Donnerstag, 16. Februar 2023

Serientaten

Es ist schon bemerkenswert, wie die "Prestigisierung" (?) von Fernsehserien das Medium verändert hat. Früher, vor dem Siegeszug und der Allgegenwärtigkeit filmisch-epischer TV-Dramen mit durchgehendem Handlungsbogen, war es völlig normal, dass man die Staffeln in beliebiger Reihenfolge und unter gelegentlicher Auslassung einzelner Folgen sah. Es konnte vorkommen, dass man eine Episode schlicht verpasste, weil man nicht zu Hause war. Daraus erwuchsen keine Nachteile, es war nicht zwingend, dass man die Ausstrahlung (für ebenjenen Fall, dass man während dieser Zeit was vorhatte) mit dem Videorekorder o.ä. aufzeichnete. Event-Mehrteiler wie "Twin Peaks" stellten die absolute Ausnahme dar. Aber bei bis zu 24 "Fall der Woche"-Folgen pro Staffel entging einem nicht wirklich etwas. Heute ist das unvorstellbar, für mich zumindest. Selbst wenn ich in meinem Haushalt Privatsender empfangen könnte, würde ich niemals einfach durchzappen und denken: "Ach, 'Criminal Minds' läuft gerade, da bleibe ich mal hängen!" Nicht mal bei Sitcoms kann ich das; ich habe 2007 mit "The Big Bang Theory" angefangen, und weil ich diese Show anfangs liebte und später nie wirklich hasste, ziehe ich das jetzt durch: Jede einzelne Episode muss geguckt werden, und zwar in der korrekten Reihenfolge! Dieser Marathon zumindest wird demnächst sein Ende finden. Freut euch schon mal auf mein Resümee im Serientagebuch.

Apropos: Ich wünschte, ich hätte schon viel früher damit angefangen, meine Meinung zu TV-Serien aufzuschreiben. Erst im Dezember 2010 habe ich auf meinem beerdigten Kybersetzung-Vorgänger erstmals eine Kleine Serien-Review 2010 veröffentlicht, eingeleitet mit den Worten "Heute gebe ich kurz meine Meinung zu einigen Serien ab, die 2010, v.a. in der Herbstsaison, im US-Fernsehen liefen bzw. noch laufen. Die Daumen-Icons bedeuten irgendwas." Die Kurzrezensionen, in Drama und Comedy aufgeteilt, sind zwar nix Besonderes, aber aufschlussreich genug, um sie hier (unverändert, unredigiert und unverbessert) zu wiederholen.

The Event (NBC)  
Ich bin zwar noch nicht auf dem aktuellsten Stand, aber bisher konnte diese als LOST-Ersatz gehypte Mysteryserie ihre Erwartungen nicht erfüllen. Es geht um Aliens, die wie Menschen aussehen, um eine Verschwörung, um ein verschwundenes Flugzeug, naja. Schon recht spannend, aber irgendwie bemüht.

Dexter (Showtime) 
Auch die mittlerweile 5. Staffel aus dem Doppelleben eines Mörders-Schrägstrich-Polizeiforensikers bot wieder Nervenkitzel auf höchstem Niveau, wenn sie auch nicht ganz so brillant war wie Season 4. Spoiler: Dexter stirbt nicht, es wird noch eine 6. Staffel geben.

The Walking Dead (AMC)  
Hiervon habe ich erst zwei Episoden geschaut. Mit unheimlicher Vorfreude wurde diese Comic-Adaption erwartet. Zombie-Apokalypse im Fernsehen? Das hat man in der Tat noch nicht gesehen, und dank dem Umstand, dass The Walking Dead im Pay TV läuft, kann man, wenn man darauf steht, eindrucksvolle Splattereffekte genießen. Beklemmender Psycho-Horror, den man aus manchen ähnlich gearteten Kinofilmen gewöhnt ist, will sich jedoch nicht einstellen. Wie gesagt, nach zwei Folgen kann noch viel passieren, aber angefixt wurde ich bislang nicht. Dass die ersten 6 Episoden (Season 2 kommt im Oktober '11) doch eher durchschnittlich waren, findet auch Oliver Nagel im Britcom-Blog (Spoiler!).

Rubicon (AMC) 
Eine Serie, die sich Zeit lässt, um ihre Geschichte zu erzählen. Viiiel Zeit. Die Schauspieler sind gut, die Musik ist stimmig, aber der Plot - mächtige Männer in einer fiktiven Behörde sind in finstere Machenschaften verstrickt - geht nur schleppend voran. Eine zweite Staffel wurde abgelehnt.
Ich bin übrigens neuerdings ein Fan von "Kurzstaffeln" mit nur ca. 12 Folgen wie bei Rubicon und Dexter. Ich schließe mich da den Ausführungen von Matthew Wrather auf overthinkingit.com an.

The Office (NBC) 
Die Büro-Mockumentary läuft inzwischen in ihrem (verflixten) 7. Jahr, und die Luft ist langsam raus. Das hat wohl auch Hauptdarsteller Steve Carell gemerkt, der nach dem Ende dieser Staffel aussteigen wird. Insgesamt wirken die Charaktere lustlos und sind alle viel gemeiner zueinander. Auch einen bedeutenden story arc scheint es diesmal nicht zu geben. Die Weihnachtsfolge war trotzdem ein Highlight, und ich freue mich immer noch auf neue Folgen.

Family Guy (FOX) 
Warum ich mir diesen Dreck noch anschaue, ist mir schleierhaft. Vielleicht ist es die stille Hoffnung, dass doch irgendwann mal wieder ansatzweise das Niveau von vor 5 Jahren erreicht werden kann. Man merkt dieser Serie an, dass die Macher ihre eigenen größten Fans sind, und das ist Gift! Die Figuren agieren ausnahmslos out of character, die Tabubrüche werden immer lahmer, die Running Gags immer gezwungener, und diese moderne US-Großstadt-Satzmelodie - die übrigens auch bei den Simpsons Einzug findet - nervt gewaltig ("Yeeeeah, that's ... not gonna happen."). Der absolute Tiefpunkt wurde erreicht, als in Folge 9.02 der rechts-populistische Talkshow-Host Rush Limbaugh als Gaststar auftrat und ungeniert Werbung für Konservatismus machen durfte. Cancel it. Now!

South Park (Comedy Central) 
Alles richtig macht hingegen South Park. Auch hier geht es öfters unter die Gürtellinie, aber hier ist es wenigstens witzig und vor allem werden hier richtige Geschichten erzählt. Und die Objekte des Spottes haben es auch verdient. Ein Beispiel: South Park würde sich über die Besitzer von iPhones lustig machen; Family Guy würde sich über das Kind lustig machen, das in der Schule gemobbt wird, weil es kein iPhone hat. Außerdem steigt die Qualität der Animation bei SP kontinuierlich.

The Big Bang Theory (CBS) 
Ganz klar: TBBT ist seit vier Jahren die beste Sitcom. Es vergehen im Grunde keine 10 Sekunden, in denen man nicht lachen muss. In letzter Zeit verleiht man auch den Nebenfiguren mehr Tiefe, v.a. den Freundinnen. Pflichtprogramm nicht nur für Nerds!

Community (NBC) 
Ich kann nicht verstehen, warum dieses Juwel der Unterhaltung nur durchschnittliche Quoten und Kritiken einholt. Die Serie um eine verrückte Lerngruppe an einem Community College kann es von der Gagdichte locker mit TBBT aufnehmen. Vielleicht sind die zahlreichen Anspielungen auf Film- und andere Popkultur-Klischees zu anspruchsvoll? Oder die Dialoge sind einfach zu schnell, als dass man den Witzen unangestrengt folgen könnte (Ich kann Community auch nur mit Untertiteln schauen)... Zu hoffen ist jedenfalls, dass es nächstes Jahr eine dritte Staffel geben wird.

Anm. 2023: Haha, mein Furor bzgl. "Family Guy" war ja goldig. Wie gut, dass ich dennoch drangeblieben bin, sonst wäre mir entgangen, wie diese Cartoonreihe später wieder die Kurve gekriegt hat. "The Event" wurde übrigens nach nur einer Season abgesetzt.
Wenn ich Lust habe, hole ich irgendwann auch noch das 2011er-Roundup hervor.

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