Ich bin auf eine Art froh, dass dieses Cover nicht gezeigt werden darf, denn womöglich würde Google mein Blog mit einer Alterssperre versehen oder ganz einstampfen, zeigte ich den Akt in voller Pracht. Das Verbreitungsverbot ergab sich übrigens nicht aus einer Beschwerde Merkels, sondern war das Resultat einer Klage der Erben des Fotografen (wohl einer der bekanntesten Fotokünstler der DDR), welcher die Nutzungsrechte für dieses Nacktbild seinerzeit nicht für alle Bereiche, wenigstens nicht für die Gestaltung von Satireblättchentitel, freigegeben hatte.
Apropos Titel: Wie man nicht nur der im Heftinnern werbehalber abgebildeten Juni-Konkret entnehmen kann, war der NSU-Prozess das Top-Thema jener Tage und wurde auch in Titanic an prominenter Stelle behandelt. Moritz Hürtgen berichtete aus München zwar nicht von der Verhandlung selbst, aber von einer am Rande gelaufenen Podiumsdiskussion unter Leitung von Stern-Kolumnist Jörges ("... scheint seinen Verstand nun vollständig zu verlieren"). Leo Fischer und ich wählten für unseren Aufmacher den mediensatirischen Zugang und sponnen ein Zeit-Sommerinterview, für dessen Bebilderung einerseits M. Ziegelwagner den Befragenden, Giovanni di Lorenzo, vortrefflich verkörperte, andererseits Layout-Springerin Karina W. als Befragte ihre viel zu schmeichelhafte Parodie der Beate Zschäpe reprisete. (Ich könnte "wiederholte" schreiben, aber ich mag die englische Phrase to reprise one's role.)
Direkt im Anschluss geht es mit di Lorenzo und der Zeit im Allgemeinen weiter, wenn Stefan Gärtner eine testweise für seinen Essay gekaufte Ausgabe der Wochenzeitung sichtet und zu dem Schluss kommt, dass "es sich bei der Zeit, ihres publizistischen Klassenauftrags unbeschadet, mittlerweile um eine Art Landlust mit Politikteil und Verbraucherschutzfokus handelt, wo selbst das Magazin so biedermeierlich trutscht, als vertrage der Patient nun wirklich überhaupt keine Aufregung mehr".
Mein diesmonatiges Highlight sind die "Beobachtungen" von Benjamin Schiffner auf S. 46/47. Wenn ich mich nicht schwerstens irre, handelt es sich hierbei um den bis heute letzten (reinen Wort-)Beitrag meines All-time-Lieblings-Ex-Redakteurs. Seufz.
In Ästhetik und Stimmung stehen die Fotografien von Sebastian Klug denen Schiffners in nichts nach, wie man sich auf der Titelseite von "55ff" überzeugen kann ("Die faszinierende Welt der Kabelbinder"). Auch der Innenteil steckt dieses Mal m.M.n. voller Perlen.
Wer die (mindestens) optische Persiflage auf Anlageheinis Müller'scher Prägung begutachten will, braucht im Übrigen nur drei Seiten weiter zum "Strunk-Prinzip" zu blättern.
Weiteres Notierenswertes
- Peer Steinbrück und kein Ende: Im Editorial und natürlich in einer weiteren Folge "Der unglaubliche Ulk" begegnet er uns diesmal. Es wird interessant sein zu beobachten, wie die SPD-Hoffnung binnen weniger Monate von der Bildfläche verschwindet.
- Zwei echte Anzeigen zieren dieses Heft: eine für Zapf-Umzüge und eine, sogar auf der U4, für Glashütter Nomos-Uhren! Letztere war besonders lukrativ und hatte ein unterhaltsames Nach- und Gewinnspiel zur Folge (ich glaube, bereits beim nächsten Mal).
- Komplett irre, dass in dieser Ausgabe zweimal Petersilienwurzeln vorkommen, nämlich in der "Gemüsemafia" sowie in Hurzlmeiers doppelseitigem "Rübenrevolten"-Gemälde. (Es könnte sich in beiden Fällen auch um Pastinaken handeln, so genau erkennt man es nicht.)
- Absoluter Klassiker von Katharina Greve aus S. 33!
Ein Exemplar, das man besitzen sollte. Wer es sich jetzt online bestellt, bekommt es, soweit ich weiß, allerdings nur mit abgeschnittener U1 geliefert.
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