Mittwoch, 1. Februar 2023

TITANIC vor zehn Jahren: 2/2013

Falls sich jemand gewundert hat, warum im Januar keine Titanic-Rückschau kam: Das Februarheft 2013 erschien tatsächlich erst am 1. Februar. Diese einzigartige Terminverschiebung ward durch verkürzte Endjahres-Produktionszeit bedingt, blablabla. Auf den Titel schaffte es – erstaunlicherweise zum ersten und letzten Mal – die Dauer-Witzvorlage Hauptstadtflughafen.


Zudem hat, in einem seltenen Fall von Titel-Inhalts-Korrespondenz, der Aufmacher mit dem berüchtigten "Pannen-Airport" zu tun, ein Fotoroman, dessen Herstellung Spaß gemacht hat, aber auch mit reichlich Mühsal verbunden war, denn die Aufnahmen fanden zu einem großen Teil bei klirrender Kälte in Frankfurt-Bonames statt, gebietet jener Stadtteil doch über einen ehemaligen Militärflugplatz, welcher als BER-Double herhalten konnte.


Der lustigste Moment des Photo-Shootings ergab sich, als wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch die Stadt fuhren und der als Bollenhut-Schwäbin verkleidete Mark-Stefan Tietze von einer Passagierin gefragt wurde "Wie seht ihr denn aus?", worauf er gelassen antwortete: "Casual Friday!"


Die anhaltende Antisemitismus-Debatte (s. Gärtner-Essay 1/13) kommentierten die Kollegen Fischer/Wolff/Ziegelwagner mit dem überfälligen Persönlichkeitstest "Bin ich Antisemit?", der als – auf die Gefahr hin, das Wort überzustrapazieren – Klassiker der Heftgeschichte gelten darf.


Anfang 2013 befinden wir uns auf dem Höhepunkt der "Steinbrück-Mania". "Genieße es, solange es andauert!", möchte man dem Vergangenheits-Peer zurufen, denn die Kratzer, die der Kanzlerkandidat sich mit Rede-Honorar-Skandälchen und anderen Ausrutschern zufügte, sollten sich schon bald zu einer weiteren unauswetzbaren SPD-Scharte auswachsen. (Man verzeihe mir das schiefe Bild.) Nicht nur auf der U4 wurde Steinbrück gewürdigt, auch mit der ersten Folge von Stephans Rürups Superhelden-Serie "Der Unglaubliche Ulk" bekam der Butter-bei-die-Fische-Mann ein Denkmal gesetzt:


Ihre volle Wirkung entfalteten die Comics übrigens, wenn sie ihr Schöpfer bei unserer monatlichen Lesung im Club Voltaire präsentierte. Dabei schrie der hünenhafte Zeichner die Parts des "Unglaublichen Ulks" nämlich mit einem solchen Furor, dass empfindsame Gäste sich die Ohren zuhielten. Einmal schimpften sogar ein paar ältere Zuschauer (es handelte sich um Freunde des Stargastes F.W. Bernstein) ob der emphatischen Performance und waren kurz davor, den Veranstaltungsort zu fliehen.

Wieder einmal erinnert mich das Magazin an etwas, das ich vollständig vergessen hatte: nämlich dass offenbar, wie zehn Jahre später, Deutschland von einer Inflation heimgesucht wurde. Heute wissen wir zwar, dass sich diese Krise beizeiten ausgeschlichen hat, sie muss aber immerhin genug Angst im Land verbreitet haben, um Mark-Stefan Tietze ein lehrreich-unterhaltsames "Tagebuch aus schweren Zeiten" führen zu lassen:


Mit der siebten Ausgabe von "55ff" bin ich einigermaßen zufrieden. Die Rubrik findet hier mehr und mehr zu ihrer Form, nicht zuletzt dank Sebastian Klugs Kult-Verrücktheiten ("Leserfoto des Monats", "Magazine empfehlen andere Magazine"), aber auch kleinteiligen Dönekes wie diesen:


Weiteres Notierenswertes
- François Hollande in "Der letzte Mensch" zu Frankreichs Mali-Einsatz: "Wie genau unterscheidet sich Ihr Vorgehen von dem Sarkozys?" - "Sarkozy macht ja gar nichts. Wie man mir berichtet, liegt er zurzeit vor dem Fernseher, ißt Chips, und Carla muß um ihn herumsaugen." - "In seiner Amtszeit hat er mit Gaddafi einen gefährlichen Kriegsherrn ausgeknockt, während Sie mit Hippies Händchen hielten und Blumen für Gewehrläufe züchteten. Doppelmoral oder einfach Bigotterie?" - "Mit Sarkozy will ich mich nicht vergleichen. Sarkozy, das war Oberschicht, Promifaktor, L'Oréal-Gestank. Das habe ich nicht nötig. Wir machen hier einen ehrlichen, schweißgetränkten Krieg ohne Chichi, ohne Parfüm. Wir haben an der Front die 30-Stunden-Woche eingeführt, mit je einer Kaffeepause zwischen zwei Salven ..."
- Schon wieder will mir weder Name noch Charakter unseres (Schüler-?)Praktikanten (Aboanzeigen-Model auf S. 12) einfallen. Es tut mir leid.
- Schönes weiches, gleichsam schön von Rürup/Tietze umgesetztes Thema in der Heftmitte: "Ergänzungsmarken". Das Briefporto war von 55 auf 58 Cent erhöht worden (hach ...), und man musste eine Zeitlang hässliche 3-Cent-Zusatzmarken auf national versandte Briefe pappen. Die natürlich schon damals kaum noch jemand geschrieben hat.
- "Das neue deutsche Volkslied" ging doch noch weiter! Ich hatte es bereits beim letzten Mal beerdigt geglaubt.
- S. 54: Folge 2 meines 2011 installierten "Samuraischwert-Reports", in welchem ich anhand von Pressemitteilungen deutscher Polizeibehörden Straftaten, in denen ein Samuraischwert involviert war, gesammelt habe. Außer der Erkenntnis "Davon gibt es ja echt viele!" hat die langweilig geschriebene Reihe jedoch nix zu bieten, weswegen es auch nie einen dritten Teil gab, obwohl für einen solchen bestimmt genügend Material zusammengekommen wäre.
- Addendum zur letzten Ausgabe: Ich hatte einen Altmaier-Artikel von Wolff/Ziegelwagner bekrittelt, zu dem mir Freund Michael nun schrieb, dass er ein konkretes Vorbild in Form einer recht tendenziösen Spiegel-Homestory aufspießte und diese parodierte. Naaaa gut. Das ist halt die Gefahr bei diesen Reviews: Manche Vorlage ist einfach nicht mehr i(n meine)m Bewusstsein, auch wenn Titanic-Artikel in der Regel über Bande mitteilen, was jeweils persifliert bzw. worauf Bezug genommen wird.

Schlussgedanke
Abermals eine fetzige Nummer, in der so gut wie alles zündet.
PS: Im Impressum ist als Erscheinungstermin der Märzausgabe versehentlich jener der Aprilausgabe angegeben: 29.3. Ich schätze mal, dass das Märzheft am 22.2. rausgekommen sein wird und damit der normale Turnus wiederaufgenommen wurde. Deshalb kommt mein nächster Rückblick am 22. Februar.

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