Nobody
Ha! Das ist die Revenge-One-Man-Show, die "John Wick" gerne gewesen wäre und auch hätte sein sollen. Weniger Pathos, dafür genug Spaß an der Cartoonhaftigkeit der Gewaltszenen, Erdung des Helden ohne Einbußen an badassery. Odenkirks Figur hat von Anfang bis Ende mehr Profil als die Reeves'sche. Zudem darf Christopher "Doc Brown" Lloyd dem Affen Zucker geben! Einziger (subjektiver) Einwand: Noch ein Stückchen befriedigender wäre der Rachefeldzug gewesen, wenn der Held tatsächlich ein Nobody wäre statt sich (kleiner Spoiler) als professionell ausgebildete Tötungsmaschine zu entpuppen.
The Awakening - Geister der Vergangenheit
England kurz nach dem Großen Krieg: In einem Internat soll eine berühmte "Geisterjägerin" bzw. Enttarnerin angeblich übernatürlicher Phänomene (Rebecca Hall) wiederholten Berichten von Spukerscheinungen auf den Grund gehen. Die Grundidee ist nett, das Setting überzeugt, und man kann lange mitraten, ob der Spuk echt oder inszeniert ist. Viel bleibt am Ende jedoch nicht im Gedächtnis hängen.
Blow the Man Down
Über dieses nach einem Shanty betitelte "Amazon Original" weiß ich gar nicht viel zu sagen, ich könnte nicht einmal verlässlich das Genre bestimmen. "Black comedy thriller" nennt es die englische Wikipedia, die deutsche ordnet es zwischen "Mystery-Filmdrama" und "Film Noir" ein. Vergleiche mit "Fargo" fallen gelegentlich, und in der Tat könnte es als Neuengland-Version des Klassikers durchgehen. Im letzten Drittel geht diesem ansonsten befriedigenden Sonntagnachmittagshappen ein wenig die Luft aus.
Ich glaub', mich tritt ein Pferd (National Lampoon's Animal House)
Wie im März angekündigt, habe ich mir endlich John Belushis große Nummer von 1978 angeschaut – mit unsagbarem Grausen. Ich bin nicht per se gegen pubertäre Gags, aber wenn diese Parade des Stumpfsinns (Regie: John Landis) das identitätsstiftende kulturelle Erweckungserlebnis einer Generation war, ein humoristischer Befreiungsschlag quasi, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Dabei haben andere Produktionen aus der Post-Vietnamkriegs-Ära doch durchaus bewiesen, wie erfrischend Satire und Groteske, Subversion und Nonsense damals verquickt werden konnten, nicht zuletzt war ja "Saturday Night Live" eine bitter benötigte Frischzellenkur für die Entertainment-Industrie. Belushis Arbeit für jene Show kenne ich bisher nur in Best-of-Auszügen und kann ich daher noch nicht beurteilen, ich werde mir die "Not Ready For Prime Time Players"-Jahre ganz gewiss irgendwann im Rahmen meines SNL-Durchlaufs vornehmen. Ziehe ich aber allein diese "Kult"-"Komödie" zur Bewertung von Belushis komischem Talent heran, sehe ich einen unbeholfen agierenden, wortkargen, blassen Klops, der drei bis vier halbwegs witzige Grimassen draufhat. Wie gesagt, das ist nur mein Eindruck nach diesem Spielfilm, in dem John Belushi übrigens weder die größte Präsenz noch die meiste Screentime hat. Ich vermute, dass die Autoren (darunter immerhin der famose Harold Ramis) in eine ähnliche Falle getappt sind wie die Macher von "Der Prinz aus Zamunda": Man hält es für ausreichend, einen bereits als Comedy-Superstar etablierten und akzeptierten Schauspieler zu präsentieren und "einfach machen zu lassen", und vergisst dabei, ihm ein paar tatsächlich witzige Zeilen zu schreiben. Belushi hat in vielen Szenen einfach nichts zu tun, und wenn er doch mal einen der sketchartigen Einschübe beherrscht, wird es hochnotpeinlich, Stichwort "Fensterln". Überhaupt ist "Ich glaub', mich tritt ein Pferd"* selbst für eine Klamotte aus den Siebzigern außergewöhnlich schlecht gealtert. Wo ist die "Cancel Culture", wenn man sie mal braucht?
Abschließend kann ich nur noch einmal bekräftigen, wie ungeheuer froh ich bin, nicht in den Vereinigten Staaten studiert zu haben. Toga-Party ... ich glaub', mich knutscht ein Elch. Aber wenigstens weiß ich jetzt, worauf der Titel der National-Lampoon-Hinter-den-Kulissen-Komödie "A Futile and Stupid Gesture" anspielt.
* Apropos: Hielt der deutsche Verleih die schreiend unlustige Pferde-Szene für so essenziell, dass er den Titel darauf beziehen musste?
The Nest
So wie "Nobody" für mich das bessere "John Wick" ist, so halte ich "The Nest" (2020) für die bessere Version von "Marriage Story". Zugegeben, man hat ähnlich gestrickte Familienzerbrechens-Muster schon zur Genüge gesehen, man kann die Ausflüchte des nach Höherem strebenden und dabei Frau und Kinder vernachlässigenden Pater familias beinahe soufflieren, aber hier werden selbst Stereotype so überzeugend rübergebracht, dass man vor allem Carrie Coon einen Oscar gegönnt hätte. (Immerhin gab's ein paar Nominierungen, z.B. für den Canadian Screen Award.) Jude Law spielt auch gut. Der deutsche Untertitel lautet übrigens "Alles zu haben ist nie genug".
Ein Hologramm für den König
Ein vergessener Punkt in der Filmographie von Tom Hanks. Tom Tykwer hat den gleichnamigen Roman von Dave Eggers 2016 mit ansehnlichen Bildern aus der marokkanischen Wüste in Szene gesetzt. Erzähltechnisch sind die 90 Minuten eher Durchschnitt, die Charakterentwicklung geht gemächlich vonstatten. Hanks tut sein Bestes, am Ende kommt ein harmloses, an "Lachsfischen im Jemen" erinnerndes Culture-Clash-Feelgood-Movie heraus.
A Glitch in the Matrix
Eine Dokumentation vom Regisseur von "Room 237" (letztes Jahr gesehen) über die Hypothese, dass wir alle in einer Simulation leben. Ich finde dieses Gedankenexperiment in Literatur und Film nicht unspannend, aber die Idee wie eine naheliegende Möglichkeit ernsthaft zu diskutieren, halte ich für Kokolores und Zeitverschwendung. Und als Ausgangspunkt eine Rede zu nehmen, die der – zweifelsohne visionäre – Autor Philip K. Dick 1977 mit erkennbar durchgeschmorten Synapsen in Metz gehalten hat, ist mindestens dünn. Immer wieder amüsant sind freilich Beispiele für den Mandela-Effekt, und schockiert haben mich die gruselig gefassten, reflektierten O-Töne des (von mir längst vergessenen) "Matrix-Killers"; in diesem Zusammenhang geht es auch um die Chewbacca-, äh: Matrix defense.
Wissenschaftlich erhellend oder "thought-provoking" ist nichts an diesem Film.
Yesterday
Erstaunlich, dass der letzte Film von Danny Boyle, den ich gesehen hatte, 2013 "Trance" war (sogar im Kino, was ich bereut habe)! Hätte ich es nicht gewusst, wäre ich im Leben nicht darauf gekommen, dass hinter dieser seichten Musikromanze von 2019 der Regisseur von Krassheiten wie "127 Hours" oder "Trainspotting" steht. Die irgendwie sympathische Gaga-Prämisse: Nach einem Stromausfall wird die Welt in ein Paralleluniversum katapultiert, in der es die Beatles nie gegeben hat (und ein paar andere Details verschieden sind), nur unser Held kann sich an ihre Songs erinnern und beginnt, diese zu "rekonstruieren", zu schreiben und einzuspielen.
Was ich wohl in und aus so einer Situation machen würde? Vermutlich mangels musikalischem Talent nichts Lebensveränderndes. Auf jeden Fall ist es sagenhaft, wie viele Hits die Beatles hatten, die man irgendwie mitträllern kann, selbst ohne ein Superfan zu sein. Schrieb nicht Max Goldt einst, dass die ungebrochene Anerkennung der Beatles nicht auch durch die schiere Masse ihrer erfolgreichen Veröffentlichungen bedingt sei und man daher nicht pauschal Quantität und Qualität gegeneinander ausspielen könne?
Noticeable supporting role: Kate McKinnon als schwerst erträgliche Produzentin aus Amerika.
A Quiet Place Part II
Eine Fortsetzung, auf die ich mich gefreut habe. Diesmal hat Regisseur John Krasinski das Drehbuch allein geschrieben, zudem hat er – da verrate ich kein Geheimnis – dem Ende des ersten Teils zum Trotz einen kleinen Auftritt. Die ein oder andere Schwachstelle (Logikfehler, Klischees) ist zwar zu finden, entwertet aber nicht das Gesamterlebnis.
Der Geist und die Dunkelheit
Ein Klassiker der Neunziger musste auch dieses Mal dabei sein. Mir ging beim Schauen die Phrase "'Der Weiße Hai' in Afrika" durch den Kopf, wobei "Der Weiße Hai" in Sachen Tierhorror natürlich unerreicht ist und auch bleiben wird. "Der Geist und die Dunkelheit" ist weniger subtil und reiht eine Löwen-Action-Szene an die nächste, wobei man über die Tierstunts und die Kameraarbeit nicht meckern kann. Etwas weniger geklotzt hätte dennoch gekonnt werden, zumal die realen Hintergründe mehr Tiefe zugelassen hätten. Warum Val Kilmer für die Goldene Himbeere als schlechtester Nebendarsteller nominiert wurde, leuchtet mir allerdings nicht ein (schließlich war er hier Hauptdarsteller, haha!).