Vorgestern erschien die 500. Folge meines Lieblings-Podcasts "The Omnibus". Es ist so beachtlich wie beruhigend, dass die Fangemeinde nach wie vor mit zwei neuen Ausgaben pro Woche beglückt wird, selbst nachdem Co-Host Ken Jennings nun hauptberuflich dauerhafter Co-Host von "Jeopardy!" ist. Und sollte der Output irgendwann gedrosselt werden, gibt es immer noch zahlreiche ungehörte Episoden, mit denen ich mir so manche Zugfahrt versüßen kann, indem ich mir von zwei sympathischen mittelalten Dudes mit viel Witz, Klugheit und Eloquenz abseitiges Wissen vermitteln lasse.
Kurz vor dem Jubiläum habe ich mal zielgerichtet den Backkatalog durchstöbert: Ich hatte, glaube ich, in der Vergangenheit schon einmal vermerkt, dass sich mehrere "Omnibusse" mit Kapiteln der deutschen Geschichte befassen. Diese habe ich in einer Liste versammelt, die sich zugleich als potenzieller Einstieg anbietet für alle, die auf der Suche nach einem englischsprachigen Kontrastprogramm zu all dem hierzulande aufgenommenen Kappes sind.
Potsdamer Platz (#461) Selbst als jemand, der sich öfter in Berlin aufhält, hatte ich kaum eine Ahnung davon, wie bewegt die Geschichte des vormaligen "Times Square von Europa" ist. Dabei steht nicht nur die Nachkriegszeit im Fokus, sondern auch die Frühgeschichte Berlins, die Nachwendezeit sowie der Film "Der Himmel über Berlin".
The Town of Bent Necks (#394) Eine meiner Lieblingsfolgen behandelt die Schuhstadt Herzogenaurach, die durch den Bruderzwist der Gründer von Adidas resp. Puma quasi zweigeteilt wurde. "Bent necks" deswegen, weil man einander jahrelang argwöhnisch auf die Füße geschaut hat, um zu sehen, welcher "Kriegspartei" jemand angehörte.
Der Grosser (#424) Um Autos schere ich mich eigentlich nicht, aber die Bedeutung des Mercedes-Benz 600, genannt "Der Große Mercedes", ist schon herausragend, insbesondere in Hinblick auf die Dutzenden Prominenten, darunter nicht wenige Autokraten und Gewaltherrscher, die ein Faible für den Maybach-Vorläufer hatten. Die Sprache kommt auch auf den Buchstaben ß, einen amerikanischen Ersatzteil-Spezialisten und eine vergessene unrühmliche Anekdote aus David Bowies Berliner Jahren.
The Fulda Gap (#380) Womöglich ein wenig unheimlich zu hören in diesen Tagen, wo man wieder Angst vor Atomschlägen haben muss: Was es mit einer bestimmten Talregion in Mitteldeutschland* während des Kalten Krieges auf sich hatte. (* Wenn ich "Mitteldeutschland" schreibe, meine ich die Mitte Deutschlands. Ostdeutschland ist bei mir "Ostdeutschland".)
Potsdam Giants (#401) Gemeint sind natürlich die "Langen Kerls". Es geht um Grenadiere, gezielte Darwinsche Auslese und den Zusammenhang von Körpergröße und Erfolg.
Fanta (#444) Gute Güte, ich hatte ja nicht den blassesten Schimmer! Dass hiesige Kultprodukte mitunter fragwürdige Entstehungsgeschichten haben, ist klar, aber warum und wie Fanta als Coca-Cola-Alternative das Licht der Welt erblickte, könnte glatt Stoff für den "Dollop"-Podcast sein. Der Part über Werbespots für die gelbe Zuckerbrause ist ein willkommener comic relief.
Elizabeth Nietzsche (#313) Die Schwester Friedrich Nietzsches gründet gemeinsam mit ihrem Mann Bernhard Förster Ende des 19. Jahrhunderts in Paraguay die "arische" Kolonie Nueva Germania (deren Nachfolgesiedlung bis heute unter diesem Namen existiert). Hilarity ensues.
Milli Vanilli (#34) Es ist sooo lustig, wie lustig es Amerikaner finden, wenn Deutsche versuchen, amerikanische Popkultur zu emulieren. Der Lipsync-Skandal um die zwei type-gecasteten Models von Milli Vanilli ging um die Welt; etliche Aspekte dieser Achtzigerjahre-Posse waren mir total neu.
The Erika Typewriter (#368) Hier geht es zwar vornehmlich um russische Untergrund- und Widerstandsschriften, aber da die Ursprünge der Schreibmaschine "Erika" in Dresden liegen, habe ich die Folge in diese Liste aufgenommen.
Fritz Stammberger (#193) Ein Name, der den allermeisten fremd sein wird: Es handelte sich um einen Extrem-Bergsteiger, der eine amerikanische TV-Spielshow-Assistentin heiratete und in den 1970er-Jahren in Pakistan verschwand. Oder ließ man ihn verschwinden? Seine Frau stürzte sich auf der Suche nach ihm in immer krudere Verschwörungstheorien. Absolut irre!
German Telegrams (#286) Das war die erste Ausgabe, die ich je gehört habe! Sie fällt etwas trocken aus, aber die gewichtige Rolle, die Telegramme abseits der Emser Depesche in der deutschen Geschichte gespielt haben, wird auf lehrreiche Weise herausgearbeitet.
The Christmas Truce (#112) Der "Weihnachtsfrieden" zwischen britischen und deutschen Truppen im Grabenkrieg 1914 ist freilich ein alter Hut. Doch welchen Anteil hatte die Frauenbewegung daran? Weihnachtsliedgut und Weihnachtsessen werden auch diskutiert.
Alexander von Humboldt (#185) Alles über vergangene Forschungsmethoden, Universalgelehrte, das Zeitalter der Expeditionen und Spekulationen darüber, warum einer der bedeutendsten Köpfe Europas heute beispielsweise in den USA so gut wie unbekannt ist.
The Baader-Meinhof Gang (#310) Ich erinnere mich kaum noch an Details, aber Rekapitulationen des Heißen Herbstes sind ja immer spannend, erst recht aus einer fremdländischen Perspektive.
Rosa Luxemburg's Body (#339) Einiges über Wesen und Entwicklung Rosa Luxemburgs ist zu erfahren, außerdem über ihren Kopf, Spartacus und sein Erbe sowie Michael Tsokos.
Wuppertal Schwebebahn (#374) Auch hier wird mit verblüffenden Fakten überrascht, wer glaubte, schon alles über das Thema gewusst zu haben. Unter anderem lernte ich, dass die Wuppertaler Magnetschwebebahn zur gleichen Zeit entwickelt wurde wie die Schwebebahn in Dresden – vom selben Ingenieur (Carl Eugen Langen)! Elefantendame Tuffi hat selbstverständlich auch ihren Auftritt.
Lisztomania (#441) Wer war Europas erster Superstar? Ein echter Promi, wenn man Königshäuser außen vor lässt? Es war der Klaviervirtuose Franz Liszt, und das Schlagwort für dieses Massenphänomen, "Lisztomanie", schuf kein Geringerer als Heinrich Heine. Ken und John lassen zudem eigene Konzerterlebnisse Revue passieren.
As Slow as Possible (#189) John Cages grenzen- und zeitensprengendes Orgelwerk "ASLSP" kann man nicht besprechen, ohne auf die Halberstädter Sankt-Burchardi-Kirche einzugehen. Aber auch darüber hinaus sehr spaßig.
PS: Die 499. Ausgabe handelt von Exklaven. Ich habe sie noch nicht gehört, könnte mir aber vorstellen, dass darin auch Büsingen am Hochrhein vorkommt.
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