Dienstag, 21. Juni 2022

Zwei Tipps für den Haushalt & eine Entschuldigung

Es müssen nicht immer Lebensmittel sein, ich kann ja auch mal Drogerieprodukte empfehlen. Das erste möchte ich allerdings explizit nicht empfehlen! Also. Seit Ewigkeiten bin ich der Marke Frosch wohlgesonnen. Nicht zuletzt wegen des Namens ("Frosch") und des Logos (ein Frosch) ist sie mir sympathisch. Die Aloe Vera Spül-Lotion stand oft bei mir in der Küche. Aber irgendwas müssen die "Frösche" letztes oder dieses Jahr an der Rezeptur verändert haben: Das Spülmittel ist nicht mehr so ergiebig wie zuvor. Ich glaube kaum, dass ich aus heiterem Himmel unbewusst weniger ins Spülbecken getropft habe, und doch war da auf einmal weniger Schaum, ergo: Noch während des Geschirrreinigens ("Geschirrspülen" kann jeder schreiben, aber wann ergibt sich schon die Gelegenheit, ein Wort mit drei -r- zu tippen?) musste ich nachtropfen, und hastenichgesehn war die Flasche leer. Das ist doch mies, gerade in diesen unseren Zeiten (Inflation!). Im Moment verwende ich W5, ebenfalls mit Aloe Vera ("Limited Edition"), und bin zufrieden damit. Gut möglich, dass ich dauerhaft darauf umsteige. Zu Pril sage ich auch nicht nein, vor allem wenn es mal bei dm im Sonderangebot ist; auch da bevorzuge ich die händeschonende Balsam-Sorte.

Von der Küche ins Badezimmer, worin ich ausdrücklich das hier loben möchte:


Seien wir ehrlich: Jede/r von uns befürchtet manchmal eine sich ausweitende Schimmelplage in den eigenen vier Wänden. Doch Experten geben Entwarnung! Zumindest erklärte mir mal ein Sanitärinstallateur das Folgende: Nicht selten handelt es sich bei den bedrohlich wirkenden schwarzen Sprenkeln, Schlieren und Placken bloß um oberflächlichen, mit Seifenresten grundierten Befall in einem harmlosen Anfangsstadium. [hält lächelnd eine Flasche HG Schimmelvernichter in die Kamera] Und hier kommt dieses Wundermittel ins Spiel. Man spritzt die betroffenen Fugen, Ritzen und Zwischenräume mit einigen Millilitern der angenehm nach Chlor riechenden Flüssigkeit ein, lässt ein paar Minuten verstreichen ... Ach, steht eh alles auf dem Etikett! In meinem Bad jedenfalls waren bereits nach der ersten Anwendung alle hässlichen Stellen binnen kurzem weggehext, selbst solche, von denen ich dachte, tödliche Sporen und Myzelmetastasen seien schon tief ins Silikon eingezogen. Der Preis? Nicht der Rede wert. 

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Durchsage: Hier beginnt eine Blogpause. Ich verordne mir eine zweiwöchige Auszeit. Die (vermutlich kaum noch mehr als zehn) regelmäßig Kybersetzung Lesenden bitte ich um Verständnis und Nachsicht. Anfang Juli, spätestens am amerikanischen Unabhängigkeitstag, geht es weiter, wie zu jedem Monatsbeginn mit dem Serientagebuch, dann u.a. mit einem Rezept, meinen zuletzt gesehenen Filmen, einem Videospieltipp, einem Kreuzworträtsel-Fund, Gedanken zum Komplex Wandern und Verirren, einer neuerlichen Grantelei bzgl. der Amazon-Music-App, Reflexionen über Musik im Allgemeinen, Notizen zu Paris und New York und manchem mehr, das ich jetzt noch gar nicht geplant habe. Peace.

Sonntag, 19. Juni 2022

Let's bake! A blast from the past

Wie lange sammle ich nun schon mehr oder weniger ausgefallene Koch- und Backrezepte? Antwort: Länger, als ich selbst gedacht hätte. Im Dokumente-Unterordner "Rezepte" auf meinem Rechenknecht befinden sich ein paar PDFs und HTML-Dateien, die ich im Jahr 1998 heruntergeladen habe! Sie sind von Festplatte zu Festplatte migriert und warten darauf, endlich bzw. mal wieder umgesetzt zu werden. Einige werde ich wohl aufgrund zwischenzeitlich geänderter Ernährungsgewohnheiten nie wieder konsultieren, andere sind, realistisch betrachtet, zu schwierig für mich mit meinen bescheidenen Fähigkeiten.

Ein besonders vertracktes Backrezept wurde nun aber doch ausprobiert, und das kam so. Ich hatte von Weihnachten noch eine Packung Choco Crossies übrig. Leider schmecken mir Choco Crossies nicht mehr. Das Haltbarkeitsdatum rückte näher, wegwerfen wollte ich die Süßigkeit aber freilich nicht. Ich entsann mich dunkel eines Rezepts für eine Choco-Crossies-Torte, das ich auf dem Laptop liegen haben musste ... Tatsache: eine Datei namens Chococrossies-Torte.html, gespeichert am 07.10.98, von einer Seite, die es nicht mehr gibt. Nostalgie und Verzückung überkamen mich, als ich den Quelltext öffnete und ganz oben las:

<!-- Hallöchen Sörfer!! Ist ja schön, daß Du Dich für meinen Quell-Code interessierst. Ich hoffe, es bringt Dir auch ein wenig!!--> 

Wie sehr nach Jahrtausendwende kann etwas klingen?! Hach! Die Rezeptdatenbank, die auch Kreationen wie "After-Eight-Torte" und "Coke-Kuchen" enthielt, ist übrigens nicht als solche aus dem WWW verschwunden. Unter anderer URL und mit neuer Oberfläche ist sie unter backhits.de zu finden; ich bin über den Spitznamen des Creators drauf gestoßen. Das letzte Update ist indes auch schon wieder über zwölf Jahre her, und die Choco-Crossies-Anleitung wurde 2001 eingepflegt. Es besteht also die Gefahr, dass auch diese Adresse früher oder später ins Nichts führt. Wer sich zum Nachbacken bemüßigt fühlt, kann ja im Zweifel mich um das Rezept bitten, denn ich werde das alte HTML-File (sowie einige andere) vorerst nicht löschen.

Nun aber zu meinem Experiment, das, wie angedeutet, ein wenig Ausdauer und Geschick verlangte und bei dem ich froh war, auf die Küche und die Mithilfe meiner Mutter zurückgreifen zu können. Es fängt schon damit an, dass man zwei verschiedene Böden backen muss, wobei einer das Gegenteil von einem Boden ist, eine Auflage sozusagen.


Der obere "Boden", der mit einer Krümelmischung aus Cornflakes und Choco Crossies (bei deren Zerkleinerung man sich einen Thermomix wünscht) bedeckt wird, ist vor dem Aufsetzen in zwölf Stücke zu schneiden, damit sich die Torte später portionieren lässt, ohne dass die Füllung an der Seite herausquillt. Diese wiederum ist eine gewöhnliche Schlagsahne-Füllung, unter die noch mehr Choco Crossies gehoben werden, möglichst feinkörnig zerstoßen, weil man nämlich einen Teil der Creme als Verzierung für ganz oben benötigt und dazu durch die Tülle einer Spritztüte quetschen muss ... Aber das könnt ihr ja alles nachlesen.


Lohnt sich der Aufwand von immerhin fast drei Stunden denn nun? Ein einziges Mal schon, würde ich sagen. Positiv ist auf jeden Fall, dass das Resultat trotz echter Butter und 500 ml Sahne nicht sonderlich "mächtig" ausfällt. Optisch macht die Torte auch was her.

Freitag, 17. Juni 2022

Kurz notiert: Der Frieden von Hans

Der jahrzehntelange Streit um die winzige, unbewohnte Insel Hans im Kennedy-Kanal hat ein Ende. Beigelegt wurde der dänisch-kanadische Konflikt, den die Medien wegen seiner kreativ ritualisierten Austragung gerne "Whisky-Krieg" nannten, mittels der unkreativsten aller möglichen Lösungen: indem man eine offizielle Grenze quer über das Eiland gezogen hat. Einen entsprechenden Einigungsvertrag unterzeichneten diese Woche Kanadas Außenministerin Mélanie Joly, Dänemarks Außenminister Jeppe Kofod und der grönländische Premierminister Múte B. Egede bei einer Zeremonie in Ottawa, an deren Ende noch einmal Spirituosen ausgetauscht wurden, wie u.a. die Süddeutsche Zeitung berichtete. Irgendwie ist es bedauerlich, dass dieses politisch-geographische Kuriosum nun der Vergangenheit angehört, andererseits sind territoriale Auseinandersetzungen nicht lustig. "Angesichts von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine betonte Joly die Bedeutung der friedlichen Einigung in einem Grenzstreit: 'Wir wissen, dass wir diplomatisch zusammenarbeiten können, um Streitigkeiten auf der Grundlage von Regeln und Prinzipien beizulegen.'" (SZ)

Eine nicht uninteressante Fußnote der Chose ist, dass Grönland mit der Teilung der Hans-Insel seine erste Landgrenze bekommen hat. Kanada hat dadurch (nach jener zu den USA) eine zweite erhalten, genau wie das Königreich Dänemark (nach jener zu Deutschland; nein, die Grenze zu Schweden auf der Öresundbrücke zählt nicht). Falsch ist die Behauptung von n-tv: "Die Europäische Union grenzt zukünftig an Kanada!" Grönland ist 1985 nach einem Referendum im Jahr 1982 aus der EG ausgetreten.

Mittwoch, 15. Juni 2022

Into the Learoverse

In meinem "Saturday Night Live"-Durchlauf noch nicht gesehener Staffeln war neulich Episode 29x17 dran (10. April 2004). Host war Janet Jackson, ein Gig, der sich hauptsächlich dem Umstand verdankte, dass Amerika während jener unschuldigen Zeit wochenlang über nichts anderes redete als über den Super Bowl nip slip. (Die Älteren werden sich erinnern.) Jacksons Verpflichtung begünstigte aber auch das Zustandekommen eines Sketches, mit dem ich zunächst nichts anfangen konnte: der Parodie einer Sitcom namens Good Times, in welcher die junge Janet Jackson eine wiederkehrende Rolle gehabt hatte. Nebenbemerkung: Wer sich den verlinkten Youtube-Clip anschaut, wird den vor allem aus Curb Your Enthusiasm bekannten Komiker J.B. Smoove entdecken; der hatte sich nämlich als Ensemblemitglied bei SNL beworben, ist dann "nur" im Schreibteam gelandet, war aber hin und wieder vor der Kamera zu sehen, und dies dürfte sein markantester Auftritt gewesen sein.

Ich wollte Näheres über die Serie wissen und erfuhr so allerlei. "Good Times" lief von 1974 bis 1979 in sechs Staffeln auf dem Sender CBS und wurde produziert von Norman Lear. Und dieser Kerl ist nicht weniger als eine Legende. Er wird nächsten Monat 100 Jahre alt und hat in seiner jahrzehntelangen Karriere Formate entwickelt, die aus der amerikanischen Popkultur nicht wegzudenken sind. Dass er auch bei "The Princess Bride" mitwirkte, ist da nur eine Fußnote. Wie es Gevatter Zufall so will, stolperte ich wenige Tage nachdem ich genannte SNL-Folge gesehen hatte, auf die Meldung, dass ein animiertes Reboot von "Good Times" noch dieses Jahr auf Netflix starten soll – produziert vom unermüdlichen Norman Lear! Leider finde ich die Nachricht nicht mehr; die meisten News dazu stammen von 2020 und vermelden, dass sowohl Seth MacFarlanes Produktionsfirma Fuzzy Door als auch der Basketballspieler Steph Curry darin involviert sein sollen.

"Good Times" ist eine in zweifacher Hinsicht typische Lear-Produktion. Erstens war sie für das Sitcom-Genre einigermaßen fortschrittlich insofern, als sie gesellschaftliche Vielfalt abbildete, das durchschnittliche US-Publikum auch vor unangenehmen Themen nicht verschonte und von der Unterhaltungsindustrie oft übersehene Schichten in den Fokus rückte, in diesem Fall eine von Fortuna nicht gerade begünstigte Schwarze Familie aus den projects (Stichwort Cabrini-Green). Dass die Zuschauer in den wilden Siebzigern durchaus offen für solche Stoffe waren, zeigte sich in den herausragenden Quoten, die erst nach Besetzungsänderungen infolge interner Querelen peu à peu einbrachen.

Das zweite Lear'sche Trademark, für das "Good Times" beispielhaft steht, ist sein, Lears, Geschick darin, die Networks zu überzeugen, eine Kuh bis zum Äußersten zu melken, dabei aber regelmäßiger Frischzellenkuren zu unterziehen, wenn mir diese schiefe Tiermetapher gestattet sei. "Good Times" gilt als das erste Spin-off eines Spin-offs der Fernsehgeschichte. Eine der Hauptfiguren in "Good Times" entstammte der Sitcom Maude: Florida Evans (gespielt von Esther Rolle) hatte die beim Publikum überaus beliebte Haushälterin der titelgebenden Maude verkörpert, und auch ihr Mann Henry Evans (John Amos, u.a. bekannt aus den "Prinz aus Zamunda"-Filmen) war schon bei "Maude" aufgetaucht, wurde für "Good Times" dann allerdings in James umbenannt. Er und Lear überwarfen sich nach Staffel 3, was dazu führte, dass die Figur des James aus der Serie geschrieben = off-screen getötet wurde. So was kennt man ja. Etwas befremdlicher dürfte dagegen die Entscheidung gewirkt haben, die 5. Staffel – nach ungehörten Beschwerden der Darstellerin – ohne die Hauptfigur Florida über den Äther laufen zu lassen, bevor diese in der finalen 6. Staffel zurückkehrte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Einschaltquoten jedoch schon im Sinken begriffen.

Man sieht: Hinter den Kulissen war nicht alles eitel Sonnenschein, doch der Erfolg gab dem Prinzip Lear recht. In der TV-Saison 1974/75 hatten drei der zehn meistgesehenen Serien einen überwiegend afro-amerikanischen Cast, und an allen dreien war Norman Lear beteiligt: "Good Times", "The Jeffersons" und "Sanford and Son". Über die letzten beiden sind separat ein paar Worte zu verlieren. Und zwar jetzt.

Sanford and Son brachte es von 1972 bis 1977 auf 136 Episoden in sechs Staffeln. Den ins Ohr gehenden Titelsong dürfte man auch hierzulande schon mal gehört haben. Weniger bekannt ist, dass die Serie ein Remake der BBC-Produktion Steptoe and Son war (8 TV- und 6 Radio-series, zwei Filme, 1962-1976). Norman Lear war Ausführender Produzent und Co-Developer, tauchte aber nie in den Credits auf, was daran gelegen haben mag, dass er mit dieser NBC-Show quasi seine eigene Konkurrenz lanciert hatte, nämlich zu "All in the Family" auf CBS (dazu gleich). Vater Sanford verkörperte die Stand-up-Legende Redd Foxx (warum hat der keinen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag?), den Sohn Demond Wilson (* 1946). Fun fact: An zwei Drehbüchern von "Sanford and Son" war eine weitere Stand-up-Legende beteiligt, nämlich Richard Pryor! 1977 gab es den Versuch eines Spin-offs ohne die zwei Hauptcharaktere: Von Sanford Arms wurden, mit Norman Lear als Consultant, acht Folgen produziert, vier davon ausgestrahlt, die restlichen vier erst im Rahmen einer Wiederholung 1991. Etwas erfolgreicher war Sanford (1980-1981), das wieder Redd Foxx in seiner alten Rolle zeigte (das Fehlen seines Sohnes wurde damit erklärt, dass dieser an der Trans-Alaska-Pipeline mitarbeitete); Lear hatte damit nichts mehr zu tun.

Noch einmal nach Großbritannien. Dort liefen von 1965 bis 1975, zum Teil noch in schwarz-weiß, sieben Staffeln der Serie Till Death Us Do Part. Aufgrund der berüchtigten Wiping-Praxis der BBC – Bänder wurden routinemäßig überspielt oder gelöscht – sind 16 der 54 Episoden verschollen. Großen Einfluss erlangte die Sitcom so oder so, nicht nur in der Heimat: Etliche Remakes erblickten im Ausland das Licht der Welt, darunter die deutsche Kultreihe Ein Herz und eine Seele und in den USA eben All in the Family. Mit dieser Blue-collar-Comedy landete Schöpfer Norman Lear, wenn auch anfänglich eher bei den Kritikern denn beim Publikum, seinen ersten und gleichzeitig epochalsten Hit. Der TV Guide hievte "All in the Family" auf Platz 4 seiner Liste der "50 Greatest TV Shows of All Time", die Writers Guild of America wählte sie zur viertbestgeschriebenen Serie aller Zeiten, und der Sender Bravo kürte die Hauptfigur Archie Bunker zum "Greatest TV Character". "All in the Family" führte fünf Jahre in Folge die Nielsen-Ratings an, das war vorher noch keinem Format gelungen. CBS ließ zwischen 1971 und 1979 insgesamt 205 Folgen in neun Staffeln produzieren und ausstrahlen. (Bemerkenswert: Knapp zwei Jahrzehnte später startete auf diesem Sender mit King of Queens eine ebenfalls über neun Seasons, sogar mit zwei Folgen mehr, laufende Serie, die sich mit "All in the Family" den Schauplatz teilte.)

Die Serie um Carroll O'Connor als bigotten, aber liebenswerten Familienvater war nicht nur quotenmäßig bahnbrechend, sondern auch inhaltlich. Themen, die zuvor als tabu galten, wurden hier regelmäßig zur besten Sendezeit verhandelt, so etwa (ich übersetze die englischsprachige Wikipedia) Rassismus, Antisemitismus, Untreue, Homosexualität, Emanzipation, Vergewaltigung, Religion, Fehlgeburten, Abtreibung, Brustkrebs, der Vietnamkrieg, Menopause und Impotenz. Wohlgemerkt hat man diese heiklen Terrains nicht erst aufmerksamkeitsheischend in späteren Staffeln betreten; die meisten davon spielten bereits in Season 1 eine Rolle. Später wurden auch noch behandelt: Arbeitslosigkeit, Schusswaffenreglementierung, Partnertausch, Kleptomanie, Hassverbrechen, Spielsucht, geistige Behinderung, Organspende, Cross-dressing, häusliche Gewalt, Medikamentenmissbrauch, Depression, Altersdiskriminierung, Sterbehilfe und, das noch als kleines Kuriosum, Behördenchaos durch Computerfehler (im Jahr 1973!). Jawohl, ich habe soeben alle Inhaltsangaben gelesen. Der Humor kam trotzdem nie zu kurz. Für den gigantischsten Brüller – das Live-Publikum lachte so lange, dass die Szene für die Ausstrahlung stark geschnitten werden musste – sorgte Sammy Davis Jr. (ja, von solchem Kaliber waren die Gaststars), der Archie einen Knutscher auf die Wange versetzte.

Mit dem Finale der 2. Staffel wurde dann das erste Spin-off eingeleitet, die Folge "Maude" war der Backdoor pilot für die gleichnamige Serie, nachdem die Figur der Maude in Episode 2x12 als Cousine von Archies Frau Edith Bunker (Jean Stapleton) eingeführt worden war. Bis 1978 sollte Beatrice "Bea" Arthur (später eines der drei Golden Girls) in der Rolle der an Norman Lears damalige Ehefrau Frances angelehnte Maude Findlay schlüpfen. Galt "All in the Family" schon als progressiv, sollte "Maude" im Verlauf ihrer sechs Seasons noch mehrere Schippen drauflegen, womit Unmut in konservativen Kreisen programmiert war. Die zu Beginn 47 Jahre alte, zum vierten Mal verheiratete Maude war eine ultra-liberale Feministin und ging als erste fiktive Person im US-Fernsehen, die sich einem Schwangerschaftsabbruch unterzieht, in die Annalen ein. Schon in der ersten Staffel, rund zwei Monate vor der wegweisenden Supreme-Court-Entscheidung Roe v. Wade, lief die entsprechende Episode, die zu wiederholen sich Dutzende Affiliates weigerten. Auch von der ersten Staffel an dabei war Haushaltshilfe Florida, die schließlich 1974 ihre eigene Serie erhielt; siehe oben.

Und damit schließt sich der Kreis ... noch nicht ganz: Noch vor Maude, nämlich direkt im Piloten von "All in the Family", wurde der Nachbar der Bunkers, George Jefferson, eingeführt. George und seine Familie verabschiedeten sich in Folge 5x16 ("The Jeffersons Move Up") nach Manhattan. Die Black comedy The Jeffersons konnte sich sagenhafte elf Staffeln lang halten, mit 253 Episoden bis 1985. Weniger Glück war dem Hausmädchen der Jeffersons, Florence Johnston (Marla Gibbs), beschieden, deren Ableger Checking In 1981 nach gerade mal vier Folgen abgesetzt wurde. "The Jeffersons" spielt außerdem im selben Serien-Universum wie E/R (1984-1985, nicht zu verwechseln mit "ER", bei uns "Emergency Room"): Eine der darin vorkommenden Krankenschwestern (Lynne Moody) ist die Nichte von George und Louise Jefferson.

Wenn vorhin der Eindruck entstanden sein sollte, Familie Bunker habe sich "nur" bis 1979 die Ehre gegeben, so stimmt das nicht. Denn angesichts des anhaltenden Erfolgs bestand CBS auf einer zehnten Staffel, während Norman Lear nach dem Motto "Aufhören, wenn es am schönsten ist" einen Schlussstrich ziehen wollte. Der Kompromiss war eine Fortsetzung mit neuem Setting und neuem Titel: Archie Bunker's Place war geboren. Jean Stapleton, die ebenfalls das Gefühl gehabt hatte, die Luft sei raus, ließ sich zu fünf Gastauftritten als Edith Bunker in der ersten Staffel breitschlagen. Ab Season 2 war Archie dann Witwer, Edith war mit einem tödlichen Schlaganfall aus der noch bis 1983 fortgesetzten Reihe gezaubert worden. Die finale, 29. (!) Episode der dritten Staffel stellte dann einen weiteren Backdoor pilot dar, nämlich für Gloria. Darin behauptete sich Archies Tochter (Sally Struthers) 21 weitere Folgen lang als alleinerziehende, von ihrem Partner (Rob Reiner) sitzen gelassene Mutter in Upstate New York.

1994, elf Jahre nach Archies Schwanengesang, wurde Amerika noch einmal in die alte Bunker-Residenz in Queens eingeladen. Das Haus auf der Hauser Street wurde nämlich von Ernie Cumberbatch (John Amos aus "Good Times") und seiner Familie bezogen. Die Serie 704 Hauser, die nach sechs Episoden nicht verlängert wurde, war eine Art "All in the Family" mit umgekehrten Vorzeichen ("A pair of liberal black parents struggles with their conservative son and his white girlfriend"; Wikipedia) und sollte laut Norman Lear ein Zeichen setzen in einer Phase, da reaktionäre Radioformate wie das von Rush Limbaugh fröhliche Urständ feierten – wie auch schon die Radio-Predigten des Antisemiten Charles Coughlin die Initialzündung für den neunjährigen jüdischen Norman gewesen waren, sich zeit seines Lebens auf die Seite marginalisierter Gruppen zu stellen.

Ungefähr zur selben Zeit, da Norman Lear fürchtete, "All in the Family" würde seinen Drive verlieren, nahm er sich vor, auch "Maude" einen Tapeten-, konkret: einen Ortswechsel zu verpassen. Im dreiteiligen Finale der 6. Staffel geht Maude als Kongressabgeordnete nach Washington. Bea Arthur war von dieser Neuausrichtung nicht überzeugt, zumal die Quoten zuletzt ein bescheidenes Niveau erreicht hatten, und ließ sich auf keine Vertragsverlängerung ein. Lear, nach wie vor an das Konzept glaubend, ersetzte kurzerhand die Hauptfigur mit einem afro-amerikanischen Mann (zunächst abermals John Amos, nach "kreativen Differenzen" jedoch Cleavon Little) und realisierte drei Halbstünder von Mr. Dugan. Keine davon wurde gesendet, der Hauptgrund dafür war ein lautstarker Einspruch seitens des Congressional Black Caucus: Die Darstellung des inkompetenten Nachrücker-Politikers Mr. Dugan sei dem Fortkommen der Community nicht dienlich ("The impact would be disastrous"). Lear sah die Bedenken ein, überarbeitete die Drehbücher – jetzt ging es um einen Footballspieler, der über Nacht Präsident einer Hochschule wird – und konnte schließlich im August 1979 die Iteration Hanging In platzieren. Die CBS-Seher hatten kein Interesse daran, auch wenn die zentrale Figur des Lou Harper mit Bill Macy, der ihnen als Maudes Gemahl vertraut war, besetzt worden war. Nach vier Folgen (das scheint die Schicksalszahl zu sein) wurde "Hanging In" gecancelled.

Die gelegentlichen Flops werden durch die Meilensteine, die Norman Lear gesetzt hat, locker aufgewogen. Man kommt an diesem fünffachen Emmy-Gewinner nicht vorbei. Übrigens führt die imdb "All in the Family" unter dem deutschen Titel "Es bleibt in der Familie". Lief die Bunker-Saga womöglich irgendwann synchronisiert im BRD-Fernseh? Ich bin zum Recherchieren zu erschöpft; während ich diesen Beitrag verfasst habe, hätte ich locker "Sanford Arms" und "Checking In" durchbingen können. Dank und Glückwunsch allen, die mir bis hierher gefolgt sind!
 

Montag, 13. Juni 2022

God Save the Bean

International hat die Küche des Vereinigten Königreiches keinen guten Ruf, ja als nahezu ungenießbar gilt alles, was von dort kommt; ein Klischee, das wie so viele Klischees vorrangig auf Unwissenheit gründet. Auch ich hätte noch vor einigen Jahren keine fünf "typisch britischen" Mahlzeiten aufzählen können. Fragt man jemanden nach dem britischen Nationalgericht, wird man am ehesten wahlweise "Chicken Tikka Masala" oder "Fish and Chips" zur Antwort erhalten. Mit Letzterem kommt man dem Wesen der traditionellen UK-Gastronomie schon näher als mit der zwar vielfältigen und gediegenen, aber eben nur importierten "Ostindien"-Speisekarte. Denn soweit ich als Laien-Foodologe das beurteilen kann, lässt sich jenes Wesen ur-britischer Gerichte, die oft in der working class ihre Wurzeln haben, auf die Formel "Fleisch + Fett + kohlenhydratreiche Beilage" herunterbrechen. Trocken hat's der Engländer (pars pro toto) dabei nicht gern: Was Bratöl oder Nierenfett nicht mushy genug gemacht hat, wird in dicker Soße ertränkt oder – da sind wir wieder bei Fish'n'Chips – großzügig mit condiments wie Essig oder HP Sauce übergossen.

In der Serie "15 Storeys High" hörte ich letztens von Toad in the hole, also "Kröte im Loch". Bei diesem so herz- wie nahrhaften Mahl handelt es sich um Würstchen, die in einem Yorkshire-pudding-Teig im Ofen gebacken und gerne mit Zwiebelsoße serviert werden. Wann immer der Name einer solchen Spezialität fällt, sei es in TV-Serien, Filmen oder Büchern, muss ich in Erfahrung bringen, was es damit auf sich hat. Die Faszination ist noch nicht so groß, dass ich versuchen würde, einzelne Gerichte nachzukochen (immerhin an Welsh Rarebit sowie einen Gemüse-Stew habe ich mich schon gewagt), aber meine Sympathie für die britische Küche steigt von Ma(h)l zu Ma(h)l. Ein paar Beispiele:

  • Bangers and mash: Würstchen, Kartoffelbrei, Soße, Erbsen
  • Steak and kidney pudding: Steak und Nieren in einem Teigmantel auf Lammnierenfett- oder Rindertalg-Basis. Die Füllung kann auch variieren, wie es überhaupt von jedem Rezept eine Handvoll Variationen gibt – der Spielraum in der Zubereitung scheint nach der Fleischhaltigkeit das Top-Charakteristikum der cuisine Großbritanniens zu sein.
  • Bubble and squeak: ein ausnahmsweise fleischloses (Reste-)Essen, ein Kartoffel-Kohl-Stampf, in reichlich Butter gebraten
  • Cottage pie: Hackfleisch in Soße, unter Kartoffelbrei gebacken. Auch hier gibt es Varianten, für einen Shepherd's pie etwa nimmt man Lamm statt Rind, und auf die mashed potatoes kann man noch Parmesan streuen.
Pies gibt es mit allen möglichen Füllungen. Als ich 2003 mein Work&Travel-Halbjahr in Neuseeland begann, habe ich wochenlang nichts anderes als Mikrowellen-Pie gegessen (wie etliche Gerichte aus dem Mutterland sind Pies in alle Ecken des Commonwealth gewandert), denn die waren billig, verzehrfertig, sättigend sowie – bevor sie mir zum Hals raushingen – abwechslungsreich und lecker.

Die Maßlosigkeit im Umgang mit Fett, die allgemeine "Grobheit", die Verarbeitung "ungewöhnlicher" Tierteile und die mitunter unappetitlich-lachhaften Namen (Anyone for Spotted dick?) mögen die britische Küche auf "uns" befremdlich wirken lassen. Well, mir erschließt sie sich allmählich. Apropos Spotted dick: Wir haben noch gar nicht über die bunte Welt der Kuchen, Süßspeisen und Desserts gesprochen. Machen wir jetzt auch nicht, denn es würde gar zu weit führen, allein die diversen Sorten von pudding zu behandeln, ein Wort, das zehntausend Bedeutungen zu haben scheint. (Dass ein "Pudding", s.o., etwas Herzhaftes sein kann, war auch so etwas, das ich erst in Neuseeland gelernt habe: "Was zur Hölle ist Blutpudding???") Zu reden wäre ferner über kalte Mahlzeiten wie Jellied eels (Aal in Aspik) oder den Ploughman's lunch. Für heute belassen wir es dabei, Pub grubs & Co. für ihre Bodenständigkeit und Reichhaltigkeit zu würdigen.

Donnerstag, 9. Juni 2022

Promi an Bord

Seht ihr auch manchmal Leute, von denen ihr direkt denkt: 'Der/die ist bestimmt berühmt!'? Mir ist es schon mehrmals so ergangen. Ich erblicke eine Person und fühle aufgrund des Habitus, dass sie prominent sein muss. Zuerst fällt es einem aufgrund von Äußerlichkeiten auf: Die Kleidung enthält ein nicht ganz massentaugliches Gimmick, etwa eine mutige Kopfbedeckung oder schrilles Geschmeide, im Styling werden extravagante Akzente gesetzt. Nach einer Weile machen sich dann zusätzlich gewisse Vibes bemerkbar, das ganze Gebaren fußt auf einem übertriebenen Selbstbewusstsein und signalisiert: Mir gehört die Welt.

Da ich viele Menschen, die in Deutschland als Stars gelten, nicht (er)kenne, wirkt eine solche Begegnung (wenn man es denn so nennen mag) noch lange zaubrisch nach. 'Mit wem ich mir wohl vorhin einen Raum geteilt habe?', schießt es mir noch stundenlang durch den Kopf. Gibt es nicht ein Hörspiel von Helge Schneider, in dem ein Mann einen anderen fragt: "Entschuldigung, sind Sie populär?"? Das zu tun, reizt mich jedes Mal, aber verbietet sich selbstverständlich. Richtig hochkarätige VIPs vermag ich freilich zu identifizieren. Einmal zum Beispiel saß ich mit Kurt Biedenkopf zusammen in einem ICE-Wagen! Überhaupt finden viele solcher mutmaßlichen Celebrity-Sichtungen an Orten statt, die mit dem Bahnfahren in Zusammenhang stehen. Heute erst habe ich in der Frankfurter DB-Lounge einen (unangenehmen) Typen beobachtet, der die oben beschriebene Ausstrahlung ausstrahlte.

Apropos bzw. was ganz anderes ... Seht ihr auch manchmal so etwas vor euch halten und denkt direkt: 'Hach, ich sollte einfach reinspringen, alles hinter mir lassen und mich in ein ungewisses Nirgendwo (Belgien?) transportieren lassen!'? Nein?

Dienstag, 7. Juni 2022

Rhabarberrhabarber

Nachdem es hier kürzlich schon um Erdbeeren ging, möchte ich heute ein paar Worte zum Rhabarber verlieren. Schließlich bildet er zusammen mit dem Spargel die teutonische Trias der Frühlingskulinarik. Die Überschneidung zwischen Erdbeer- und Rhabarberzeit beträgt heuer ungefähr einen Monat. Die Erdbeersaison begann irgendwann zwischen 20. Mai und 1. Juni. (Da gibt es tatsächlich regionale Schwankungen: Schon Ende Mai habe ich in Mecklenburg-Vorpommern die berühmten Früchte von Karls Erdbeerhof gegessen; in einer Meldung aus Sachsen las ich später, dass der Saisonstart ebendort erst am 1. Juni war.) Rhabarber dagegen soll stets letztmalig am 24. Juni, dem Johannistag, geerntet werden. "Soll" deswegen, weil er danach als kaum genießbar, ja sogar als "giftig" gilt, wie der Volksmund nicht müde wird zu warnen. 

Es wurden bereits genügend Witze darüber gemacht, wie die Menschheit herausgefunden hat, ob bzw. dass irgendein Naturprodukt konsumierbar ist (z.B. über die erste Person, die dabei erwischt wurde, wie sie eine Kuh melkte). Man könnte sich nun in einem Sketch ausmalen, wie frühe Menschen in Ostasien (da stammt der Rhabarber her) durch beherzten "Probeverzehr" den optimalen Genusszeitraum austarierten: Gestern hatte der Testesser noch Durchfall, heute hat er nur noch Bauchschmerzen, und so tastet man sich unter hohem Verschleiß von Humankapital an den "Kipppunkt" heran. Nun, so funktioniert das freilich nicht. Es ist auch ein bisschen Willkür im Spiel. Fragen wir uns also: Wieso der Johannistag, der übrigens auch für die Spargelernte den Stichtag (Wortspiel beabsichtigt) markiert? "Die Festlegung dieses Stichtags hat mehrere Gründe", weiß Brigitte. "Zum einen benötigt die Pflanze eine Ruhepause, um sich regenerieren und auf das Folgejahr vorbereiten zu können. Zum anderen wächst das Gemüse bei wärmerem Wetter verstärkt und produziert dadurch mehr Oxalsäure, die in zu hoher Konzentration gesundheitsschädlich sein kann."

Die Betonung liegt hier zum einen auf "gesundheitsschädlich" (statt "letal"; gestorben dürfte nach einer Rhabarber-Fressorgie noch niemand sein), zum anderen auf "in zu hoher Dosis", wir reden hier von mehreren Kilogramm des Obstes. Trotzdem sollte man aufpassen: Oxalsäure kann die Niere schädigen, "und Menschen, die an Nierenproblemen oder Gicht leiden, sollten gänzlich auf den Verzehr von Rhabarber verzichten" (Brigitte). Mit welchen Auswirkungen genau zu rechnen ist und was das alles mit der Bindung von Kalzium zu tun hat, kann man im Netz nachlesen.

Im Netz findet man garantiert auch etliche Rezepte für Rhabarber-Crumble. Ich hatte allerdings noch eins aus dem Abreißkalender von 2013 (!) rumliegen. Das Ergebnis konnte sich schmecken, wenn auch nicht unbedingt sehen lassen:


Ich fügte lediglich noch etwas braunen Zucker hinzu, direkt über die Früchte, da ich befürchtete, diese könnten zu sauer sein und so den ganzen Crumble versaue(r)n. Die Stangen zu schälen ist eine mühsame Arbeit, die ich nicht zu wiederholen plane, und obendrein eine gehörige Schweinerei. Roter Fruchtsaft spritzt dabei in alle erdenklichen Richtungen. Da ich dies, u.a. durch Textilunfälle mit Granatäpfeln, im Vorfeld erwartet hatte, führte ich die (zudem zeitintensive) Betätigung lediglich in Unterhose bekleidet durch.

Sonntag, 5. Juni 2022

Es wird wieder geknabbert

Jepp, es ist Zeit für zwei weitere Rezensionen von Knabberprodukten – bei denen es sich nicht um Chips handelt. Und wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet eine Cracker-Sorte schaffen würde, auf Anhieb in die Top 5 der besten Knabbereien, die ich je gegessen habe, zu springen? Aber halt!, es sind ja keine schnöden Cracker, sondern Cracker Crisps, die von der Firma McVitie's (nie gehört) seit kurzem via Rewe (womöglich auch woanders) unters Volk gebracht werden. Zumindest sind sie mir zuvor nie aufgefallen. Mein Verdacht, dass es sich wirklich um eine Novität handelt, die nicht nur mich anspricht, wurde heute bestärkt, als ich die Stelle im Regal, wo die McVitie's einsortiert waren, bis auf drei Tüten völlig leer vorfand. Diese drei Tüten enthielten Crisps in einer anderen Geschmacksrichtung als jene, die ich testete. Insgesamt gibt es derer drei, und zumindest für Smoky Barbecue Flavor kann ich meine Hand ins Grillfeuer legen. Ein so hervorragendes Barbecue-Aroma ist mir selten begegnet: rauchig, edel-pikant, leicht süß, rustikal, wild, aber nicht zu ungebändigt ... okay, jetzt gehen mit mir werbesprachlich die Pferde durch. Das Geheimnis der Vollmundigkeit scheint darin zu liegen, dass diese Cracker die perfekte Dicke haben und "baked, not fried" sind (Packungsaufdruck). Der Hauptbestandteil ist mit 35 % Weizenmehl, drin sind ferner Kartoffeln, Sonnenblumenöl, Hefeextrakt, getrocknete Tomaten, getrockneter Knoblauch, getrocknete Zwiebeln (schmeckt man zum Glück kaum), Zucker, Säureregulator, einiges an Standardzeug mehr sowie – das soll der Fairness halber nicht verschwiegen werden – der Emulgator E472e. Welche Zutat auch immer mein Suchtzentrum aktiviert hat, ich konnte nicht anders, als eine ganze Packung (110 Gramm) an einem Abend zu verputzen. 9/10 Punkten vergebe ich dafür.


1,99 Euro, und damit über 50 Cent mehr als die eben vorgestellten Cracker, kostet der Mini-Pizza-Snack von Pizotti. Ist er es wert? Klares nein. Zwar punktet die schlanke Zutatenliste mit Natürlichkeit (23 % passierte Tomaten, Sonnenblumenöl, Hefe, Oregano und eine Handvoll Dinge mehr) und Palmölfreiheit, doch der unterm Strich bescheidene Geschmack rechtfertigt den Preis für gerade mal 100 Gramm nicht. Ich hatte die Sorte Pomodoro/Tomato/Tomate; womöglich sind die anderen (Peperoni, Knoblauch) überzeugender und näher dran am suggerierten Italo-Flavour. Auch sagt mir weder die Höhe (zu dick) noch der Radius (zu groß) zu. Gibt oder gab es nicht ein Konkurrenzprodukt, das viel handlicher und filigraner daherkommt und dem Konzept "Mini"-"Pizza" eher entspricht? Sorry, diese faden Kräuterscheiben haben nicht mehr als 3/10 Punkten verdient.


Freitag, 3. Juni 2022

Wer hat die Ananas geklont?

Bei Rewe entdeckte ich ein Obst, das als "Ananas-Erdbeeren" für saftige 4,99 € pro 100 Gramm verkauft wurde und so aussieht:


Mir war bekannt, dass man in Österreich zu Erdbeeren mitunter "Ananas" sagt. Warum, habe ich eben in einer Falter-Kolumne nachgelesen: "In Amsterdam tauchte um 1750 eine neue Art von Erdbeeren auf, die zufällig in Frankreich aus zwei amerikanischen Erdbeerarten entstanden war, die in ihrer Heimat nicht gemeinsam vorkommen: die kleine kanadische Scharlach-Erdbeere und die hühnereigroße Chile-Erdbeere. Die Holländer nannten die neue, selbstentstandene Sorte des Geschmackes und der Form wegen Ananas-Erdbeere. Sie ist die Urstrumpftante unserer Gartenerdbeere (fragaria ananassa) und heißt im pitzlerischen Wien seit dieser Zeit botanisch hochkorrekt Ananas." (Um das Wort "Urstrumpftante" wollen wir uns jetzt nicht auch noch kümmern.)

Die im Supermarkt angebotenen Früchte sind nun wiederum etwas ganz anderes, nämlich ein recht junger Klon der Gartenerdbeer-Sorte "Weiße Ananas", wie uns Wikipedia lehrt. Unter anderem in England wird sie als Pineberry vermarktet, ihr Geschmack soll an Ananas erinnern.

Mittwoch, 1. Juni 2022

Serientagebuch 05/22

02.05. The Cafe 2.03
03.05. The Simpsons 33.19
Family Guy 20.17
04.05. The Cafe 2.04
Der junge Inspektor Morse 1.01
Servant 3.03
The Legend of Vox Machina 1.07
05.05. Doctor Who 13.07
06.05. Servant 3.04
Servant 3.05
09.05. The Legend of Vox Machina 1.08
12.05. Der junge Inspektor Morse 1.02
13.05. The Cafe 2.05
The Simpsons 33.20
Doctor Who 13.08
Servant 3.06
14.05. Family Guy 20.18
Servant 3.07
16.05. This Is Us 6.15
The Cafe 2.06
Der junge Inspektor Morse 1.03
17.05. Servant 3.08
Servant 3.09
Servant 3.10
18.05. The Simpsons 33.21
The Legend of Vox Machina 1.09
19.05. The Cafe 2.07
The Cafe 2.08
20.05. This Is Us 6.16
Family Guy 20.19
Der junge Inspektor Morse 1.04
23.05. Night Sky 1.01
24.05. Twelve Monkeys 2.01
The Simpsons 33.22
This Is Us 6.17
25.05. Der junge Inspektor Morse 1.05
This Is Us 6.18
27.05. The Legend of Vox Machina 1.10
28.05. Family Guy 20.20
Night Sky 1.02
Night Sky 1.03
31.05. Twelve Monkeys 2.02
Twelve Monkeys 2.03

Weil das Regenerations-Special noch eine Weile hin ist (Sendetermin: "Herbst"), habe ich mich entschieden, diesmal in einem Abwasch und in aller Kürze die 13. Staffel von Doctor Who inklusive der zwei bisher gelaufenen Specials zu besprechen.
Festzuhalten ist zunächst, dass die corona-bedingte Kürzung der geplanten elf Episoden auf sechs kein Segen war. Auch die Entscheidung für eine durchgehende Handlung anstelle von Einzelgeschichten erwies sich als unglücklich – und wurde ganz offensichtlich erst gefällt, als man bereits einige Storys für alleinstehende Folgen auf dem Tisch liegen hatte (eine Mutmaßung, die nicht nur von mir kommt). So wirkt der ganze Plot um den "Flux" an vielen Stellen übergestülpt und ziellos. Insbesondere der Auftakt wurde so krampfhaft auf epic getrimmt, dass er bei mir das Gegenteil bewirkt hat: Ich habe mich gelangweilt, als mir der dritte Handlungsstrang in einem dritten Setting vorgesetzt wurde. Man kann so eine Expositions-Parade halt nicht beliebig auf die Spitze treiben. Besser wurde es erst mit der Rückkehr der Weeping Angels und der Einführung der Grand Serpent. Freude hatte ich daran, Jacob Anderson aus "Game of Thrones" und Craig Parkinson aus "Line of Duty" wiederzusehen.
Das New-Year's-Eve-Special ließ mich sofort aufstöhnen, als klar wurde, dass hier schon wiiiieder das "Murmeltier-Prinzip" durchgespielt wird: An sich eine für diese Serie einleuchtende Idee, die allerdings mindestens fünf Jahre zu spät kam. Die Variation der Zeitsprung-Mechanik, i.e. die Schleife in jeder Iteration eine Minute später beginnen zu lassen und so mit einem (zu Silvester passenden) Countdown zu verknüpfen, war im Grunde clever, doch wurde das dadurch entstandene Bedrohungs-Szenario kaum ausgereizt. Zudem ist eine Feiertags-Sonderfolge m.M.n. nicht für eine Bottle episode geeignet; ich erwarte Bombast und das Gefühl, etwas Besonderes zu erleben. Aber klar, es musste einmal mehr gespart werden. Wenigstens die begnadete Komikerin Aisling Bea als Gaststar hat mich ein wenig versöhnt, ebenso einige Sprüche der Daleks.
"Legend of the Sea Devils", das zu Ostern ausgestrahlte Spezial, hat mich dann noch mehr versöhnt und den sinnlosen "Flux"-Arc fast vergessen lassen. Dass auch hier das Budget limitiert war, ist mir gar nicht so sehr aufgefallen wie anderen, und dort, wo es das tat, hat es mich nicht gestört: Die Gummimasken der Sea Devils fand ich großartig, und von Seeschlachten weiß man eh, dass sie viel kosten und selbst heutzutage schwierig umzusetzen sind. Bei mir als Piraten-Fan hatte die Szenerie sowieso gleich einen Stein im Brett. (Die chinesische Piratin Ching Shih kannte ich bereits aus irgendeinem Maritim-Museum, vielleicht dem in Duisburg?)
Dem Schwanengesang des 13. Doktors sehe ich nun vorfreudig entgegen, nicht nur weil dann endlich ein Strich unter die unselige Chibnall-Ära gezogen wird, sondern vor allem wegen der Wiederkehr zweier Classic-Companions. Ich gestehe, dass ich, als diese im Trailer gezeigt wurden, feuchte Augen bekam. Auf den neuen Doc bin ich natürlich ebenfalls gespannt.

Können wir kurz darüber reden, wie fantastisch es ist, in einer Zeit zu leben, in der es zu nahezu jedem popkulturellen Erzeugnis qualitativ hochwertige Video-Essays auf YouTube gibt? Auf meiner "Später ansehen"-Liste steht ein über fünf(!)stündiges Video über die eben angesprochene Ära Chibnall ("The Fall of Doctor Who"), und erst gestern sah ich eine prägnante Analyse titels "The Absolute Worst of Modern Simpsons". Darin wird einiges, woran ich mich bei The Simpsons aktuell stoße, auf den Punkt gebracht. Dass diese Kultshow in 33 Jahren gehörig an Pfiff, Humor und Subversion eingebüßt hat, ist freilich keine schockierende Erkenntnis. Die erste Folge der soeben zu Ende gegangenen Staffel war aber wirklich furchtbar; mehr als einmal ertappte ich mich bei ungeduldigen Blicken auf die Zeitleiste. Trotzdem: Für den ein oder anderen Lacher waren die restlichen Episoden doch gut, und mit "Bart's in Jail!" (33.02), "Boyz N the Highlands" (33.13) und "Marge the Meanie" (33.20) waren drei Gag-Feuerwerke darunter, die ich als instant classics labeln würde. Fazit: Wird weiter geguckt, nützt ja nix.

Weitaus zuverlässiger liefert nach wie vor Family Guy ab, das ich vor circa zehn Jahren beinahe aufgegeben hätte. Womöglich kriegen ja auch die "Simpsons" erneut die Kurve, in Season 50 oder so.

Wenig anzumerken gibt es über Servant. Optik, Atmosphäre und schauspielerische Leistungen sind gewohnt on point, doch könnte sich allmählich mal herauskristallisieren, worauf die kommende vierte und letzte Staffel eigentlich zuzusteuern gedenkt. Im letzten Jahr hatte ich die Mystery-Geschichte noch als "angenehm undurchsichtig" gepriesen, künftig wünsche ich mir aber, wie die Zeitschrift Cinema übrigens auch, etwas mehr Klarheit. Nun gut, die Finalfolge endet ja immerhin mit einem veritablen Boom. Was fiel sonst noch positiv auf? Insektenhorror! Die Beibehaltung der überdrehten Foodporn-Momente. Dass das Kindermädchen Leanne diesmal viel mehr Dialogzeilen bekommen hat und allgemein stärker agieren darf, was ihrem geheimnisvollen Charakter indes nichts wegnimmt. Und dass es etliche Neuzugänge im Schreib- und Regie-Stab gibt: Folge 9 beispielsweise wurde von einem im Psychohorror-Fach nicht unerfahrenen österreichischen Duo inszeniert, nämlich Veronika Franz (Ehefrau von Ulrich Seidl!) und ihrem Neffen Severin Fiala.

Apropos: Auch in der 6. und abschließenden Staffel von This Is Us haben wieder mehrere Darstellerinnen und Darsteller hinter der Kamera gestanden und sich an Drehbüchern beteiligt. So eine besondere Verbundenheit von Schauspielern mit ihren Figuren tut dem Stoff gut.
Ich hatte nie viele Worte zu "This Is Us" übrig. Was soll ich sagen? Es war eine durchweg tolle Serie zum Weinen, Staunen und Mitfiebern, die genau die richtige Länge hatte und befriedigend geendet ist.

Ganz neu ist für mich die Welt des Inspector Morse, der berühmtesten Schöpfung des britischen Kriminalschriftstellers Colin Dexter (1930-2017). Von 1987 bis 2000 trat die Figur in einer gleichnamigen ITV-Serie auf, die sich so großer Beliebtheit erfreute, dass man 2012 mit Der junge Inspektor Morse (OT: Endeavour) ein Prequel installierte, welches noch in diesem Jahr mit seiner inzwischen 9. Staffel enden wird. Die Folgen gehen jeweils satte 90 Minuten, sind also vielmehr Filme, sind in sich geschlossen und genial konstruiert. Man muss seine Aufmerksamkeit geschärft halten, will man die Lösung des jeweiligen "Whodunits der Woche" nachvollziehen. Wer mich kennt, weiß, dass ich auf solche klassischen Murder Mysterys stehe. Dass die Fälle im Oxford der Sechzigerjahre – häufig im Universitäts-Milieu – angesiedelt sind, trägt zusätzlich zu einer Altmodischkeit im besten Sinne bei.

Etwas Lustiges von der Insel durfte auch in diesem Monat nicht fehlen. Wobei The Cafe, das von 2011 bis 2013 lief, nicht übermäßig viele laugh-out-loud-Momente bereithält, au contraire: Ein wenig rührselig, geradezu seifenopernhaft dramatisch geht es gelegentlich zu. Doch gerade die bunte Emotions-Mischung, in Kombination mit dem liebreizenden Flair eines englischen Küstenstädtchens (Originalschauplatz: Weston-super-Mare), macht die kurze Sky-Produktion, in der übrigens "Fleabag" Phoebe Waller-Bridge ihre erste große Rolle hatte, zu einem Guilty pleasure. Man möchte sich direkt zu Möwengekreisch und steifer Brise in einen Plaid kuscheln und Scones verputzen (die mir bis dahin gar nicht bewusst gewesene Streitfrage, ob man zuerst Butter und dann Marmelade auf einen Scone schmieren soll oder erst die Marmelade und dann die Butter, gerät in einer Episode zum Running Gag).