Vor mehr als sechzehneinhalb Jahren (!) erklärte ich das Wort schmölzen zum "Konjunktiv der Woche". Heute ist es endlich an der Zeit, das gesamte Paradigma schmölz- zum Konjunktiv des Jahrtausends zu küren, nicht nur aus persönlicher Vorliebe, sondern im Sinne zahlreicher anderer, wie man nicht nur in der Süddeutschen Zeitung weiß. Ich zitiere das "Sprachlabor" vom 3. November 2023:
Gewundert wurde sich [...] über die Einsendung von Leser A., die sich zunächst wie ein Text gewordener Begeisterungssturm ausnahm. Es ging um die Formulierung "Schmölze der ganze grönländische Eisschild ...", genauer gesagt um die aus dem "Hamlet" geläufige Verbform schmölze, über die Herr A. sich derart freute, dass er sie gleich dreimal wiederholte: "Schmölze, schmölze, schmölze." (Hier passt, was Ulrich Seidler einmal in der Frankfurter Rundschau schrieb: dass, wer "schmölze" mit ein bisschen Genuss spricht, sich selbst einen Zungenkuss schenke.) So ging es noch eine ganze Weile weiter, im hohen Ton und mit Konjunktiv-II-Bildungen vom Feinsten, bis dann des Pudels Kern ans Tageslicht kam. Herr A. war nämlich nur vom zitierten Halbsatz angetan. Der ganze Satz hatte so gelautet: "Schmölze der ganze grönländische Eisschild, würde der Meeresspiegel um etwa sieben Meter steigen." Worauf A. hinauswollte, das war nichts Geringeres als ein Parallelismus membrorum, also ein mit schmölze korrespondierender Konjunktiv II von steigen, auf dass der Nachsatz so begönne: "... stiege der Meeresspiegel."
Dazu möchte ich Folgendes anmerken. Im Seminar "Einführung ins Neutestamentliche Griechisch" empfahl unser Dozent uns damals, es bei der Übersetzung von Bedingungssätzen analog zu conditional clauses im Englischen zu handhaben: im Nebensatz, also im irrealen "wenn"-Satz, Konjunktiv II, im Hauptsatz Infinitiv nach modalem Hilfsverb ("würde" : would). Weil ich das schön so finde, halte ich mich seit mehr als zwanzig Jahren (!) daran, nicht nur bei Übersetzungen. Der von A. gerügte SZ-Satz hat mein vollumfängliches Okay.
Im Übrigen stelle ich mit Genugtuung fest, dass ich denselben Geschmack wie Connaisseure klassischer deutscher Shakespeare-Ausgaben zu haben scheine.
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