In dem antiquarisch erstandenen Lehrbuch Deutsche Rechtsgeschichte von 1954 (das hier in Zukunft noch eine Rolle spielen wird) las ich in Bezug auf den Sachsenspiegel, das wichtigste deutsche Rechtsbuch des Spätmittelalters: "Noch 1933 zitierte ihn das Reichsgericht".
'Oho, sieh an, das ist ja höchst interessant', dachte ich, und direkt darauf: 'Ob es auch noch Gerichtsentscheidungen nach Erscheinen dieses Fachbuches gab, in denen sich auf den Sachsenspiegel berufen wurde?' Im Handumdrehen war herauszufinden, dass es mindestens eine solche gibt, nämlich eine Bundesgerichtshof-Sache von 1989 (Az. III ZR 266/87)! Geklagt hatte damals das Land Schleswig-Holstein gegen die Bundesrepublik Deutschland; geklärt werden sollten "die eigentumsrechtlichen Verhältnisse bestimmter Land- und Wasserflächen im Bereich des Auslaufs der Kossau aus dem Großen Binnensee in die Ostsee (Hohwachter Bucht)". Wer die vertrackte Causa, in der es um Molenausbau, Wasserstraßen und Hafenverkäufe geht, nachzuvollziehen versuchen möchte, kann hier das Urteil einsehen. Ich beschränke mich darauf, den Satz zu zitieren, mit welchem die Stellung der genannten historischen Quelle bekräftigt wird: "Der als Landesrecht mit Vorrang vor dem Gemeinen Recht anzuwendende Sachsenspiegel bestimmt über das Meeresufer nichts". Okay, weitergeholfen hat es offenbar nicht, aber dass der Senat neben der Weimarer Reichsverfassung, dem Staatsvertrag von 1921 und dem preußischen Wassergesetz auch einen Text, der zwischen 1215 und 1235 entstanden ist, konsultiert hat, finde ich faszinierend.
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