Mittwoch, 5. April 2023

A noble spirit embiggens the smallest man

Einen Monat ist es noch hin bis zur Krönung des neuen englischen Monarchen, der gar nicht mehr sooo neu im Amt ist. Sogar in Deutschland war er letzte Woche schon auf Staatsbesuch, wo ihm viel Sympathie entgegengebracht wurde und wo man ihn wahlweise "König Charles", "König Karl" oder "King Charles" nennt; die III. lässt man meistens weg, denn man meint selbstverständlich Karl den Dritten, wenn man "König Karl" sagt, so wie man Kleopatra VII. meint, wenn man einfach nur "Kleopatra" sagt.

Mit dem Nachrücken des ewigen Fürsten Charles auf den von seiner Mutter in 70-jähriger Rekordherrschaft gehaltenen Thron ist nun auch Karls erstgeborener Sohn nachgerückt: William ist seit 2022 nicht nur der offizielle Kronprinz (der als König dann Wilhelm V. heißen wird), sondern auch der amtierende Prince of Wales. Wer sich mit dessen Insignien befasst, wird womöglich überrascht sein, einen deutschen Wahlspruch auf der Helmzier zu finden:

"Deutsch anmutend" sollte ich wohl besser schreiben, denn nach einer Gegentheorie zu der, dass hier das Motto Johanns von Böhmen wiederklingt, ist "Ich dien" keltischen Ursprungs: Eduard I. soll dem walisischen Parlament mit den Worten "Eich dyn", was wohl so viel wie "Seht diesen Mann" bedeutet, seinen neugeborenen Sohn präsentiert haben. Die englischsprachige Wikipedia stellt die deutsche Herkunft indes nicht in Frage. 

Das ist ein ergiebiges Thema: fremdsprachige Phrasen als Landesmotto, als Wahlspruch eines hohen Hauses oder einer sonstigen altehrwürdigen Institution. Um bei britischen Monarchen zu bleiben: "Dieu et mon droit", französisch für "Gott und mein Recht", wird von denen seit Jahrhunderten verwendet und prangt bis heute auf dem Wappen des Vereinigten Königreichs. Das ist mir übrigens erstmals beim Anschauen der Serie "Justice" aufgefallen. Dass die Devise des Hosenbandordens, "Honi soit qui mal y pense" ("Ein Schelm, wer Böses dabei denkt"), ebenfalls, wenn auch halb verdeckt, auf Karls Wappen zu lesen ist, unterstreicht den subtilen Mutterwitz, der allem im weiteren Sinne Englischen eingeschrieben zu sein scheint.

In Bezug auf die USA denken wir natürlich zuerst an "E pluribus unum" und "Annuit coeptis", aus den Niederlanden kennt man "Luctor et emergo" (Wappen der Provinz Seeland). Und hierzulande? Einen amtlichen Wahlspruch haben wir ohnehin nicht, am nächsten kommt dem Konzept, im Sinne einer identitätsstiftenden Losung, "Einigkeit und Recht und Freiheit". Die Widmung "Dem deutschen Volke" ließe sich noch in den Topf werfen. Als vor ein paar Jahren Andreas Nohls viel beachtete Neuübersetzung von "Gone with the Wind" unter dem Titel "Vom Wind verweht" herauskam, fragte ich mich im Scherz, ob man wohl bald das E aus dem "VOLKE" am Reichstagsgebäude entfernen würde. (Gutes Quizwissen: Die Buchstaben wurden aus eingeschmolzenen Kanonen gefertigt.) Eine ältere Form, wenn nicht gar eine frühere Sprachstufe zu bewahren hat ja durchaus seinen Reiz. Die Republik Indien führt seit 1950 in ihrem Hoheitszeichen den vedischen Satz satyameva jayate, "Allein die Wahrheit obsiegt", Teil eines jahrtausendealten Mantras aus den Upanishaden. Wie ich gerade lernte, hat Tschechien ein bedeutungsgleiches Motto, auf tschechisch ("Pravda vítězí"). Auf dem Holstentor steht "CONCORDIA DOMI FORIS PAX", "Eintracht innen, draußen Friede" (Ah, Schulwissen: ein Chiasmus!). Das Lübecker Wahrzeichen würde ich gerne mal in natura sehen.

1 Kommentar:

  1. Beim Holstentor ist für mich immer die Seitenansicht die beeindruckendste. Es steht so schief, dass ich jedes Mal denke "Dass das noch steht..." Fun Fact: Es wurde im 19. Jahrhundert beinahe abgerissen, um Platz für den Bahnhof zu schaffen und nur mit einer Stimme Mehrheit in der Bürgerschaft entschied man sich für den Erhalt.

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