer instrinsischen Motivation führt dazu, dass Crowes Figur keinerlei Projektionsfläche für Empathie bietet. Andererseits – und das ist der zweite große Unterschied zu "Falling Down" – liegt auf Crowe gar nicht der Fokus! Die Heldin ist jene Frau, die das Pech hat, den aggressiven Straßencowboy an einer Ampel zu schneiden. Weil sie an diesem Tag ebenso gestresst und gereizt ist, weigert sie sich, um Entschuldigung zu bitten, und zieht unverhältnismäßigen road rage und ein regelrechtes Martyrium auf sich. Das alles ist reichlich brutal, zugegebenermaßen ziemlich kurzweilig, letzten Endes aber vergessenswert.
Ein vergleichbarer Film ist übrigens "Spurwechsel" (2002) mit Samuel L. Jackson und Ben Affleck. Der war, glaube ich, gelungener.
Hacksaw Ridge - Die Entscheidung
Ich weiß nicht, auf wen ich mehr herabblicke: Menschen, die freiwillig in den Krieg ziehen, oder solche, die sich ihr Leben von religiösen Vorschriften einschränken lassen. Die Hauptperson in diesem Film von 2016 erfüllt beide Kriterien, darf sich mithin als Doppelidiot meiner Sympathie nicht sicher sein. Das Schockierende: Der von Andrew Garfield verkörperte junge Held hat wirklich existiert. Desmond Doss war ein Siebenter-Tags-Adventist, der zwar den Dienst an der Waffe verweigerte, sich aber freiwillig für die Teilnahme am Pazifikkrieg meldete. Als pazifistisch eingestellter Sanitäter wollte er seinen kämpfenden Landsleuten helfen, und darin war er, zunächst angefeindet und beargwöhnt, so erfolgreich, dass er mit der Bronze Star Medal und sogar der Medal of Honor ausgezeichnet wurde.
Warum ich mir diesen biographischen Kriegsfilm überhaupt angeschaut habe? Weil mich sowohl die Zuschauer- (imdb 8,1) als auch die Kritikerurteile (u.a. sechs Oscar-Nominierungen, davon zwei Gewinne) überzeugt haben. Ja, ich gebe zu: Der einst in Ungnade gefallene Mel Gibson hat es geschafft, dass ich mit dem Soldaten Dobbs mitgefühlt und ihm seinen bedingungslosen Willen zur Erfüllung des christlichen Gebots der Nächstenliebe voll und ganz abgenommen habe. "Hacksaw Ridge" (so der amerikanische Spitzname der Klippe von Maeda, die in der Schlacht von Okinawa eine entscheidende Rolle spielte) ist natürlich nicht nur eine melodramatische Charakterstudie, sondern in erster Linie ein (Anti-?)Kriegsspektakel, bei dem es bei aller Emotionalität ordentlich rummst und das wie für eine Gibson-Inszenierung typisch mit Gewaltdarstellungen nicht geizt. Man fragt sich wirklich, ob es in der Visualisierung von Schussverletzungen und Granatenversehrungen noch eine Grenze gibt. Wer Gemetzel wie in "Der Soldat James Ryan" problemlos verdauen kann und 140 Minuten Zeit mitbringt, wird hier durchaus belohnt.
Marx Brothers - Eine Nacht in Casablanca
39 Jahre musste ich alt werden, um die Marx Brothers in vertonten Bewegtbildern zu sehen. Dieser exemplarisch rausgesuchte Spielfilm von 1946, der hauptsächlich in einem Hotel in Casablanca spielt, hat mir verdeutlicht, warum die Brüder als so wegweisend für die amerikanische Comedy gelten. Zugegeben: Einige Gags, bei denen man heute die Augen verdreht, dürften schon damals schal gewesen sein, und manche Sequenzen sind schlicht zu lang, so etwa eine Kofferpack-und-Kleider-versteck-Nummer oder eine Szene, in der Chico minutenlang die Pfeifsprache des stummen Harpo "übersetzt". Auch nicht jedes/r von Grouchos Wortspielen und zingers landet einen Treffer, aber bei einem solch staunenswerten Gag-Stakkato verzeiht man dies.
"A Night in Casablanca" war für mich – wie etwa Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein" (1942) – schon deshalb lehrreich, weil hier Slapstick-Standards und clevere Einfälle eingeführt wurden, die man aus unzähligen späteren Komödien kennt.
15:17 to Paris
Noch ein Vertreter der Kategorie "Alte Haudegen mit zum Teil fragwürdigen Ansichten verfilmen reale Heldengeschichten" (s.o.): Clint Eastwood hat den versuchten Anschlag auf einen Thalys-Zug im Terrorjahr 2015 filmisch rekonstruiert. Der Clou dabei: Die drei amerikanischen Freunde, die das Attentat verhinderten, spielen sich selbst, und zwar verdammt gut. Ein Problem ergibt sich daraus, dass eine (versuchte) Straftat dieser Art natürlich nur ein paar Minuten einnimmt. Die Folge ist, dass das Kerngeschehen mit allerlei Rückblenden umhüllt werden muss, und diese Szenen (Kindheit; Jugend; die Europareise, in deren Rahmen die schicksalhafte Thalys-Fahrt stattfand) sind bei aller positiven Stimmung nicht selten überflüssig und nichtssagend. So wirkt der Film über die Maßen aufgebläht. Zudem geht mir (s.o.) die Glorifizierung von Religion und Militarismus auf den Keks. Skurrile Besetzungsentscheidungen: Jenna Fischer, Tony Hale und Jaleel "Urkel" White in kleinen Nebenrollen.
Beast
Dieser Hybrid aus Liebesfilm, Thriller und Coming-of-age-Drama erregte meine Aufmerksamkeit allein aus Urlaubsnostalgie, er spielt nämlich auf der schönen Kanalinsel Jersey. Aber neben der Landschaft hat diese britische Produktion von 2017 auch Überraschungen und Spannungsmomente zu bieten, über die ich nichts verraten möchte. In der Hauptrolle überzeugt Jessie Buckley ("Fargo" Season 4).
Die Ausgrabung (OT: The Dig)
Vereinigtes Königreich zum Zweiten: Ein Film des Genres "Period piece mit Frau in spröder Landschaft" à la "Ammonite" oder "Porträt einer jungen Frau in Flammen", dessen Klischeeanfälligkeit sich Hauptdarstellerin Carey Mulligan bewusst ist, hat sie doch bei ihrem SNL-Hosting stint in einer entsprechenden Parodie mitgewirkt (leider nicht bei Youtube verfügbar). Mehrmals habe ich gelesen, dass das Thema Archäologie (abseits von Indiana Jones) zu unsexy und speziell sei, um über zwei Stunden zu tragen, aber ich habe mich kaum gelangweilt, zumal der historische Hintergrund in der Realität verhaftet ist, so dass man auch noch was Interessantes lernt. "The Dig" hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, als es der corona-bedingte "limited release" zugelassen hat.
Escape from Tomorrow
Von diesem Indie-Projekt habe ich schon vor vielen Jahren gehört. 2013 hat der Filmemacher Randy Moore heimlich (!) in Walt Disney Land und im Disneyland Resort (!) einen Horrorfilm (!) gedreht. Was ziemlich genial klingt, hat mich, als ich acht Jahre später endlich an den Film herangekommen bin, in der Ausführung enttäuscht. In seinem Bemühen, möglichst surreal und psychedelisch rüberzukommen, schießt "Escape from Tomorrow" nicht selten übers Ziel hinaus und verwirrt mehr als dass er anregt. Das acting ist leider auch durchwachsen. Trotzdem: Respekt für die Idee und die Durchführung.
Nomadland
Und weil ich wie jedes Mal an dieser Stelle tüchtig erschöpft bin (bis hierhin hat mich der Beitrag schon wieder gut drei Stunden gekostet), sei der Academy-Awards-Abräumer 2021 nur in kürzester Kürze "rezensiert". Alles Lob für Chloé Zhaos Sachbuchumsetzung ist gerechtfertigt! Was man hier über die mir bis dahin völlig unbekannte amerikanische "Nomaden"-Szene erfährt, geht einem ebenso nahe wie das Spiel von Frances McDormand und der zahlreichen Laiendarstellerinnen und -darsteller.
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