Seit Elon Musks Kauf von Twitter 2022 und der Übernahme der Plattform durch sein Unternehmen X Corp ging und geht es, da erzähle ich sicher nichts Neues, stetig bergab mit dem mir einst lieben Mikrobloggingdienst. Gut, ein Abfall der Qualität und eine Zunahme der Nervensägendichte war seit circa 2014 festzustellen, aber wie Twitter (ich weigere mich, es "X" zu nennen) sich innerhalb eines Jahres in eine virtuelle Scheißhauskabinenwand transformiert hat, ist so tragisch wie erschreckend. Die vielen Verschlimmbesserungen, von denen die Änderung von Name und Logo bloß die Spitze des Eisbergs war, sind sattsam bekannt. Bescheuert finde ich beispielsweise, dass beim Teilen von Links nur noch ein Vorschaubild ohne Überschrift oder sonstige textliche Hinweise auf den Inhalt erscheint. Regelmäßig erhalte ich Spam-DMs, die wie der Großteil der Werbeeinblendungen mit Krypto-Mist zu tun haben. Und wurde nicht jüngst sogar die Blockfunktion abgeschafft? Egal. Ich schaue eh bloß noch sporadisch vorbei (vollständig lösen kann ich mich leider noch nicht). Sollte ich irgendwann abwandern, wird mich niemand vermissen. Zum Zeitpunkt des Musk-Deals hatte ich beachtliche 2080 Follower, am heutigen 17. November 2023 sind es 1910.
Nun ist die Frage: Abwandern wohin? Die Antwort ist einigermaßen klar: Bluesky. Das ist zwar noch nicht ganz so komfortabel und unterhaltsam wie Twitter in seinem heyday, fühlt sich aber beinahe wie eine Ersatzheimat an. Fast alle, die mich über die Jahre hinweg "drüben" begleitet haben, sind inzwischen bei Bluesky angekommen (die Anmeldung setzt nach wie vor einen Invite-Code voraus), nur etwa eine Handvoll Privat-Accounts hat sich dem Exodus verweigert und postet noch ausschließlich auf Twitter. Meine Nutzung von Bluesky sieht so aus: Ich möchte nichts Politisches lesen oder schreiben und Tagesaktuelles so weit wie möglich draußen halten. Zahlreichen aus meiner alten Timeline vertrauten (und bis heute nicht minder geschätzten) Usern kann ich somit nicht mehr folgen. Mein Feed ist übersichtlich, sein Abarbeiten fühlt sich nie nach Pflichterfüllung an, die Gefahr von Doomscrolling besteht nicht. Zwei- bis dreimal täglich öffne ich die App oder die Browser-Version. Ich poste kleine Beobachtungen, pointenlose Gedanken, bisweilen ein kommentiertes Foto oder harmlose dad jokes. Ich bin anonym unterwegs, habe aber schon 146 Follower!
Als behaglichen safe space mag ich Instagram recht gern. Es ist allerdings darauf zu achten, dass man Instagram als reine Bilder-Sharing-Plattform begreift. Geschriebenes oder gesprochenes Wort soll mir dort gestohlen bleiben, ich will Essen, Landschaften, Pflanzen, Tiere und Kunst sehen. Den Algorithmus habe ich ziemlich gut im Griff, selbst die "vorgeschlagenen Beiträge" taugen mir (heute z.B.: atemberaubende Aufnahmen von Japan, Nepal und La Réunion). Einzig die Fake-Profile und Sexbots gehen einem auf den Zeiger. Durchschnittlich zweimal pro Tag bekomme ich eine Meldung wie just in diesem Moment: "monique.charlotte56 folgt dir jetzt". Meist verschwinden diese Störenfriedas aber, bevor sie mir in gaunerischer Absicht eine Message schicken können.
Über Facebook wollen wir den Mantel des Schweigens breiten.
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