Es war zu Beginn des Jahrtausends, als mir in einem damals oft von mir frequentierten Internetforum ein Thread mit dem Titel "A Song of Ice and Fire" auffiel. Als dieser auf eine Länge von mehreren hundert Antworten angewachsen war, dachte ich 'Na schön, schauste halt mal rein' und schaute mal rein. Ein Romanzyklus von einem gewissen George R.R. Martin wurde dort lebhaft diskutiert und inbrünstig bejubelt.
Obwohl ich zuvor mit Fantasy-Literatur – abgesehen von Pratchett – keine Berührung gehabt hatte, war meine Neugier geweckt. Ich sah im Online-Katalog der städtischen Bibliothek nach: Drei Bände waren dort im Bestand, jedoch entliehen. Den ersten, "Die Herren von Winterfell", ließ ich vormerken. Aus Unachtsamkeit wurde zunächst der zweite Band, "Das Erbe von Winterfell", für mich zurückgelegt; den Fehler bemerkte ich zum Glück direkt an der Ausleihtheke. Nach Neubestellung und zusätzlicher Wartezeit hielt ich irgendwann endlich den korrekten Auftaktwälzer von "Das Lied von Eis und Feuer" in meinen Händen. Ich begann mit der Lektüre und war überrascht: Da kamen ja überhaupt keine Elfen und Märchenprinzen drin vor, stattdessen Intrigen, Mord, Vergewaltigung, rohe Sprache, politische Verwicklungen und allerlei eher in der Realität verhaftete "Erwachsenenthemen" mehr. Mir wurde beizeiten klar, dass ich es hier mit einer ebenso düsteren wie komplexen Reihe zu tun hatte. Die Überzahl der Figuren und die schiere Länge schreckten mich denn auch anfänglich ab. Da ich außerdem gerade ein Studium aufgenommen hatte, sah ich mich gezwungen, die epische Reise nach kaum 300 Seiten zu pausieren. Das ist überhaupt festhaltenswert: Während meiner Unizeit habe ich hobbymäßig so gut wie keine Bücher gelesen. Vielleicht weil ich in der Nicht-Freizeit, "beruflich" quasi, schon mehr als genug lesen musste?
Erst nach meinem Abschluss fand ich wieder Muße dazu, und heute verschlinge ich einen Schmöker nach dem anderen. Als die TV-Adaption von "A Game of Thrones" startete (und mich auf Anhieb überzeugte), stürzte ich mich auch erneut auf die literarische Vorlage. Es dauerte nicht lang, da hatte ich mich mit Band 5, "A Dance with Dragons" (ich war zur Originalfassung gewechselt), auf den neuesten Stand gebracht, und nach einer weiteren Weile hatte die Fernsehserie die Ereignisse des bis dahin Niedergeschriebenen nicht nur ein-, sondern sogar überholt. Dabei war der sechste Teil schon vor Ewigkeiten angekündigt worden. Mit "The Winds of Winter" stand sogar sein Titel fest, wie auch jener des finalen siebten Bandes, "A Dream of Spring".
2016 stieg die Hoffnung auf ein Erscheinen von Band 6 im Jahr darauf. Das weiß ich noch, weil ich mir für 2017 vorgenommen hatte, hier auf Kybersetzung ein "Let's Read 'The Winds of Winter'" durchzuführen: Ich würde das Abenteuer sozusagen live mit euch als meinem Lesezirkel verfolgen und in einem Fortsetzungsbeitrag meine Gedanken zu den sagen wir jeweils drei letzten Kapiteln niederschreiben. Aber leider hat GRRM seit dem ursprünglich vorgesehenen Release-Jahr (2011!) nichts hervorgebracht außer ein paar Auszüge (auf die ich bisher keinen Blick geworfen habe) sowie diverse Ausflüchte und Entschuldigungen ... und natürlich Dutzende Nebenprojekte! Ich habe einerseits Respekt vor der Schaffenskraft dieses Mannes, andererseits würde ich mir wünschen, er würde sich auf sein Opus magnum fokussieren. Hätte er seinen Output der vergangenen Jahre aufs Wesentliche beschränkt, wären wir mit "Winds of Winter" schon durch und würden "Dream of Spring" entgegenfiebern. Stattdessen: "Wild Cards", "Nightflyers", "Elden Ring", "Dark Winds" (dazu im nächsten Serientagebucheintrag) und und und. Regelmäßig surfe ich auf Martins Blog "Not a Blog" vorbei, nur um zu erfahren, dass der umtriebige und inzwischen auch schon bedenklich alte Autor noch eine Baustelle aufgemacht hat. Oder was er alles vorhat: "I want to return to Morocco, Granada, Seville, Toledo, Madrid, Barcelona, and Asturias as well… oh, and to Portugal too. Lisbon and Porto are amazing. But not until I finish WINDS OF WINTER." Ja, bitte!!! (Dieser Eintrag stammt vom Februar 2023.)
Tja, wie stopft man als Fan so eine popkulturelle Lücke? Die Heckenritter-Trilogie war ein befriedigendes Methadon, und "Feuer und Blut" kann ich mir vorstellen demnächst nachzuholen. Ich habe es mit Steven Eriksons "Spiel der Götter"-Epos versucht, weil mich daran gereizt hat, dass die Lese-Reihenfolge bereits eine Wissenschaft für sich ist, aber ich werde damit einfach nicht warm, stecke seit circa drei Jahren in "Gardens of the Moon" fest. Zuletzt habe ich mir "Between Two Fires" von Christopher Buehlman als Leseprobe heruntergeladen und bin sehr angetan davon, auch wenn das ein etwas anderes Genre zu sein scheint. Doch werde ich jemals nach Westeros zurückkehren? Warten wir's ab.
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