Sonntag, 27. März 2022

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

Don't Look Up
Wenn morgen Nacht die Oscars verliehen werden, greift womöglich auch "Don't Look Up" die eine oder andere Trophäe ab. Unter anderem nominiert ist, zum dritten Mal in Folge, Adam McKay (erneut auch Regie) für das beste Original-Drehbuch, welches er diesmal gemeinsam mit David Sirota geschrieben hat. Gönnen täte ich es ihm, wobei ich den 2019 in dieser Kategorie leer ausgegangenen "Vice" in Sachen Dialogschärfe und Pointiertheit noch überzeugender fand. Ich fürchte fast, hier liegt ein Fall des Phänomens vor, dass die überbordende Starpower (Meryl Streep, Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Cate Blanchett, Jonah Hill, Timothée Chalamet, to name a lot) die Story unter sich begräbt, zumindest deren Feinheiten durch den Eindruck "Mainstream-Kino mit großen Namen" schwerer herauszufiletieren macht. Nun gut, sonderlich vertrackt ist der satirische Überbau nicht. Dass es clevere Spitzen und Seitenhiebe in alle möglichen Richtungen gibt, hat mich erfreut. Unterm Strich: Vergnügen pur!

Antlers
Indigene Mythologie trifft auf kindliche Ängste. Ein gefälliger Mix, dessen Wirksamkeit sicher auch Produzent Guillermo del Toro zu verdanken ist ("Pans Labyrinth" lässt grüßen). Zum Produktionsteam gehört weiters David S. Goyer (Drehbuch zu "Batman Begins", "Batman v Superman: Dawn of Justice" u.v.m.), am Script beteiligt war Nick Antosca (Creator von "Channel Zero", Schreiber bei "Hannibal" u.a.), Regie führte Scott Cooper, der schon einmal eine "Akte X"-Episode inszeniert hat. An "Akte X" fühlte ich mich wegen des Settings und der Themen mehrmals erinnert (Oregon! Wälder! Monster!), und man muss im Nachhinein staunen, dass es die Kreatur, um die es hier geht, nie in den "X-Files" aufgetaucht ist (wohl aber bei "Supernatural"). Der Grusler fährt somit etliche Pluspunkte ein, bleibt aber letztlich nicht lange im Gedächtnis haften.

Die Abenteuer von Brigsby Bär
Diese Tragikomödie mit meinem derzeitigen Lieblings-SNL-Ensemblemitglied Kyle Mooney in der Hauptrolle (der auch am Buch mitgewirkt hat) ist bereits 2017 auf dem Sundance-Festival aufgeführt worden und bis heute ungerechtfertigterweise wenigen bekannt. Die Prämisse, die im Vorfeld nicht zu kennen den Filmgenuss steigert, weist Parallelen zu "Unbreakable Kimmy Schmidt" auf, hat aber gänzlich andere Entwicklungen als jene zur Folge. Ein Feel-good-Movie mit der richtigen Balance zwischen Melancholie und Lebensbejahung plus ausreichend Albernheit und awkwardness, zudem überraschend geadelt mit Mark Hamill und Claire Danes in Nebenrollen.

The God Committee
Erst letztes Jahr erschienen und ebenfalls – wohl coronabedingt – ziemlich weit unter dem Aufmerksamkeitsradar geflogen ist dieses Drama mit Kelsey Grammer und Janeane Garofalo (zwei Namen, deren Schreibung ich jedes Mal nachschlagen muss). Dabei hätte das ernste Sujet, mit dem es sich auseinandersetzt, durchaus mehr Beachtung verdient, i.e.: Organspende und die moralischen Fragen, denen sich Krankenhäuser zu stellen haben, wenn es um die Priorisierungsreihenfolge von Transplantats-Erwartenden geht. Den Kern der rund 100 Minuten machen denn auch die Diskussionen des Transplantations-Komitees aus. Ein Herz ist zu vergeben, drei potentielle Kandidaten stehen auf der Liste, die Uhr tickt, immer wieder kommen neue Pro-und-Kontra-Argumente und alles veränderne Aspekte auf den Tisch. Als ich las, dass dem Film ein Theaterstück zu Grunde liegt, dachte ich: 'Aha, ja, das macht Sinn!' Auf der Bühne hätte ich das Kammerspiel viel lieber gesehen, die cinematographischen Ausschmückungen wie dramatisierende Kamerafahrten hätte es gar nicht gebraucht.

I Am Chris Farley
Nachdem ich neulich "The Chris Farley Show", die hauptsächlich aus Zeitzeugenaussagen zusammengefügte Biographie von 2008, gelesen habe, bin ich nun fast so etwas wie ein Chris-Farley-Experte. Viel hat der Dokumentarfilm von 2015 nicht hinzuzufügen, aber immerhin ergänzen etliche Film-, Sketch- und Privatvideoschnipsel die O-Ton-Parade, in der zahlreiche Weggefährten, denen man im Buch begegnet ist, zu Wort kommen, wobei einige mehr im Spotlight stehen (Brian Stack, hurra!), während andere auf einen Auftritt verzichtet haben, darunter Farleys Second-City-Kommilitonen Chris Rock und Tim Meadows, die damals, in der 16. Staffel (1990/91), mit ihm zusammen bei "Saturday Night Live" angefangen haben.
Das Bild, das ich von dem jung verstorbenen Schauspieler hatte, wurde durch den Film im Wesentlichen gefestigt: Chris Farley war nicht in allen komödiantischen Fächern, wohl aber in den körperbetonten meisterhaft und ein Timing-Genie. Wer mit ihm persönlich zu tun hatte, schwor, dass es keinen lustigeren Menschen unter der Sonne gab, wusste aber um Farleys Selbstzweifel, seine ständige Angst, ein one trick pony zu sein ("Fatty falls down, everybody laughs"), kannte seine zarte Seite und seinen jahrelangen, letzten Endes tödlichen Kampf gegen die Verlockungen von Alkohol und harten Drogen.

Lamb (OT: Dýrið)
... war, glaube ich, "mein" erster isländischer Film. Ich habe ihn im Original mit Untertiteln gesehen und staunte, dass Noomi Rapace Isländisch spricht. Hat sie die Sprache extra für diese Hauptrolle gelernt, und wenn ja, wie gut ist die Schwedin darin?, fragte ich mich. Stellt sich heraus: Die Schauspielerin hat Teile ihrer Kindheit in Island verbracht und spricht daher fließend Isländisch (sowie übrigens auch Dänisch und Norwegisch).
Das Ende hat mir ausgesprochen gut gefallen, bis dahin muss man allerdings einige Längen durchstehen. "Lamb" ist, in einem Wort, weird, und diesen Anglizismus gebrauche ich nicht nur mangels eines trefferenderen deutschen Ausdrucks, sondern auch im Mark-Fisher'schen Sinne. Er ist aber nicht weird um der weirdness willen, sondern dreht sich im Grunde um zentrale Probleme des Menschseins wie Verdrängung, Ausweglosigkeit, Unumkehrbarkeit von Entscheidungen. Das übernatürliche Element ist nur Trägersubstanz – und wird die meiste Zeit weder erklärt noch hinterfragt. Beim Schauen kam mir der ungarische Grotesken-Regisseur Béla Tarr in den Sinn, und als ich dessen Namen tatsächlich im Abspann unter dem Titel des Ausführenden Produzenten las, rief ich: "Ha!"
Fazit: Eindrucksvoll, aber hätte auch mit 20 Minuten weniger Laufzeit funktioniert.

Stillwater
Noch so ein potentieller Blockbuster, der in der Pandemie untergegangen ist (Premiere: 2021 in Cannes). Matt Damon gibt einen burschikosen Blue-Collar-Daddy, dessen Tochter in Marseille eine Gefängnisstrafe wegen Mordes absitzt. Zu Recht? Oder unschuldig? Der Vater, der schließich in Südfrankreich Wurzeln schlägt und dabei auch die weniger hübschen Facetten dieser Region kennenlernt, versucht jedenfalls, die von Abigail Breslin verkörperte amerikanische Studentin zu exkulpieren und heimzuholen. Das Drama lehnt sich mehr oder weniger offensichtlich an den Fall Amanda Knox an und hinterlässt m.M.n. einen unangenehmen Nachgeschmack.

Der Unsichtbare
Meine Erwartungen weit übertroffen hat diese Neu-Interpretation eines klassischen Universal-Monsters. Wir erinnern uns: Mit der "Mumie", die als Flop endete, hoffte man in den 2010er-Jahren das "Dark Universe" zu etablieren, und "The Invisible Man" war ein gerettetes Überbleibsel dieses Franchise-Versuchs. Dass die Modernisierung der ollen Wells-Geschichte gelungen ist, verdankt sich zum einen der Regie Leigh Whannels ("Saw", "Insidious"), zum anderen dem herausragenden Spiel Elisabeth Moss', die ich bis dahin zugegebenermaßen nie als Qualitäts-Garantin auf dem Schirm hatte.

Der Moment der Wahrheit (OT: Truth)
Elisabeth Moss ist auch Teil des Wahnsinns-Casts in diesem Polit-Thriller von 2015. Cate Blanchett und Robert Redford sind dabei die Hauptakteure in der Story der sog. Killian-Dokumente, die sich um George W. Bushs Wehrdienst-Herumdrückerei und die CBS-Sendung "60 Minutes" mit Dan Rather (Redford) drehten. Ich war mit diesem Skandal kaum vertraut, weil ich mich zu dieser Zeit schon nicht mehr so sehr für US-Politik interessierte wie noch zehn Jahre zuvor, umso dankbarer war ich dafür, dass man der Handlung prima folgen konnte – besser noch als denen von "Die Verlegerin", welchen ich vom Unterhaltungsfaktor mit "Truth" auf ein Niveau stellen würde.

Dr. Who and the Daleks
Zum Schluss etwas höchst Obskures (nur "Whovians" mögen weiterlesen): eine nicht-kanonische "Doctor Who"-Verfilmung aus dem Jahr 1965 mit Peter Cushing, der die Rolle des Doktors ein Jahr später in einem weiteren Film übernommen hat. Nachdem die 1963 angelaufene BBC-Serie sich recht zufriedenstellend entwickelt hatte, wollte man die Figuren einem größeren Publikum in Farbe und im Breitbildformat zeigen, besetzte sie aber mit anderen Schauspielerinnen und Schauspielern. Wäre ich Teil des TV-Ensembles gewesen, hätte ich mich ganz schön übergangen und beleidigt gefühlt! Zumal Cushings Interpretation des titelgebenden Zeitreisenden gegen William Hartnells Ersten Doktor extrem abstinkt: Er ist halt eine durch und durch sanfte Großvaterfigur ohne das mysteriöse Fluidum und die gelegentlich aufscheinende grumpi- und snarkiness, die dem Außerirdischen bereits in seiner ersten Inkarnation Ecken und Kanten verleihen. (By the way: Der Doktor, der hier tatsächlich mit "Doctor Who" angesprochen wird, scheint gar kein Alien, sondern lediglich ein irdischer Hobby-Erfinder im fortgeschrittenen Alter zu sein.) Barbara, die in diesem Film Susans Schwester statt deren Lehrerin ist, bleibt großteils blass, und Ian (hier: Barbaras Freund) verkommt zum bloßen comic relief. Dabei waren es in den ersten Classic-Staffeln doch meistens die beiden Lehrkräfte, die die Handlung vorangetrieben und so manche brenzlige Situation entschärft haben. Gelungen ist dagegen die Charakterisierung von Susan: eine tolle Identifikationsfigur für Kinder, furchtlos, neugierig, belesen und (wie Barbara auch) an Wissenschaft interessiert, mithin für diese Ära ganz schön progressiv!
Wirkungsvoll ist auch die Optik der Daleks, ihre Stimmen und ihre Bedrohlichkeit sowieso. Ich finde, hier sind sie sogar noch perfider als in manchen späteren Geschichten, folgen sie doch nicht nur inhärenter, arbiträrer Bösartigkeit, sondern sie erweisen sich als kalkulierend und trickreich, täuschen Kooperationsbereitschaft vor, um ihr expansionistisches Ziel zu erreichen. Die in der Serie eingeführten Thals kommen auch vor. Die Tardis wiederum (die hier immer "Tardis" ohne Artikel genannt wird) hat zwar das gewohnte Außendesign, ihr Interieur macht aber den Eindruck eines besseren Geräteschuppens.
Insgesamt wurden mir kurzweilige 80 Minuten geboten. Das exaltierte Gehabe des Cushing-Doktors sowie ein paar allzu krampfhafte Humor-Einschübe (darunter einen Türöffnungs-Gag, der mir wie eine Vorwegnahme des viralen "Darth Vader being a jerk"-Cuts vorkam) muss man halt ausblenden.

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