Heute vor zehn Jahren erschien Heft 395, und anscheinend gab es damals eine Organspende-Debatte:
Ja, hm, mein Lieblingstitel ist das nicht. Merkel erlangte, obwohl es über die Jahre hinweg einige mehr oder weniger bedeutungsfreie Quatschtitel mit ihr gab, nie den Status von Helmut Kohl, der spätestens ab 1992 (elf von zwölf Covern zeigten den Kanzler) zur gänzlich entpolitisierten Blaupause verkommen war: Aktuelles Thema + Kohl = lustiger Titel, das war die simple Titanic-Erfolgsformel, die mit dem Summanden Merkel nicht recht funktionieren wollte – und nachdem Merkel zur ultimativen Hassfigur der Rechten wurde, rückblickend noch schlechter funktioniert. Damit will ich nicht sagen, dass Gags, die mit der menschlichen bzw. tapsig-niedlichen Seite des Machtmenschen Merkel spielen, überhaupt nicht zünden; es folgten noch mehrere sehr gelungene, wie wir in zukünftigen Ausgaben dieser Reihe sehen werden.
Der Aufmacher der September-Ausgabe war eine Telefonaktion, die ich völlig vergessen hatte, obwohl ich daran beteiligt gewesen war. Als gemeinnütziger Verein "Der kleine Finger" riefen wir bei Adeligen und (mutmaßlichen) Millionären im Lande an, um sie für karikative Einsätze zu gewinnen ("Jungkriminelle könnten sich mal auf Ihrem Rittergut einen schönen Tag machen"), als alternatives Angebot zur seinerzeit diskutierten "Reichensteuer". Wie zahlreiche Anruf-Aktionen der Post-Sonneborn-Ära war sie nur mäßig erfolgreich und fiel auch vom Seitenumfang her recht dünn aus.
Ein feiner Spaß hingegen war der selbstgeschossene Fotoroman "Bis(s) zum Scheidungsprozess". Anlass: "Robert Pattinson und seine Freundin Kirsten – Hollywoods schönstes Vampirpaar steht vor dem Pflöckel-Aus!" Die Produktion dieser Fotostory mündete in einem der sehr raren Momente, in denen ich Michael Ziegelwagner wütend erlebt habe: Sich in einem Hundekostüm mit Windel auf einem gut besuchten Kinderspielplatz ablichten zu lassen, war der Demütigung dann doch zu viel.
Die weibliche Hauptrolle spielte unsere Praktikantin Hatun, welche überhaupt in diesem Monat heavily featured wurde und viele tolle Ideen beizusteuern hatte. Unter anderem ersann sie die Doppelseite "Die Parteien aus Sicht der Parteien", die sich in Posterform zu einem veritablen Verkaufsschlager auswuchs.
Den unschätzbaren Wert der Titanic als Chronistin sieht man an vielen Stellen, herausgreifen möchte ich exemplarisch Mark-Stefan Tietzes Artikel über Bubble Tea, allein wegen des sensationellen Visualizings:
Bemerkenswert, dass die Bubble-Blase kurz nach der Hochphase im Sommer 2012 platzte (auch wenn die medial aufgebauschte Erstickungsgefahr dabei nur ein untergeordneter Faktor war), nur um ein paar Jahre später neu aufzusteigen. In den meisten Städten, obschon nicht an jeder Ecke, kriegt man den fernöstlichen Spezialtee heutzutage wieder.
Ein Blick in "55ff" lässt mich lachen, habe ich doch bereits in der gerade mal zweiten Folge die Meta-Schraube gleich dreimal überdreht. Neben einem Editorial, in dem angekündigt wird, dass in dieser Rubrik "ab sofort alles anders" ist, "aber gleichzeitig so gemütlich und ehrlich, wie Sie es von uns gewohnt sind", finden sich auch noch diese Kästen, deren Humor sich bestimmt nicht jedem erschlossen hat:
Apropos Rubrik: "Das neue deutsche Volkslied" feiert Premiere! In der Einleitung heißt es: "Während einer Redaktionswanderung durch den Taunus wurde klar: Kaum einer unserer Jahrgänge kennt noch deutsches Liedgut." Das stimmt! Jene Wanderung unternahmen Leo Fischer, Birgit Staniewski und ich, und bei ebenjenem Gespräch über deutsches Liedgut schlug Birgit vor, ihren alten Freund Simon Borowiak zu fragen, sich doch mal neue Volkslieder auszudenken, die dann exklusiv in Titanic erscheinen könnten. Das tat er, und für die Vertonung konnte er den preisgekrönten Komponisten Moritz Eggert gewinnen. Ja, diese Reihe war was für Genießer.
Weiteres Notierenswertes
- Das war die Phase, in der Kamagurka seine Werke gemeinsam mit Pedro, einem Assistenten oder Zeichenpartner oder was, anfertigte, sie waren mit "von (K) und (P)" überschrieben. Übrigens liefert Kamagurkas Büro die Cartoonvorschläge stets digital und in englischer Sprache an Titanic. (Flämisch sieht zwar ulkiger aus, wird aber von niemandem verstanden.) Nach der Auswahl der Cartoons werden die Texte ins Deutsche übersetzt (zurzeit übernimmt das Chefredakteur Hürtgen, damals fiel diese Aufgabe oft mir zu) und an Kama geschickt, der sie dann neu lettert.
- Ungewöhnlich: Ein Gedicht von Dietmar Dath in der Humorkritik.
Schlussgedanke
Keine legendäre Nummer, aber schön abwechslungsreich und wie immer ein lehrreiches Zeitdokument.
- Das war die Phase, in der Kamagurka seine Werke gemeinsam mit Pedro, einem Assistenten oder Zeichenpartner oder was, anfertigte, sie waren mit "von (K) und (P)" überschrieben. Übrigens liefert Kamagurkas Büro die Cartoonvorschläge stets digital und in englischer Sprache an Titanic. (Flämisch sieht zwar ulkiger aus, wird aber von niemandem verstanden.) Nach der Auswahl der Cartoons werden die Texte ins Deutsche übersetzt (zurzeit übernimmt das Chefredakteur Hürtgen, damals fiel diese Aufgabe oft mir zu) und an Kama geschickt, der sie dann neu lettert.
- Ungewöhnlich: Ein Gedicht von Dietmar Dath in der Humorkritik.
Schlussgedanke
Keine legendäre Nummer, aber schön abwechslungsreich und wie immer ein lehrreiches Zeitdokument.
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