(Das ist eine Fußnote zum letzten Beitrag, die mir dort nicht recht reinzupassen schien.)
In dem vorgestellten Buch "Vom Frühling und von der Einsamkeit" gibt es einen Fall aus dem Jahr 1928, der mich an einen älteren Beitrag von mir erinnert hat, in welchem es um das Wort "Mensch" als Beleidigung ging. Ausgangspunkt des Geschehens: ein Wochenmarkt. Der Übeltäter: Gemüsehändler Bösche aus Caputh. Lassen wir Gerichtsreporterin Tergit zu Wort kommen: "Unser Gemüsehändler hat einen wirklichen Hund, ein Dackeltier ohne Leine, zwischen die Kohlstände laufen lassen. Das ist verboten." Auftritt Polizei. "Der Grüne war auf ihn zugekommen und hatte seinen Ausweis verlangt. Bösche und der Grüne kannten sich sehr gut. Bösche sah es nicht ein. 'Mensch', sagte er, 'ich bin doch Bösche, der Gemüsemann, steht doch groß am Stand.' Aber der Grüne – das ist der Staat. Hat der Staat nötig, sich mit 'Mensch' anreden zu lassen?" Der Schutzmann fand: nein, und wollte den Krämer mit auf die Wache nehmen. Der weigerte sich, weswegen er wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt wurde. Nicht jedoch wegen Beleidigung; das Ehrabschneidungspotential der Vokabel Mensch blieb somit bedauerlicherweise unverhandelt. Bedauerlich auch der Ausgang des Prozesses, und die Autorin lässt einmal mehr durchschimmern, was sie davon hält: "Der junge Amtsrichter, verpflichtet, den Staat zu schützen, meint im Urteil: 'Berechtigt zur Festnahme sind die Beamten wohl gewesen, ob es nötig war, steht dahin.' Und er verurteilt Bösche zu 60 Mark Geldstrafe. Sechzig Mark Geldstrafe sind viel Geld, wenn man 25 Mark in der Woche verdient und sieben Mäuler zu stopfen hat. Bösche, bisher unbestraft, will sich nicht dabei beruhigen, und er hat recht."
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