Nach einer gnädigerweise langen Pause hat mich, und damit auch dieses Blog, das Thema Kannibalismus mal wieder eingeholt. Im Doppelpack. Bevor ich gestern einen Podcast über das in Amerika wohl jedem Schulkind bekannte Schicksal der Donner Party hörte, hatte ich in Jared Diamonds Monumentalwerk "Collapse" das Kapitel über die Osterinsel gelesen. Darin ist (neben dem Fakt, dass die Plattformen, auf denen die Moais stehen, ahu heißen) zu erfahren, dass die Bewohner der Insel, als ihnen neben vielen anderen lebensnotwendigen Ressourcen das Wildfleisch ausging, ihresgleichen verspeisten. Das muss im 18. Jahrhundert begonnen haben. In dieser Periode bildeten sich mündliche Überlieferungen mit "obsessivem" Kannibalismus-Bezug heraus, unter anderem galt es als krasseste Beleidigung, seinem Feind den Spruch "Das Fleisch deiner Mutter hängt mir zwischen den Zähnen!" entgegenzuschleudern. Das zumindest ließ mich schmunzeln. Auch die sonstigen Ernährungsgewohnheiten der Osterinsel-Bevölkerung mögen bei Fremden ein Schaudern auslösen. Von allen archäologischen Ausgrabungsstätten in Polynesien sind die der Osterinsel die einzigen, an denen man mehr Rattenknochen als Gräten gefunden hat. Das Jagen und Essen der Nager war nicht die Ultima Ratio; mangels Fisch, Schalentieren & Co. landeten Ratten en masse im Kochtopf, gerne als Ergänzung zu Fleisch von See- und Landvögeln. Wir sollten das nicht verurteilen. Diamond merkt an, dass er sich aus seiner Zeit im England der späten Fünfzigerjahre an Rezepte für "Sahne-Laborratte" erinnere, die unter Biologen kursierten. Von derartigen kulinarischen Eigentümlichkeiten wusste ich freilich schon aus dem schwerverdaulichen Dokumentarfilm "Rats".
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