Samstag, 23. Juli 2022

"Abenteuer" in Paris

Nach mehr als 20 Jahren (!) war ich kürzlich mal wieder in Paris. Wenige Wochen zuvor hatte ich ein Detail den Nahverkehr dieser Stadt betreffend gelesen, das ich mir zu überprüfen vorgenommen hatte. In der Geschichte "Urlaub aus privaten Gründen" in Richard Yates' Short-Story-Band Verliebte Lügner gibt es folgende Passage:

"Wow", sagte Mueller im U-Bahnhof; er hatte sich schon immer leicht getan, wenn es darum ging, etwas herauszufinden. "Siehst du, wie das funktioniert? Du drückst den Knopf dort, wo du gerade bist, und dann den Knopf dort, wo du hin willst, und die ganze verdammte Strecke leuchtet auf. Man muß schon ein Idiot sein, um sich in dieser Stadt zu verirren."

Dazu muss man wissen, dass diese Geschichte kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielt. Nach persönlich durchgeführtem Faktencheck kann ich heute versichern: Diese Wundertechnologie, sollte es sie je gegeben haben, existiert im Jahr 2022 nicht mehr. Die Metro-Automaten bieten zwei Optionen des Ticketerwerbs an. Entweder man zieht direkt ein Einzelfahrt-Ticket, ein Zehnerbündel oder ein sonstiges Pauschalangebot für die Paris-Region, die Innenstadt plus Flughafen oder wo auch immer die Strecke liegt, die man zu fahren wünscht. Oder man lässt sich die für einen sinnvollste Fahrkarte "berechnen", indem man einen Ziel- und einen Endpunkt wählt. Diese zweite Möglichkeit klingt zunächst einmal ähnlich der literarischen Beschreibung; ob die ermittelte Route jedoch "aufleuchtet" oder wenigstens verbaliter angezeigt wird, konnte ich nicht herausfinden, weil ich überhaupt nicht so weit kam: Unsere angepeilte Zielstation war nämlich gar nicht aufgelistet. Also hieß es Einzel-Billets kaufen und dann auf dem schwindelerregenden Streckenplan die günstigste Tour mit dem Finger abfahren und sie sich merken, wie so ein Tier. Beziehungsweise andersherum. Die Benutzung der Öffi-App oder einer sonstigen Online-Hilfe war ausgeschlossen, denn weder in den Untergrundstationen noch in den Bahnen gibt es WLAN. Nun ja, ich habe schon ganz andere Großstadtlabyrinthe (mehr schlecht als recht) überlebt, aber eine Erfahrung, bei der man sich nicht wie "ein Idiot" fühlt, war das nicht gerade.

Amüsanter war da schon die Erfahrung beim Frühstück. In unserem Hotel gab es nämlich einen Eierkoch-Automaten! Also keinen gewöhnlichen Eierkocher, sondern ein Wasserbad zum Eierkochen. Ich sah das Ding, erblickte auch den Stapel Eier daneben, mein Gehirn stellte aber den falschen Zusammenhang zwischen beidem her. Ich dachte, das Personal hätte die Eier bereits in jenem Heißwasserbad zubereitet und sie dann daneben abgelegt. Also nahm ich mir eines der Eier mit an den Tisch und merkte erst dort, dass es noch roh war.


Das habe ich natürlich nicht gegessen! Ich machte mir wie vorgesehen ein richtiges Frühstücksei. Dass es beim Eintauchen platzte: geschenkt.


So ein Selbstkoch-Service, wie ich ihn übrigens noch nie in einem Hotel gesehen habe, hat freilich den Vorteil, dass der Gast sich ein Ei mit seiner bevorzugten Festigkeit zaubern kann (ich stellte mir den Handy-Timer auf 8 Minuten; ich mag es wachsweich). Der Nachteil ist, dass es keine Möglichkeit gibt, das fertige Ei abzuschrecken. Man muss also weitere zehn Minuten warten, bis das Ei auf eine erträgliche Temperatur abgekühlt ist. Œuf!

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