Montag, 28. Februar 2022

Neu im Buchhandel, Abt. Sachbuch/Reise

Seit ich mich vor über zehn Jahren zum ersten Mal intensiver mit außergewöhnlichen Inseln beschäftigt habe, lässt mich das Thema nicht los und wurde auch hier im Blog immer wieder gestreift. Eine ganz besondere Faszination übten zuletzt Binneninseln auf mich aus; so sehr, dass ich mich beflügelt sah, ein Buch darüber zu schreiben. Ein solches kann man jetzt kaufen. Es behandelt 44 Fluss- und Seeinseln in Deutschland, Österreich und der Schweiz, ist liebevoll gestaltet worden und kostet 25 Euro. Schon jetzt an Weihnachten denken! Oder an den Betreiber dieses Blogs, der viel Recherche in das im Hause Merian erschienene Hardcover gesteckt hat und sogar ein "Aal"-Wortspiel darin unterbringen konnte.

Sonntag, 27. Februar 2022

Von Ratten und Menschen

Nach einer gnädigerweise langen Pause hat mich, und damit auch dieses Blog, das Thema Kannibalismus mal wieder eingeholt. Im Doppelpack. Bevor ich gestern einen Podcast über das in Amerika wohl jedem Schulkind bekannte Schicksal der Donner Party hörte, hatte ich in Jared Diamonds Monumentalwerk "Collapse" das Kapitel über die Osterinsel gelesen. Darin ist (neben dem Fakt, dass die Plattformen, auf denen die Moais stehen, ahu heißen) zu erfahren, dass die Bewohner der Insel, als ihnen neben vielen anderen lebensnotwendigen Ressourcen das Wildfleisch ausging, ihresgleichen verspeisten. Das muss im 18. Jahrhundert begonnen haben. In dieser Periode bildeten sich mündliche Überlieferungen mit "obsessivem" Kannibalismus-Bezug heraus, unter anderem galt es als krasseste Beleidigung, seinem Feind den Spruch "Das Fleisch deiner Mutter hängt mir zwischen den Zähnen!" entgegenzuschleudern. Das zumindest ließ mich schmunzeln. Auch die sonstigen Ernährungsgewohnheiten der Osterinsel-Bevölkerung mögen bei Fremden ein Schaudern auslösen. Von allen archäologischen Ausgrabungsstätten in Polynesien sind die der Osterinsel die einzigen, an denen man mehr Rattenknochen als Gräten gefunden hat. Das Jagen und Essen der Nager war nicht die Ultima Ratio; mangels Fisch, Schalentieren & Co. landeten Ratten en masse im Kochtopf, gerne als Ergänzung zu Fleisch von See- und Landvögeln. Wir sollten das nicht verurteilen. Diamond merkt an, dass er sich aus seiner Zeit im England der späten Fünfzigerjahre an Rezepte für "Sahne-Laborratte" erinnere, die unter Biologen kursierten. Von derartigen kulinarischen Eigentümlichkeiten wusste ich freilich schon aus dem schwerverdaulichen Dokumentarfilm "Rats".

Freitag, 25. Februar 2022

Fear Factors

Mein ganzes Erwachsenenleben ist, wo nicht beherrscht, so doch zumindest stetig begleitet von Angst in allerlei Facetten. Angst vor Krankheit, Verlust, Einsamkeit, Wahnsinn, Blamage, Entstellung, Panik, Ablehnung, Kränkung, Isolation, Konflikt, Versagen, Degeneration, Geringschätzung – irgendein hässlicher Kobold sitzt immer auf meinen Schultern. Zu den abstrakten Sorgen und diffusen Unruhezuständen gesellen sich situationsbedingte konkrete Ängste; ich glaube, man spricht dann eher von Furcht als von Angst. Diese sind mir viel lieber und unterm evolutionären Blickwinkel nicht ausschließlich von Nachteil. Wie sagte schon der Doktor in "Doctor Who"? "Ich will dir jetzt mal was über das Fürchten erzählen. Dein Herz schlägt wild und laut, ich spür’s sogar in deinen Händen, und es pumpt viel Blut und Sauerstoff in dein Gehirn, unglaublich viel. Das ist wie Raketentreibstoff. In diesem Moment kannst du schnell wie der Wind rennen, [...] und du bist so hellwach, es scheint dir, als liefe die Zeit langsamer ab. Was ist falsch daran, Angst zu haben? Das Fürchten ist eine Superkraft. Es ist deine Superkraft." Deswegen bin ich, beispielsweise, noch nie in eine Massenschlägerei geraten oder von einem Esel gebissen worden. Ich wechsle die Straßenseite, wenn mir in einem üblen Viertel mehr als zwei Personen entgegenkommen oder bei stürmischem Wetter ein wackeliger Bauzaun am Fußwegrand sichtbar wird. (Kurz nach dem Terroranschlag von Nizza bin ich einmal reflexartig fast in eine Hecke gesprungen, weil ich einen heranrasenden Lkw für einen Trittbrettfahrer hielt.) Nun gut, in der Vergangenheit war ich auch schon angstbefreit übermütig: Es existieren Fotos, die mich in schwindelerregenden Felshöhen oder neben einem wilden Krokodil posierend zeigen. In der Regel habe ich aber die Frage "Was ist das Schlimmste, was jetzt passieren könnte?" und die dazugehörige Vermeidensstrategie im Hinterkopf.

In dieser Hinsicht ist unsere Gegenwart ein blessing in disguise, zumindest für meine Seelenlandschaft. Beispiel Corona: Schon in der Frühphase der Epidemie habe ich aus freien Stücken nur mit medizinischem Mund-Nase-Schutz mein Haus verlassen (da hat es sich mit fast 20 Jahren Verspätung bezahlt gemacht, dass ich von meiner Zivildienststelle einen Karton OP-Masken mitgenommen hatte, hihi). Furchtbasiere Vorsicht, natürlich auch über die Mundverhüllung hinaus, hat mich bis jetzt vor einer Ansteckung mit Covid-19 bewahrt. Dafür habe ich gern (überschaubare) soziale Peinlichkeiten in Kauf genommen wie die mit dem Opa, dem ich am Bahnhofseingang ausgewichen bin, worauf er mir enttäuscht "Isch wollt Ihnä doch nur de Tür uffhalde!" zurief, oder die mit dem mittelalten Superarsch, der mit in meine Richtung ausgestrecktem Finger zu seinem kleinen Sohn höhnte: "Kuck mal, der hat Corona!"

Worauf wollte ich eigentlich hinaus? Ach ja: Solche ganz reellen Bedrohungen (Inflation! Krieg! Naturkatastrophen!) sind zwar "im Gesamtzusammenhang" einschneidender (damit will ich sagen: für uns alle), die zwangsläufige Beschäftigung mit ihnen versetzt mich aber wenigstens in eine ansatzweise sinnvolle Alarmbereitschaft und blockiert nächtliche Grübeleien über vage konstruierte Gesichtsverlustszenarien oder Horrorvorstellungen vom Älterwerden. Ist es falsch und egoistisch, so zu denken?

Montag, 21. Februar 2022

Kleiner Buchstabe, große Wirkung

Ich habe letzte Woche zufällig gelernt, dass das Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit, Kurztitel "Arbeitsschutzgesetz", so abgekürzt wird: ArbSchG. Da muss man den Gesetzgeber auch mal loben! Er hätte das kleine -b- in Arbeit ja auch weglassen können. Tagtäglich wäre in deutschen Amtsstuben, Gerichtssälen, Krankenhäusern, Fabriken und anderen von Professionalität und Seriosität geprägten Orten, wo dieses Gesetzbuch rumsteht, schallendes Gelächter zu vernehmen.

Samstag, 19. Februar 2022

Wie rot sind Deine Blätter

Bei "Jeopardy!" wurde neulich nach einem "colorful banner" als 150 Jahre altem Symbol des Sozialismus und Kommunismus gefragt, das zugleich der Titel eines Liedes sei, welches nach der Melodie von "O Tannenbaum" gesungen werde. Nun, die Antwort konnte ja nur "What is the red flag?" sein, aber von einem so betitelten Lied hatte ich noch nie gehört! Das muss ich bei meiner damaligen Recherche zum State Song von Maryland übersehen haben: "The Red Flag" ist nicht nur die Hymne der britischen und der nordirischen Labour Party, sondern auch die der Social Democratic and Labour Party Irlands. Tatsächlich war es ein Ire namens Jim Connell, der 1889 die sechs Strophen plus Refrain schrieb, wobei er sie sich zunächst zu der Melodie von "The White Cockade" gesungen vorstellte. Diese "Ur"-Version der "Red Flag" hat dann schließlich 1990 kein Geringerer als Billy Bragg eingespielt; man kann sie auf YouTube finden, interessanterweise hebt sie mit den ersten 15 Noten von "O Tannenbaum" an. Weder das Wort cockade noch die deutsche Entsprechung Kokarde kannte ich bis eben ("rosettenförmiges oder rundes Hoheitszeichen in den Landes- oder Stadtfarben an Kopfbedeckungen von Uniformen oder an Militärflugzeugen"; Duden).

Witzig ist auf jeden Fall, dass neben dem Rot der Fahne und dem Grün des Tannenbaums mit dem Weiß der Kokarde eine dritte Farbe ins Spiel der optisch-musikalischen Codierungen tritt. Und wie breit gefächert die Emotionen und ideologischen Assoziationen sind, die durch das Tannenbaum-Volkslied, dessen Wurzeln ins 16. Jahrhundert reichen, ausgelöst werden! Während sich bei mir als Deutschem unweigerlich Weihnachtsgefühle einstellen, sobald ich die Melodie höre, mag sich ein englischer Arbeiter vom alten Schlage in die Ära der Anti-Thatcher-Proteste zurückversetzt fühlen – oder ins Fußballstadion, denn nicht nur die offizielle Hymne von Manchester United, "We'll Never Die", wird zur Melodie von "O Tannenbaum" intoniert, auch für Chelsea, den Bristol City F.C. und andere Mannschaften haben britische Fans eigene Abwandlungen etabliert. Herauszustellen ist hier der Northampton Town F.C., dessen Version "The Fields are Green" das Farbspektrum abermals erweitert: "The fields are green / the sky is blue / the River Nene goes winding through".

Im House of Commons wurde "The Red Flag" zuletzt 2019 als Bekundung des Protests gegen den Versuch Boris Johnsons, eine Zwangspause des Parlaments herbeizuführen ("Prorogation"), angestimmt. Der Song ist also immer noch und immer wieder aktuell. In japanischer respektive koreanischer Übersetzung dient er zudem der JCP/KPJ (Kommunistische Partei Japans) und der Koreanischen (i.e. Nordkoreanischen) Volksarmee als Identifikationssymbol. In Südkorea kann das Absingen der "Roten Fahne" in der Landessprache seit einem Gerichtsentscheid von 2014 als Gefährdung der nationalen Sicherheit gewertet werden, entnehme ich zumindest einer maschinenübersetzten Nachrichtenmeldung.

Auf all die sonstigen Neudichtungen und Parodien, seien es solche aus linken Kreisen, seien es als Aneignung durch Lib-Dems entstandene, soll nicht eingegangen werden. Erwähnen, auch um nochmals den Bogen zu der übermäßig patriotischen Maryland-Hymne zu schlagen, möchte ich aber noch, dass "O Tannenbaum" auch die melodische Grundlage für die "Ode to Labrador" darstellt, welche bereits seit 1927 ein Selbstverständnis- und Eigenständigkeitsfaktor der Region ist, der seit 2001 durch den Namen der kanadischen Provinz (Neufundland und Labrador, vorher: Neufundland) unterstrichen wird.

Donnerstag, 17. Februar 2022

Zwei Brezelsnacks

Ich hatte erst geplant, die folgenden kurzen Snack-Vorstellungen in meiner Rubrik "Torsten testet Nachahmerprodukte" unterzubringen. Dass das nachahmende Produkt von einer etablierten Marke stammt, wäre kein Ausschlusskriterium gewesen. Jedoch fand ich soeben heraus, dass es das kopiert gewähnte Produkt gar nicht gibt! Um diese Knabbereien geht es:




Ich dachte, sowohl Elephant Sriracha Cheese als auch Funny-frisch Kruspers Cheese & Jalapeño Style würden sich an dem Analogon von Snyder's of Hanover orientieren, zumal Funny-frisch sich bereits vor Jahren (recht erfolgreich) an einer Snyder's-Honig-Senf-Imitation versucht hat. (Kurioses Detail: Dass "Kruspers" nicht "Knuspers" heißen, habe ich erst vor wenigen Monaten bemerkt, nachdem mein Gehirn den Namen immer wieder zu der naheliegenderen Form gemacht hatte, die auch in dieses Blog Einzug fand, was nun endlich korrigiert ist.) Abgesehen von dem Konzept "getrocknete und intensiv gewürzte Brezelstückchen" wird hier aber nichts nachgeahmt, was es so im Hause Snyder's gibt: Eine Sorte "Käse + Peperoni (o.ä.)" existiert nicht. Zwar findet man auf der Firmenhomepage die Pretzel-Pieces-Geschmacksrichtung "Jalapeño", aber eben nicht in Kombination mit Cheese. Ich hätte schwören können, dass es das einst gab; und eingedenk der Tatsache, dass die Verpackungen der Brezelsnacks ein neues Design erhalten haben, wäre es ja möglich, dass Snyder's seine Palette einfach hin und wieder ändert. Aber auch die Google-Bildersuche zeigt keine Pretzels-Tüten (im alten Look), deren Inhalt Käse und Schärfe vereint. Dabei ist diese Kombo so einleuchtend wie gaumenschmeichelnd, oder sagen wir besser: -herausfordernd. 
Beide Knusper-chunks (die "Elephants" habe ich bei Kaufland entdeckt) bekommen von mir 7/10 Punkten.

Sonntag, 13. Februar 2022

Logik lernen im Weltuntergang

Aus US-amerikanischen Sicherheitskreisen wurde verlautbart, dass mit einer Invasion der Ukraine durch Russland am kommenden Mittwoch zu rechnen sei. Das ist gewiss beunruhigend und nur ein weiterer Schritt in Richtung "the great cataclysm that will surely befall our civilization" ("The Omnibus"), aber auch eine gute Gelegenheit, sich mit dem berühmten Überraschungstest-Paradox vertraut zu machen, einer Abwandlung des Paradoxons der unerwarteten Hinrichtung. Ich meine, erstmals in Hofstadters Klassiker "Gödel, Escher, Bach" davon gelesen zu haben, kann aber auf die Schnelle nur einen Abschnitt in "Professor Stewarts mathematische[m] Sammelsurium" von Ian Stewart (2011) finden. Diesen lege ich für meine Formulierung dessen, was ich "Paradoxon des angekündigten Überraschungsangriffs" nennen möchte, zu Grunde.

Angenommen, Russland selbst habe letzte Woche kommuniziert: "Nächste Woche (werktags) werden wir die Ukraine angreifen, und der Angriff wird überraschend kommen." (Ich weiß, so funktioniert Diplomatie nicht, aber stay with me ...) Die ukrainische Regierung kann nun wie folgt argumentieren: "Wenn bis zum Ende des Donnerstags kein Angriff stattgefunden hat, wissen wir, dass er für den nächsten Tag geplant sein muss; dann wäre es aber keine Überraschung mehr. Bleiben noch vier mögliche Tage. Wenn wir bis zum Ende des Mittwochs keinen Angriff erlebt haben, muss er am Donnerstag geschehen, womit das ebenfalls keine Überraschung mehr wäre. Mit dieser Denkmethode können wir auch den Mittwoch, den Dienstag und den Montag ausschließen und schlussfolgern, dass es überhaupt keinen Angriff geben wird, hurra!" Dann aber kommt der Mittwoch, und die Invasion wird durchgeführt, wie von den USA vorausgesagt. Da haben wir unser Paradox. Oder doch nicht?

Laut Ian Stewart sieht es nur "aus wie ein Paradox, ist aber keins". Er führt aus (ich zitiere mit entsprechend auf unser Szenario angepasstem Vokabular): "Die [ukrainischen Regierenden] verkünden jeden Morgen voll Überzeugung: 'Heute wird der [Angriff] sein.' Das tun sie insbesondere an dem Tag, an dem der [Angriff] tatsächlich stattfindet, und können dann mit Recht behaupten, dass der [Angriff] keine Überraschung war. Diese Aussage ist eine Art fauler Zauber – wahr, aber trivial. Einen, der täglich mit der Überraschung rechnet, kann nichts überraschen. [...] Die Unklarheit entsteht dadurch, dass die Akteure der Geschichte [...] nie etwas tun, sondern sich immer nur etwas vorstellen. Ich behaupte hier zweierlei. Erstens hängt das Paradox daran, was man unter 'Überraschung' versteht. Zweitens, und wichtiger: Unabhängig von dem ersten Punkt gibt es zwei logisch gleichwertige Beschreibungen für die Vorhersagestrategie der [Ukrainer]. Eine ist die oben zitierte, die ein echtes Paradox nahelegt; die andere ersetzt hypothetische Handlungen durch echte und macht dadurch aus dem vorgeblichen Paradox eine zutreffende, aber unbedeutende Aussage."

Das ist natürlich nur eine Herangehensweise unter vielen, denn wie wir auf der verlinkten Wikipediaseite lesen, gibt es "in der akademischen Diskussion nach wie vor keine Einigung über die Lösung", i.e. darüber, wo der Fehler in der Logik der Schüler/Angegriffenen steckt. Ich persönlich neige zu der Ansicht, dass das Schein-Paradox nur dann zum Paradox wird, wenn man das Konzept einer "angekündigten Überraschung" überhaupt akzeptiert. Wenn ja, darf das Element Überraschung/Unvorhersehbarkeit bis zum Schluss des Vorhersagezeitraums nicht aufgegeben werden. Bezogen auf den Fall des hinzurichtenden Delinquenten schreibt Wikipedia: "Der Gefangene geht nämlich davon aus, dass die Aussage, er werde in der nächsten Woche überraschend hingerichtet, wahr ist; wenn er aber eine unerwartete Hinrichtung voraussetzt, kann er selbst am Samstagabend nicht davon ausgehen, dass er am Sonntag hingerichtet wird, da dies seiner eigenen Annahme widerspräche. Ergo kann der Gefangene selbst am Sonntag überraschend hingerichtet werden".

Zudem steht, auch darauf weist Wikipedia hin, die Methodik der Rückwärtsinduktion schon auf wackligen Füßen: Die "Argumentation [des Gefangenen / der Schüler / der Ukraine] setzt stillschweigend voraus, dass [er noch am Leben sein wird / sie den Test noch nicht geschrieben haben werden / sie noch nicht angegriffen worden sein wird], um sich sicher oder überrascht zu sein. Oder anders formuliert: Aus der Voraussetzung, dass [die Hinrichtung / der Test / der Angriff] bis einschließlich [Samstag/Donnerstag] nicht stattgefunden hat, ist richtig zu folgern, dass auch der [Sonntag/Freitag] als Termin [der Hinrichtung / des Tests / des Angriffs] ausfällt."

Jaha, da brummt einem der Schädel. Hoffen wir einfach, dass das alles bloß Gedankenspiele bleiben.

Freitag, 11. Februar 2022

In Teufels Küche

Ich mag die Rubrik "Wochenmarkt" im Zeit-Magazin. Das Rezept der letzten Woche sprach mich einmal mehr sofort an und wurde sogleich von mir ausgeschnitten. Es handelte sich um "Gratin aus Wurzelgemüse", im Einzelnen: Karotten, Kohlrabi, Knollensellerie, Kartoffeln. Mmhhh! Am Anfang dieser Woche nun warf ich einen näheren Blick auf die Anleitung. Was las ich da? "Die verschiedenen Gemüse schälen und mit der Mandoline in sehr feine Scheiben schneiden (mit einem Messer ist es zu mühsam)."

Von einem Küchenutensil namens Mandoline hatte ich noch nie gehört! Ich stellte mir eine Art vergrößerten Eierschneider vor, dessen "Saiten" man durch das zu zerteilende Gemüse drückt. (Dass es eher an einen Hobel erinnert, erfährt man, wenn man eine Bildersuche mit den Suchbegriffen "mandoline" und "küche" durchführt.) Wie so oft, wenn ich zum ersten Mal von einer Sache höre oder lese, war auch in diesem Fall auf das Baader-Meinhof-Phänomen Verlass. Just heute schaute ich zum Frühstück die neueste Ausgabe von "8 Out Of 10 Cats Does Countdown", und darin erzählte die Komikerin Sarah Millican, dass sie sich kürzlich mit einer Mandoline (brit. engl. mandolin) aus Versehen eine Fingerkuppe abgetrennt habe! 

Ich hatte schon vorher nicht mit dem Gedanken gespielt, mir so ein Teil zuzulegen, aber spätestens an dieser Stelle schwor ich mir, dass dieses Höllengerät in meine Küche, in der sowieso kein Platz ist, niemals Einzug finden wird. Das ausgeschnittene Rezept werfe ich nun fort.

Mittwoch, 9. Februar 2022

Bürger revisited

Nach fast fünf Jahren seit meinem Beitrag über Maultaschen ist es höchste Zeit, das Sortiment des Maultaschen-Herstellers Bürger erneut zu begutachten. Da hat sich nämlich einiges getan! Die zwei Sorten von gerollten Maultaschen zum Beispiel firmieren jetzt als "Die Gerollten" und kommen als normale Maultaschen und "Frischkäse-Spinat-Taschen" daher. Letztere sind nur eine von zahlreichen fleischfreien Varianten. Neu davon sind: "Bio-Gemüsemaultaschen", "Spinat-Maultaschen", "Frischkäse-Maultaschen" (die letzten beiden waren vormals in einer Sorte vereint) und "Maultaschen 2.0 - Vegan mit Originalgeschmack". Bei den fleischhaltigen sind "Maultaschen mit Hähnchenfleisch" dazugekommen. Aus dem Sortiment verschwunden sind "Saison Pfannen-Täschle Spinat-Käse", "Kloster-Maultaschen mit würzigem Bier verfeinert" und "Maultaschen Leichter Genuss".
In fünf Jahren liefere ich (so 's Herrgottsbescheißerle will) das nächste Update.

Dienstag, 8. Februar 2022

Die papierne Revolution

Eine kleine Sensation ist zu vermelden: Der wöchentliche Werbeprospektepacken, der in diesem Blog wiederholt Gegenstand emotionalster Beiträge war, kommt nach langem Protest nicht mehr in der verhassten Plastikhülle* in die Haushalte. Zumindest nicht in die Frankfurter; in Berlin, davon konnte ich mich mit eigenen Augen überzeugen, wurde die Werbung am Samstag wie gehabt in Plaste ausgeliefert.
Aber wie wird fürderhin sichergestellt, dass die Prospekte zusammengehalten werden? Seht selbst:

historische Aufnahme (6. Februar 2022)

(s. u.a. "Werbeprospekte in der Pandemie"; "Der Frankfurter Coupon-Skandal 2019")

Sonntag, 6. Februar 2022

Happy Birthday, James Joyce!

(Leicht aktualisierte Fassung eines unveröffentlichten Beitrags von 2011)

Der Autor des weltberühmten Romans "Ulysses" ist neulich 140 Jahre alt geworden (wobei er natürlich seit 1941 tot ist). Ich habe "Ulysses" nicht gelesen, wohl aber einige unbekanntere Werke von ihm, nämlich seine Liebesbriefe an eine gewisse Nora. Diese love letters wurden erst vor ein paar Jahren entdeckt und versteigert, und sie sind höchst pikant, um nicht zu sagen pornographisch. Mit einer beliebigen Suchmaschine findet man die obszönen Schriften rasch. Einige Auszüge sollen aber hier – unübersetzt – präsentiert werden. BITTE NICHT LESEN! 
To Nora! [...] My love for you allows me to pray to the spirit of eternal beauty and tenderness mirrored in your eyes or fling you down under me on that softy belly of yours and fuck you up behind, like a hog riding a sow, glorying in the very stink and sweat that rises from your arse." "Nora, my faithful darling, my seet-eyed blackguard schoolgirl, be my whore, my mistress, as much as you like (my little frigging mistress! My little fucking whore!) [...] Sometimes too I shall surprise you asleep, lift up your skirts and open your drawers gently, then lie down gently by you and begin to lick lazily round your bush. You will begin to stir uneasily then I will lick the lips of my darling's cunt. [...] Then I will lick up faster and faster like a ravenous dog until your cunt is a mass of slime and your body wriggling wildly. It was the dirtiest fucking I ever gave you, darling. My prick was stuck in you for hours, fucking in and out under your upturned rump. [...] At every fuck I gave you your shameless tongue came bursting out through your lips and if I gave you a bigger stronger fuck than usual, fat dirty farts came spluttering out of your backside. You had an arse full of farts that night, darling, and I fucked them out of you, big fat fellows, long windy ones, quick little merry cracks and a lot of tiny little naughty farties ending in a long gush from your hole." Hübsch ist dann auch diese Stelle: "Have I shocked you by the dirty things I wrote to you? You think perhaps that my love is a filthy thing. It is, darling, at some moments.
Weitere Passagen a.a.O. Dafür, dass die Zeilen über 100 Jahre alt sind, sind sie nicht nur extrem freizügig (Warum auch nicht? Pornographie gab es über alle Jahrhunderte hinweg), sondern auch recht gut lesbar.

Freitag, 4. Februar 2022

Albernes zum Wochenschluss

Sketchidee

Der berühmte Altorientalist W.W. Hallo erhält einen Telefonanruf.
Hallo: Hallo?
Anrufer: Äh, bei wem bin ich gelandet?
Hallo: Hallo.
Anrufer: Ja, hallo. Mit wem bin ich denn jetzt verbunden?
Hallo: Wen möchten Sie denn sprechen?
Anrufer: Hm, ich wollte eigentlich nur einen Telefonstreich machen.

Ach, das führt zu nichts. Wohlgemerkt: Ich habe nicht versprochen, dass es ein guter Sketch werden würde oder auch nur einer mit normaler Länge.

Mittwoch, 2. Februar 2022

Serientagebuch 01/22

01.01. Master of None 2.01
Master of None 2.02
Master of None 2.03
05.01. The Prisoner (2009) 1.05
The Prisoner (2009) 1.06
The Cockfields 1.01
06.01. The Cockfields 1.02
The Cockfields 1.03
Twelve Monkeys 1.01
07.01. The Expanse 3.12
08.01. The Expanse 3.13
10.01. Twelve Monkeys 1.02
11.01. The Simpsons 33.11
12.01. Family Guy 20.11
13.01. The Expanse 4.01
Twelve Monkeys 1.03
15.01. Person of Interest 2.16
The Expanse 4.02
22.01. Master of None 2.04
Master of None 2.05
Master of None 2.06
23.01. Ordinary Joe 1.01
Twelve Monkeys 1.04
24.01. This Is Us 6.01
The Expanse 4.03
25.01. Ordinary Joe 1.02
Person of Interest 2.17
27.01. This Is Us 6.02
The Expanse 4.04
28.01. Ordinary Joe 1.03
The Book of Boba Fett 1.01
30.01. The Book of Boba Fett 1.02
Twelve Monkeys 1.05

Für viele in der Popkultur Bewanderte gilt die britische SciFi-Thrillerserie The Prisoner von 1967 (dt.: "Nummer 6") als Meilenstein und als weit ihrer Zeit voraus. Vielleicht werde ich irgendwann die Chance haben, mich von ihrer Qualität zu überzeugen, vorerst musste ich mich mit dem AMC-Remake von 2009 begnügen, wo man aus 17 Episoden sechs gemacht hat. Diese sind bis auf die erste leider underwhelming. Dabei war ich von der Ausgangssituation wirklich gebannt, ich hatte schließlich auch für die thematisch verwandte Serie "Wayward Pines" viel übrig, zudem hat man mit Ian McKellen und Jim Caviezel (den ich momentan regelmäßig in "Person of Interest" sehe) ein hochkarätiges Hauptrollen-Duo verpflichtet, und so blieb ich dran. Dass die sechs Folgen flott weggeguckt sind, ist dann aber das größte Lob, das man "The Prisoner" aussprechen kann. Gutgetan hat die Straffung dem Plot nicht: Die Zeitsprünge sind oft so abrupt und großzügig, dass einige Entwicklungen, auch von Charakteren, völlig unverständlich bleiben. Die Rückblicke, die hie und da eingestreut werden, verunsichern ebenfalls mehr als dass sie Klarheit schafften. Kurzum: Es bleiben einfach zu viele Fragen offen. Mehrere tonale Verschiebungen unterstreichen die Unfokussiertheit; Folge 4 zum Beispiel wechselt mit ihrem Romanzen/Verführungs-Thema regelrecht ins Genre der Nachmittags-Seifenoper, es fehlt nur noch der Weichzeichner. Auch wirken die Dialoge zum Teil so unbeholfen, als hätte sie ein Nicht-Muttersprachler geschrieben. Ganz so vernichtend wie die Chicago Sun-Times möchte ich zwar nicht urteilen ("There's also a reason why I am not conking myself on the head with a croquet mallet, but The Prisoner somehow has the same effect"), dennoch ist mein Rat: Spart euch diese Miniserie!

Nach britischer Fernseh-Konvention dem Leitsatz "In der Kürze liegt die Würze" verpflichtet ist auch die Comedy The Cockfields, deren inzwischen erschienene zweite Staffel immerhin den doppelten Umfang der dreiteiligen ersten hat. Hier wird das Vergnügen indes weder durch die fehlende Länge noch durch sonst irgendwas geschmälert. Joe Wilkinson, den ich in seinen diversen Rollen in Ricky-Gervais-Produktionen (zuletzt "After Life") und seinen Auftritten bei "8 Out Of 10 Cats Does Countdown" amüsant fand, hat diese auf der pittoresken Isle of Wight spielende Familien-Sitcom miterfunden, mitgeschrieben und spielt eine der Hauptrollen. Ihm zur Seite steht seine langjährige Sketchpartnerin Diane Morgan, die man ebenfalls aus "After Life" sowie etlichen Charlie-Brooker-Jahresrückblicken kennt. Der Humor ist weniger Joe-Wilkinson-mäßig, als ich erwartet hatte, hat eher einen geerdeten, herzigen Touch von Lebensrealität, bietet aber immer noch genügend Absurdes und Schrulliges.

Über The Expanse gedenke ich in einem bilanzierenden Rundumschlag zu schreiben, sobald ich alle Staffeln gesehen habe, was ich vermutlich in einem Stück über die kommenden Wochen hinweg tun werde. War ich von den ersten beiden Staffeln schon angetan, stellte die dritte für mich den bisherigen Höhepunkt dar. Tatsächlich glaube ich, nachdem ich nun schon die vierte zur Hälfte kenne, dass es danach nicht mehr besser werden kann. Parallelen zu "Game of Thrones" fallen einem auf (im positiven Sinne): Zunächst mäandert alles mehr oder weniger vor sich hin, um schließlich, ähnlich wie in der dritten GoT-Season, in einem Was-zur-Hölle-Moment nach dem nächsten zu münden. Mittlerweile bin ich schon drauf konditioniert, am Ende jeder zweiten Episode eine (meist bombastisch anzusehende) Eskalation zu erwarten. Wie gesagt, mehr und Abschließendes nach Staffel 6.