Glass Onion: A Knives Out Mystery
Dieser nur eine Woche im Kino gelaufene Netflix-Krimi muss sich – was er sich qua Untertitel selbst verschuldet hat – mit seinem Vorgänger messen, obwohl "Glass Onion" mit "Knives Out" ungefähr so viel gemein hat wie etwa "Tod auf dem Nil" mit "Mord im Orient-Express", will sagen: Lediglich die ermittelnde Hauptfigur ist dieselbe. Daniel Craig als sympathischer Südstaaten-Schnüffler Benoit Blanc macht das auch wieder recht ordentlich. Das übrige Ensemble hingegen hätte mir beinahe die Petersilie verhagelt: Als in der ersten Viertelstunde eine flache Klischeefigur nach der anderen eingeführt wurde, dachte ich 'Das kann ja heiter werden!' Rian Johnson hat bekanntlich immer "was zu sagen", aber musste er wirklich einen derartig zweidimensionalen Elon-Musk-Abklatsch konstruieren, der von Edward Nortons Interpretation gerade so erträglich gemacht werden kann?
Tatsächlich kenne ich mehrere Leute, die "Knives Out" mochten, aber "Glass Onion" wegen ebenjener schwachen Charakterzeichnung regelrecht verfluchen. Ich aber meine: Gebt ihm eine Chance! Nach einer Weile kriegt er die Kurve, und das Mystery, obschon nicht ganz so gediegen und verschachtelt wie bei "Knives Out", ist intriguing genug.
Biutiful
Vier Werke des Mexikaners Alejandro González Iñárritu kenne ich, und sehr gut gefallen haben mir jene drei, die ich im Kino gesehen habe: "21 Gramm", "Babel" und "The Revenant". "Birdman" habe ich nach circa fünf Minuten abgebrochen; daran mag aber primär der entsetzliche Jazz-Soundtrack schuld gewesen sein. "Biutiful" von 2010 ist bestenfalls Mittelmaß: eine Spur zu trübsinnig und pessimistisch für meinen Geschmack. Bzw. nein, gänzlich ohne Trost ist das knapp zweieinhalbstündige Drama mit Javier Bardem dann doch nicht. Trotzdem: meh.
The Menu
Parallelen zu "Glass Onion" sind augenfällig: Es geht um Dekadenz, exzentrische Reiche oder reiche Exzentriker, und der Schauplatz ist eine Insel. Mark Mylod, der sich bisher vor allem als Serienregisseur betätigt hat, serviert eine Satire, die zunächst angesichts gegenwärtiger Eventgastronomie-Trends und New-Nordic-Cuisine-Auswüchse kaum überspitzt wirkt, sich dann aber schön steigert und schließlich jenes Gewaltversprechen einlöst, das man von "Pig" zu bekommen geglaubt hatte. Ralph Fiennes als Chefkoch hat einen Stern verdient! Produziert wurde "The Menu" übrigens u.a. von Gary Sanchez Productions (Will Ferrell / Adam McKay).
The Aeronauts
Dieses historisch semi-akkurate Ballonfahr-Abenteuer aus den Amazon-Studios stand lange auf meiner Watchlist, ich wollte es mir wegen der gemutmaßten "In 80 Tagen um die Welt"-Atmosphäre für die Weihnachts-/Winterzeit aufheben. Nun, das Zeug zum Feiertagsklassiker hat die im viktorianischen London angesiedelte Sachbuchverfilmung nicht, aber sie gefällt mit luftiger Spannung, punktuellem Feel-good-äääh: -Feeling und nach "Die Entdeckung der Unendlichkeit" einer Wiedervereinigung von Felicity Jones und Eddie Redmayne.
The Sea of Trees
In den aus "The Forest" bekannten Wald begab sich Matthew McConaughey 2015, zwischen "Interstellar" und "Free State of Jones". Ihm widerfährt hier jedoch nichts vordergründig Übernatürliches, denn Gus Van Sants "The Forest" ist kein Horrorfilm, sondern ein Low-Key-Drama, das die (letzte?) Reise eines mittelalten Amerikaners erzählt und, in Rückblenden, wie es zu dieser kommen konnte. Lange hallt die Geschichte zugegebenermaßen nicht nach, man hätte mehr draus machen können.
Imperium
Noch ein Streifen, der sich den Vergleich mit einem anderen (wenn auch späteren) gefallen lassen muss, in diesem Fall mit "BlacKKKlansman". Letzterer funktioniert m.M.n. besser, auch wenn "Imperium" seine Stärken hat und Undercover-Storys eh nie ohne Reiz sind. Fast schon erfrischend wirkt das flotte, antiklimaktische Finale. Daniel Radcliffe als Cop unter Nazis geht in Ordnung. Das amüsanteste "Hey It's That Guy!"-Casting: Chris Sullivan, der Toby aus "This Is Us", als white supremacist.
Der Gesang der Flusskrebse
Bei dieser Literaturumsetzung von 2022 wiederum stellte ich mir vor, dass sie "Wer die Nachtigall stört" (dazu gleich) in mehreren Aspekten ähnelt, insbesondere dem Sujet eines ungeklärten Todesfalls sowie dem Schauplatz. "Mockingbird" spielt allerdings in Alabama, "Where the Crawdads Sing" im Great Dismal Swamp in North Carolina. Dieses Setting weckt sofort meine Neugier, das Leben im Sumpf fasziniert mich ungemein. Auch das Schicksal, die Erfahrungen, die Emanzipation der Protagonistin, deren Darstellerin (Daisy Edgar-Jones) ich bis dahin nicht kannte, fesselt.
Jane Eyre
Ich habe schändlicherweise noch nie etwas von den Brontë-Schwestern gelesen. Dass der begabte "True Detective"- und "Maniac"-Regisseur Cary Joji Fukunagaary 2011 den berühmtesten Roman von Charlotte verfilmt hat, war mir eine willkommene Gelegenheit, mich dem Stoff zu nähern. Mia Wasikowska hat die Titelrolle in diesem stillen Zweistünder übernommen, in Nebenrollen tauchen Judy Dench und Imogen Poots auf. Joah, kann man mal geguckt haben.
Wer die Nachtigall stört
Nun also der zigfach zitierte Schwarzweißfilm nach Harper Lees epochemachendem Pulitzergewinner. Alle positiven Erwartungen, die ich gehabt hatte, wurden bestätigt: "To Kill a Mockingbird" ist nicht nur bewegendes Justizdrama und bittere Rassismusstudie, sondern, im Grunde zuallererst, eine Kindheits- und Coming-of-Age-Erzählung. Die jungen Darsteller/innen sind eine wahre Freude, und solch herrliche Dialoge, die man ihnen in den Mund legt und die sie mit der Verve alter Bühnenhasen vortragen, werden heute gar nicht mehr geschrieben! Gleichsam im Gedächtnis bleibt freilich die ikonische Anwaltsfigur des zutiefst humanistischen Atticus Finch (Gregory Peck).
Knock at the Cabin
Kurz nach "Glass Onion" sehe ich Dave Bautista zum zweiten Mal in einer Nicht-Haudrauf-Rolle. Müssen wir uns damit abfinden, den bulligen Ex-Wrestler vermehrt als Charaktermimen zu erleben? Was soll ich sagen, er ist mir weder hier noch dort als Fehlbesetzung sauer aufgestoßen. Davon abgesehen kann ich M. Night Shyamalans neuestem Streich nur bescheinigen, wieder auf das gewohnte Niveau des Mystery-Meisters aufgeschlossen zu haben, nachdem "Old" als veritabler (hoffentlich Ausnahme-)Fehlschuss meine Fan-Treue minimal ins Wanken gebracht hatte.
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