Frankreich, 1348 – da horchen Geschichts- und/oder Metalfans natürlich auf: Wir befinden uns auf dem Höhepunkt der großen Seuche, die zu dieser Zeit in Europa wütete und auf englisch plague heißt. Wir sollten uns von der Idylle des Landadels nicht täuschen lassen, in die wir in Gestalt der minderjährigen Amicia geworfen werden. Während wir noch unbedarft durch unser Anwesen streifen und gemeinsam mit unserem Vater die Umgebung sowie (Chekhov's-gun-mäßig) einige Grundtechniken kennen lernen, bricht die Katastrophe über uns herein. Die Heilige Inquisition überfällt den Familiensitz, und wir müssen mit unserem kleinen Bruder die Flucht ergreifen.
Diese Flucht dauert 15 bis 20 Stunden, in denen uns zum Glück hin und wieder Verschnaufpausen gegönnt werden. Hauptsächlich ist die Reise aber adrenalintreibend; entweder rennen wir panisch weg oder bahnen uns taktisch in grandios konstruierten Schleichpassagen den Weg. Unsere Gegner sind dabei entweder die Truppen der Inquisition, Engländer (es ist auch noch Hundertjähriger Krieg!) oder, wie bereits angedeutet, die Überträger von Yersinia pestis: Ratten. Warnung vorweg: Wer sich vor Ratten ekelt, sollte die Finger von "A Plague Tale" lassen, denn uns begegnen Abertausende davon. Überhaupt darf man, wie es ein überzeugendes Mittelalter-Setting nahelegt, nicht gerade zimperlich sein. Schon recht bald müssen sich die in trauter Isolation aufgewachsenen Kinder zu unschönen Taten hinreißen lassen, um zu überleben, und die im Titel anklingende Unschuld über Bord werfen.
Das alles erinnert immer wieder an "Game of Thrones". Wer damit etwas anfangen kann und für Third-Person-Stealth-&-Action-Spiele etwas übrig hat, kommt an "A Plague Tale" nicht vorbei. Spielmechanisch und erzähltechnisch scheint man sich ein wenig von "The Last of Us" inspirieren lassen zu haben. Das habe ich zwar nicht selbst gespielt, aber ich schaue gerade ein Let's Play und entdecke darin die ein oder andere Parallele. Der Schwierigkeitsgrad ist knackig. Für den Endkampf habe ich mehr als eine Stunde gebraucht, und zwei-drei Stellen kann man durchaus als frustrierend bezeichnen, reineweg unfair wird es aber nie.
Und sonst so? Man baut Fähigkeiten aus, schlüpft zwischenzeitlich in eine andere Rolle als die von Amicia, setzt Teamwork ein, sammelt – weil das halt heute unvermeidlich ist – Zutaten und Rohstoffe zum Craften, kann abseits der Wege ein paar Achievement-würdige Kuriosa entdecken (im Großen und Ganzen sind die Levels jedoch sehr linear) und kann seine Problemlösungs-Skills testen, wobei die gelegentlichen Rätsel nie überfordern dürften. Fazit: "A Plague Tale: Innocence" ist ein brillant inszeniertes und gameplaytechnisch einnehmendes Abenteuerspiel des französischen Asobo Studios (welches bislang nur mit Sportspielen und Filmversoftungen unter dem Radar lief), das noch lange nach dem Abspann nachwirkt.
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