Freitag, 25. November 2022

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

X
Drehbuchautor und Regisseur Ti West hat sich mit Arbeiten an Gruselserien wie "Them" und "The Exorcist" sowie mit einigen durchaus namhaften Horrorstreifen erste Sporen verdient, heuer hat er mit "X" einen größeren Achtungserfolg vorgelegt. Tatsächlich steht ein Prequel namens "Pearl", in dem Hauptdarstellerin Mia Goth auch wieder mit von der Partie ist, bereits in den Startlöchern.
Die Prämisse liest sich altbacken, wirkt anno 2022 aber paradoxerweise schon wieder frisch: Im Jahr 1979 begibt sich eine bunte Truppe prototypischer potentieller Meuchelopfer in die texanische Einöde, um "einen Film für Erwachsene zu drehen", wie es in der gewohnt blöden deutschen Übersetzung der imdb-Inhaltsangabe heißt. Den Look & Feel kriegt West anständig hin, man erahnt, wie dieses Ausgangsszenario in den Achtzigerjahren durchgespielt worden wäre. Mir ist allerdings nicht so recht klar, was der Film eigentlich (sein) will: Er kennt die gängigen Backwoods-Slasher- und Sexploitation-Tropen, treibt diese aber weder auf die Spitze noch subvertet er sie. Klar, hin und wieder werden Systemfragen gestellt, und die Protagonisten haben allesamt erkennbare Ziele und Motivationen, was ich einem Script hoch anrechne und was in diesem Genre weiß Gott nicht selbstverständlich ist. Seine Versprechen von Substanz und Cleverness kann "X" aber nicht einlösen, der Großteil ist zu viel vom Altvertrauten, da wäre deutlich mehr drin gewesen. "American Horror Story: 1984" ist die zu bevorzugende Alternative.
Bonuspunkt für den Drehort Neuseeland.

The Suicide Squad
Allen Kritiken, die mir vorab voller Begeisterung versichert hatten, dass "The Suicide Squad" den Vorgänger nicht nur übertrifft (was keine Schwierigkeit darstellte), sondern sogar vergessen macht, habe ich bereitwillig geglaubt. Auf James Gunns "Guardians of the Galaxy"-geschultes Händchen für Ragtag Bunch of Misfits-Sagas einerseits, seinen kompromisslosen, bereits in dem rotzigen Vigilanten-Drama "Super" (2010) greifbaren Oh-so-wrong-Humor andererseits konnte ich mich verlassen, da war ich mir sicher.
To be fair: Keine Sekunde Langeweile hatte ich auch schon "Suicide Squad" (ohne "The") beschieden, hier ist es aber eine Suppe aus den Hauptzutaten Action, Spaß und Intensität, die zwoeinhalb Stunden lang am Köcheln gehalten wird und an der man sich nicht sattessen kann. Die "Deadpool"-Reihe ist für mich zwar nach wie vor der Goldstandard in der Kategorie "Antihelden-Splatter-Gagfeuerwerk", aber dass ich mich bei meiner (mir 2021 selbst auferzwungenen) Wahl zwischen Marvel und DC auf die richtige Seite geschlagen habe, wurde mir hiermit einmal mehr bestätigt.
PS: Ich habe mir die Deleted Scenes angesehen. Die waren auch nicht übel, wurden aber m.M.n. durchweg berechtigterweise herausgeschnitten.

Im Schatten des Zweifels
Von seinen eigenen Werken mochte Alfred Hitchcock laut Überlieferung dieses am liebsten; mein Favorit von Hitch ist es bei weitem nicht. Permanente Bangnis und suburbanes Grauen präsentiert uns der Meister des Suspense zwar in solidem Maße, für mich ist aber an dem Punkt die Luft raus, wo a) die Frage, ob "Onkel Charlie" tatsächlich Onkel Charlie ist, geklärt wird, und b) einzelne Figuren sich erratisch bis tumb verhalten. Ohne zu viel verraten zu wollen: Der Bedrohungslage könnte man sich sehr fix und ohne viel Aufwand entziehen.
Trotzdem lässt sich "Shadow of a Doubt" prima anschauen dafür, dass er fast 80 Jahre auf dem Buckel hat. Die Hauptrollen haben inne: Teresa Wright (letzte Rolle: "Der Regenmacher") und Joseph Cotten. Das Drehbuch schrieb Thornton Wilder (!) gemeinsam mit Sally Benson und Alma Reville.

Alles Geld der Welt
Die spektakuläre Getty-Enkel-Entführung wurde 2018 als Zehnteiler "Trust" für den Sender FX inszeniert, u.a. von Danny Boyle und mit immerhin Hilary Swank und Donald Sutherland. Ich frage mich jedoch wie so oft, warum. Die Story lässt sich in einem abendfüllenden Spielfilm, nämlich diesem aus dem Jahr zuvor, erzählen, ohne gehetzt zu wirken, und ich kann mir nicht vorstellen, wie sie durch das Serienformat an Spannung und Charaktertiefe gewinnen sollte. Ridley Scotts 132-Minuten-Fassung hat mich jedenfalls überzeugt. Ob der öffentlichkeitswirksam nachträglich herauseditierte Kevin Spacey den hartherzigen Ölmilliardär Jean Paul Getty einnehmender interpretiert hätte bzw. hat, vermag ich nicht einzuschätzen. Christopher Plummer hat den unbestreitbaren Vorteil, deutlich älter und verknitterter zu sein, was seiner Figur noch mehr Sturheit und Verbitterung verleiht.

Tremors
In meiner Jugend verging kein Wochenende, an dem nicht "Im Land der Raketenwürmer", so der dann doch liebenswert hirnrissige deutsche Untertitel, im Spätprogramm von RTL 2 oder Kabel 1 lief. Dass ich ihn bis neulich, als er ins Angebot von Amazon Prime aufgenommen wurde, noch nie gesehen hatte, ist ein Wunder. Und was soll ich sagen? Das Creature-Feature von 1990 funktioniert auch nach drei Jahrzehnten hervorragend und hält, was es verspricht. Ich erwartete Trash und bekam einen kurzweiligen Wüsten-Actioner mit vorzeigbaren Props und Effekten, einer Prise Humor und Kevin Bacon.

Verborgene Schönheit (OT: Collateral Beauty)
Haderte ich schon bei "Im Schatten des Zweifels" mit der altbekannten Zwickmühle der suspension of disbelief, machte es mir dieses Drama von 2016 um ein Vielfaches schwerer. Das Manöver, das drei Arbeitskollegen mit Hilfe angeheuerter Laienschauspieler/innen inszenieren, um ihren traumatisierten Freund zurück ins Leben zu holen, ist so gaga – und grenzt obendrein an Gaslighting –, dass mein Hirn im Ringen mit Herz und Seele beinahe die Oberhand gewann.
Will Smith hat mit "Sieben Leben" und "Das Streben nach Glück" zwei zu Tränen rührende Performances für die Ewigkeit vorgelegt. Der Hattrick ist ihm mit "Verborgene Schönheit" nicht gelungen. Nichtsdestotrotz habe ich Smith, um den es zuletzt ruhiger geworden war, ebenso gern zugesehen wie dem übrigen Cast, darunter Edward Norton, Helen Mirren und Keira Knightley.

The Black Phone
Ich muss wirklich bald mal etwas von Joe Hill lesen! Das 2021 erschienene Entführungs-Mystery "The Black Phone", das auf einer seiner Kurzgeschichten basiert, erinnert in mancher Hinsicht und auf gute Weise an Erzählungen seines Vaters Stephen King, in denen Kinder im Mittelpunkt stehen. Der Vergleich mit "Es" drängt sich auf. Während dort Heranwachsende einer übernatürlichen Macht mit ganz realen Mitteln Einhalt gebieten müssen, stammt das, was es hier auf die Kinder abgesehen hat, aus dieser Welt und kann nur mithilfe paranormaler Bedingungen bekämpft werden. Dass die "The Grabber" genannte Schreckgestalt (albtraumhaft: Ethan Hawke) am Ende besiegt wird, sieht man hoffnungsvoll kommen; als (wenn?) es dann passiert, ist's umso befriedigender. Die Nachwuchsdarsteller sind toll, beunruhigend grandios ist auch der lange nicht gesehene Jeremy Davies.

Brian and Charles
Suspension of disbelief zum Dritten: Dass eine von einem sonderbaren Einsiedler und Messie aus Haushaltsgegenständen und Elektroschrott zusammengeschraubte Puppe eine künstliche Intelligenz eingehaucht bekommt, die dem Stand der gegenwärtigen Robotik Dezennien voraus ist, muss man halt hinnehmen. Technische Fragen sind müßig, ich brauche keine Erklärungen, um die Figur des Charles als echt zu akzeptieren; die brauchte ich auch bei "Finch" nicht.
Der britische Komiker David Earl, den ich an anderer Stelle als "Perversen vom Dienst" tituliert habe, darf hier von seiner angestammten Serienpersönlichkeit abrücken und einen liebens- und bemitleidenswerten Sympathieträger mimen. Mit seinem Co-Star Chris Hayward hat Earl auch das Drehbuch verfasst. Eine stille, warme, skurrile Perle.

The Found Footage Phenomenon
Ich kann mich kurzfassen: An "Woodlands Dark and Days Bewitched" kommt diese Horrorfilm-Doku nicht heran. Dafür geht sie auch "nur" eine Stunde und 40 Minuten. Neben den erwartbaren sozio-kulturellen Herleitungstheorien zum Phänomen "Paranormal Activity" & Co. gibt es zumindest zwei Erkenntnisse, 1.) dass das Angebot an Vertretern des Found-Footage-Subgenres längst gesättigt ist (okay, den Verdacht hatte ich schon vorher), und 2.) dass erstaunlich viele Filmschaffende in diesem Bereich sich auf die Fahne schreiben, Vorreiter auf diesem Feld gewesen zu sein (mehrmals getätigte Aussage, paraphrasiert: "Jaaa, was Film XY von 2010 gemacht hat, haben wir ja schon 2004 in YZ gezeigt!").

Don't Worry Darling
Auch hier kann ich mich mit Worten zurückhalten, viel Korrektes wurde über Olivia Wildes zweite Regiearbeit bereits geschrieben. Futurismus trifft auf den geschniegelten Abyss einer planned community, Menschlichkeit und die Definition von Menschsein stehen im Fokus. Dass mich einige Versatzstücke allzu sehr an "The Prisoner" sowie die "Akte X"-Folge "Arcadia" erinnert haben, ist wohl eher meine Schuld. Harry Styles hat kaum genervt, Florence Pugh muss für absolut folgerichtig besetzt halten, wer sie in "Midsommar" brillieren sah (jene Darstellung soll Wilde ja auch dazu bewogen haben, Pugh zu engagieren). Auch die Kameraführung hebt "Don't Worry Darling" über das Niveau von "Black Mirror" und ähnlichem. Einzig manche Traum-/Visions-Sequenzen sind für meinen Geschmack zu aufdringlich geraten.

1 Kommentar:

  1. Anekdote zu Tremors: Hab den Film vor ca. 30 Jahren (?) im Nachbarhaus bei meinem Jugendfreund auf Premiere geschaut. Ja, dessen Eltern waren reich ;-). Naja, wie auch immer. Da wir auf dem Dorf groß wurden, musste ich nach dem Film im Dunkeln zum Haus meiner Eltern laufen. Haha. Laufen?!?! Ich bin gerannt!!! Hab mir vor Angst vor Tentakeln aus der Erde fast in die Hosen gemacht... o_o

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