Das Ding aus einer anderen Welt (OT: The Thing)
John Carpenters Meilenstein von 1982 (den man damals freilich noch gar nicht als solchen erkannte) ist kaum genug zu preisen! Nicht nur ist er ein Klassiker des Subgenres "Alienterror in abgeschiedener Forschungsstation" (empfehlenswerte Liebeserklärung: die Episode "Ice" aus der ersten Staffel von "Akte X"), auch setzt er in Sachen Ekel-Effekte Maßstäbe, die danach selten wieder erreicht wurden (Peter Jacksons "Braindead" fällt mir noch am ehesten ein). Selten war Body-Horror dermaßen kreativ, was umso mehr beeindruckt, wenn man sich vor Augen führt, dass die widernatürlichen Metamorphosen und die garstigen Kreaturen handgemachte Maskenbildner-Tricks sind.
Ja, man braucht einen starken Magen, und die niedrige – bei null liegende – Frauenquote mag einem reichlich antiquiert vorkommen, trotzdem: Wer "Das Ding" seit der Indexstreichung vor zwölf Jahren noch nicht nachgeholt hat, sollte das schleunigst tun.
The Palindromists
Auf welcher Silbe das Wort palindromist zu betonen sei, ist beruhigenderweise nicht einmal unter Muttersprachlern unstrittig, was in dieser charmanten Dokumentation auch thematisiert wird. Palindromist(inn)en sind jedenfalls Leute, die in ihrer Freizeit Wörter, Sätze, ja ganze Geschichten erfinden, die von vorn wie von hinten zu lesen sind. Sogar Weltmeisterschaften in dieser Disziplin gibt es; eine solche ist der Dreh- und Angelpunkt des amerikanischen Films von 2020, dabei tritt auch der Kult-Kreuzworträtsel-Meister Will Shortz auf.
Die palindromists geben unisono eine gewisse "Störung" oder, netter ausgedrückt, einen Spleen zu Protokoll, nämlich den Zwang, ständig alles, was sie lesen, auf Rückwärtslesbarkeit zu überprüfen. An dieser Stelle kann ich es ja zugeben: Diese Macke habe ich auch. Ungefähr seit meinem zwölften Lebensjahr lese ich jeden Eigennamen, der mir zum ersten Mal begegnet, aber auch Werbesprüche, Hinweise und andere Kürzestsätze sowie kuriose Vokabeln instinktiv von hinten nach vorn. Recht früh bin ich so auf das Palindrom Retsina-Kanister gestoßen, auf das selbstverständlich schon viele andere gekommen waren, wie ich nach der Einführung des Internets erfahren musste.
Mindscape (OT: Anna)
Dass ich die Handlung dieses Psychothrillers von 2013 über einen Ermittler mit übersinnlicher Begabung nicht nacherzählen könnte, spricht nicht unbedingt für ihn. Negativ in Erinnerung ist er mir keineswegs geblieben. Ich weiß noch, dass mir gefallen hat, wie man sich bis zum Ende gefragt hat, welches Spiel die (original-)titelgebende Figur in Wirklichkeit spielt. Auch die Besetzung, u.a. Mark Strong, Taissa Farmiga und Indira Varma, kann sich sehen lassen.
Wait for Your Laugh
Die Tagline "The Longest Career in Showbiz History" ist nicht übertrieben. Hier werden neun Jahrzehnte amerikanisches Entertainment anhand einer Person abgerissen: Rose Marie (1923-2017), die als "Baby Rose Marie" im Radio und auf Varieté-Bühnen das Post-Depressions-Amerika verzauberte, bald darauf u.a. Al Capone unterhielt, später mit Legenden wie Doris Day, Carl Reiner und Dick Van Dyke zusammenarbeitete, ein gefeiertes Comeback mit einer Drei-Damen-Bühnen-Show hinlegte und zuletzt eine wiederkehrende Sprechrolle in einer Garfield-Animationsserie hatte. Wer sich nur entfernt für US-Comedy interessiert, sollte sich diese Doku besorgen.
Die Unbestechlichen (OT: The Untouchables)
Apropos Al Capone! Kurz nachdem ich in der Cinema das Making-of des bald 35 Jahre alten Werks gelesen hatte, strahlte der Sender Arte ihn aus. Nun konnte ich endlich all die berühmten Szenen, die ich bis dahin nur als Parodien kannte, sehen, war aber auch überrascht von einer Sequenz in der Mitte des Films, als dieser unvermittelt ins Western-Genre wechselt: Da gibt es einen Shoot-out an der kanadisch-amerikanischen Grenze, die überhaupt nicht so aussieht, wie man sie sich vorstellt.
Brian De Palma hat die spannende (dann aber auch letztlich unspektakuläre, weil in Teilen bürokratisch-nüchtern abgelaufene) reale Geschichte um die Chicagoer Mafia mitreißend inszeniert und mit seinem Cast um Robert De Niro und Kevin Costner das ganz große Besteck ausgepackt. Wenn ich etwas kritisieren müsste, dann die Besetzung von Sean Connery. Man verstehe mich nicht falsch – der Mann spielt tadellos und hat zu Recht einen Oscar und einen Golden Globe dafür erhalten. Er mag mir nur nicht zu seiner Rolle passen: Gibt es solche Streifenpolizisten? Welche Cops laufen denn in dem Alter noch Streife und sehen obendrein so aus wie Sean Connery? (Kann sein, dass er an einer Stelle erklärt, warum er in dieser Position hängengeblieben ist, aber das hat mich dann wohl nicht überzeugt.)
Alles in allem aber: 120 Minuten 1A-Kintopp!
Good Morning, Vietnam
Wie "The Untouchables" erschien auch "Good Morning, Vietnam" 1987. Beide Blockbuster behandeln ein gewichtiges Kapitel der US-amerikanischen Geschichte, dieser jedoch klammert Kampfhandlungen und sonstige Schrecken des Vietnam-Krieges weitestgehend aus und verlegt die Handlung auf einen Nebenschauplatz. Wobei die zwei Stunden nicht komplett in einem Radiostudio spielen: In den Szenen, in denen sich der Protagonist nach Saigon, aufs Land und ja, einmal auch in den Dschungel begibt, rahmen die tragikomische One-Man-Show, verhaften sie in der "echten Welt", geben ihr Substanz und Relevanz. Und gänzlich unpolitisch ist Barry Levinsons Biopic ohnehin nicht.
Im Mittelpunkt steht natürlich der überdrehte, optimistische, gerne aneckende AFN-DJ Adrian Cronauer, dessen Darsteller man offensichtlich bei den Moderations-Routinen freie Hand gelassen hat. Die komödiantische Urgewalt Robin Williams läuft in diesen Nummern (die ich gerne mal im O-Ton hören würde) zu Höchstform auf, und man fragt sich, wie viel nicht verwendetes improvisiertes Material wohl noch im Archiv schlummert.
Suicide Squad
Wie angekündigt, "musste" ich dieses DCEU-installment schauen, 1. um auf "The Suicide Squad" eingestimmt zu sein, 2. weil ich tatsächlich neugierig war, wie mit der Situation am Ende von "Batman v Superman" in der fortlaufenden Timeline umgegangen wird. Zu Letzterem kann ich sagen: Es spielt kaum eine Rolle. Also eigentlich schon: Neue Superhelden müssen her, und so wird eine Chaostruppe aus Halunken und Gestörten genötigt, die Welt zu retten. Bei manchen Figuren in diesem Team wird einem nicht so richtig klar, was exakt sie qualifiziert, aber man sollte ohnehin eine hohe Toleranz mitbringen, um diesen Antihelden etwas abzugewinnen. Am interessantesten waren Deadshot (Will Smith) und Killer Croc (Adewale Akinnuoye-Agbaje von "Lost", der, wie ich vorhin erst gelesen habe, in dem 2011er-Sequel von "The Thing" mitgespielt hat). Harley Quinn nervt leider kolossal, keine Ahnung, weshalb Margot Robbie dafür derart abgefeiert wurde; im letzten Drittel wird die Figur einigermaßen erträglich. Die Auftritte von Jared Letos Joker wurden gnädigerweise auf das Nötigste reduziert, insbesondere im dritten Akt, "with the majority of Leto's scenes being omitted from the theatrical cut, which upset Leto" (Wikipedia), haha!
Bei allen Unzulänglichkeiten hat mich der Streifen gleichwohl niemals gelangweilt oder erbost. Ich will nicht schon wieder auf Marvel rumhacken, aber im Vergleich mit den "Avengers", um mal eine Art "Pendant" heranzuziehen, hat "Suicide Squad" regelrecht Tiefe und "Fleisch", und die Charaktere mit ihren Ecken und Kanten waren dann doch irgendwie compelling. Ach ja: Der Soundtrack ist spitze!
Palm Springs
Es vergeht ja kaum noch ein Quartal, in dem ich kein Medium mit Zeitschleifen-Prämisse konsumiere (gerade habe ich das Videospiel "Twelve Minutes" abgeschlossen). Nach Horror-, SciFi- und sonstigen Variationen kehrte das Murmeltier 2020 wieder zu seinen Genre-Ursprüngen zurück. Wie die Besetzung mit Hauptdarsteller Andy Samberg schon erahnen lässt*, setzt "Palm Springs" in erster Linie auf Humor. Zwerchfellschmerzen hat mir die sommerliche Feel-good-Romanze zwar nicht beschert, aber durchweg gute Laune. Cristin Milioti und J.K. Simmons sind wie immer ein Gewinn. Und einen erfrischenden Twist gibt es hinsichtlich des Tag-Wiederholungs-Fluches dann doch (mittelschwerer Spoiler): Diesmal steckt mehr als eine Person in der Zeitschleife fest. Das wirft zwar ein paar die Logik betreffende Fragestellungen auf, die zu formulieren ich zu faul bin, aber der Eskalation wie auch der Kurzweil ist das nicht abträglich, ganz im Gegenteil.
* Wobei das nichts heißen muss! Ich erinnere mich noch daran, wie ich in der Pressevorführung von "Butterfly Effect" saß und überhaupt nichts über die Story wusste: Als dann Ashton Kutcher ins Bild trat, dachte ich schmunzelnd 'Ah, Ashton Kutcher, na, was machst du da schon wieder Albernes? You sure are up to no good, you rascal'! und war mir sicher, es mit einer Komödie zu tun zu haben, nur um dann von der tragischen Wucht des grandiosen Zeitreise-Dramas umso heftiger niedergestreckt zu werden.
Paranormal Activity 7: Next of Kin
Ich habe mir in diesem Jahr vorgenommen, fortan sämtliche Horror-Fortsetzungen, -Reboots, -Remakes und sonstige -Neuinstallationen links liegen zu lassen. "Saw: Spiral" und die kommenden "Halloween"- und "Scream"-Teile ignoriere ich ebenso wie die "Candyman"-Neuauflage oder die "Chucky"-Serie. Für das "Paranormal Activity"-Franchise, so hatte ich mir geschworen, würde ich aber immer eine Ausnahme machen, denn diese Gruselreihe, die das Found-Footage-Genre perfektioniert hat, hat bei mir noch jedes Mal funktioniert. Richtig hyped war ich, als "Next of Kin" auf einmal da war.
Mit Nummer 7 scheint nun aber langsam die Luft raus zu sein. Aus mehreren Gründen ist dieser Teil der allerschwächste. Zum einen ist das Setting zwar ein neues – eine archaische Gemeinschaft im Nirgendwo, in die eine Gruppe junger urbaner Menschen stößt –, es kommt einem aber allzu vertraut vor, denn die Macher haben sich deutlich von "Midsommar" inspirieren lassen. Zum anderen scheint man der eigenen Form nicht mehr zu trauen und entfernt sich von dem etablierten, verlässlichen Point-of-view-/Surveillance-Storytelling der Vergangenheit. Nicht nur sind jetzt gleich zwei Handkameras im Einsatz (mit Auflösungen, die sich mittlerweile professioneller Technik angenähert haben) sowie eine Drohne (!), in manchen Einstellungen scheint es auch, conveniently placed, ein drittes, "außerhalb" stehendes "Auge" eines auktorialen Erzählers zu geben, womit die narrative Besonderheit vollends aufgelöst wird. Zum anderen setzen mehr als einmal incidental music und musikalische Jumpscare-Marker ein ... weil Soundeffekte offenbar nicht ausreichen, um Schauer akustisch zu untermalen. Das zerstört dann den letzten Rest von Atmosphäre. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich schreibe, dass eine dämonische Gestalt auftaucht, die viel zu deutlich und damit unsubtil und den beabsichtigten Schockeffekt unterlaufend gezeigt wird. Ich bin enttäuscht. Immerhin einmal lachen konnte ich, weil das Produktionsteam niemanden auftreiben konnte, der deutsch spricht:
Three Amigos
Zum Schluss ein weiterer Kultfilm, aus dem Jahr 1986. Steve Martin, Martin Short und Chevy Chase: Alle drei gehören, da will ich ehrlich sein, nicht zu meinen Lieblingskomikern. Am ehesten taugt mir noch Steve Martin, den ich ja auch in "Ein Ticket für zwei" nicht übel fand. In diesem Wüstenklamauk ist das Ensemble allerdings größer als die Summe seiner Teile. Die drei sind nicht die Marx Brothers – dafür sind die individuellen Eigenschaften des Trios zu unspezifisch –, aber z.B. die übertrieben triumphalen Vorstellungs-Auf(t)ritte, inklusive affiger Choreographie, sind buchstäblich zum Schießen. Auch der Plot ist einigermaßen clever und angenehm altmodisch (Buch: u.a. Lorne Michaels).
Gestoßen habe ich mich daran, dass es an zwei Stellen surreal wird. Eine singende Schildkröte und ein sprechender Busch mögen zwar witzig sein, wenn sie aber aus dem Nichts kommen, reißt mich das raus. Ich verlange von einer Komödie, dass sie von Anfang an festlegt, ob es sich um cartoonesken Anything-goes-Quatsch à la Monty Python handelt oder um eine Sitcom in Spielfilmlänge, die in unserer Realität zumindest so vonstatten gehen könnte und deren Lacher sich aus den Dialogen, der Figurenzeichnung und/oder dramatischen Entwicklungen ergeben. Aber das ist bloß meine Meinung.
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