Mittwoch, 13. März 2024

Einmal um die halbe Welt

Ich kann ja an keinem Offenen Bücherschrank vorbeigehen, ohne wenigstens einen kurzen Blick hineinzuwerfen. Neulich war es schon fast Mitternacht, als ich in der Nähe meines Stamm-Bücherschranks war, und da dachte ich wie Bilbo Beutlin in diesem Meme: "Warum nicht ... warum nicht hineingucken?" Und siehe, darin befand sich ein sogleich von mir eingesteckter 1180-seitiger Sammelband von 1942 mit dem Titel "This Is My Best. Over 150 Self-Chosen and Complete Masterpieces, Together with Their Reasons for Their Selections", herausgegeben von Whit Burnett. Die "masterpieces" – Short Storys, Gedichte, Essays, autobiographische Notizen, Dramaszenen u.v.m. – stammen von "America's 93 Greatest Living Authors Present". Viele der vertretenen Autoren (und, ist erfreulicherweise zu ergänzen, Autorinnen) kannte ich noch gar nicht! Ich freue mich darauf, sie zu entdecken, denn wenn meine drei Semester Nordamerikanische Literaturwissenschaft zu einer einzigen Sache gut waren, dann, dass sie meine Liebe zu US-amerikanischer Kurzprosa entfacht haben.

Das Buch ist in gutem Zustand. Auf den Fliegenden Vorsatz ist der handschriftlich eingetragene Name (des Vorbesitzers?) Walter Meyer mit schwarzem Filzstift durchgestrichen und durch "Jeremy Devis" ersetzt worden, auf dem hinteren Fliegenden Blatt wurde mit Bleistift festgehalten: "The markings are Bruno's (July 1950)". Am bemerkenswertesten ist aber das, was ich im Inneren entdeckte: eine Rechnung aus dem Jahr 1961, die vermutlich als Lesezeichen gedient hat und von einem südafrikanischen Bekleidungshaus stammt.


Den Ausstatter Arthur Bales, "established 1902", gibt es immer noch. Heute scheint er auf Wolle und Strickzubehör spezialisiert zu sein, und von Braamfontein ist er in die erst 1959 gegründete Johannesburger Voorstad Randburg umgezogen. Und was wurde dort damals erstanden?


Das ist etwas knifflig. Ich dachte erst, Hose sei das Afrikaans-Wort für "Hose", aber nein, "Hose" heißt auf Afrikaans broek. 1,25 Rand wären für eine Hose denn auch unglaublich billig: Der Betrag entspräche heute inflationsbereinigt und umgerechnet 6,71 Euro. Ist die Zeile dann englisch? Aber wieso würde ein Kleidungsgeschäft Schläuche (hoses) verkaufen? Die Lösung liegt wohl in der mir bisher unbekannten Zweitbedeutung von hose: "Strumpf, Socke". Herr oder Frau de Beer hat also Strumpfwaren gekauft. Hoffentlich waren sie von guter Qualität.

Die im Bücherschrank entstandene Lücke werde ich nachher mit einem anderen Wälzer ausfüllen, ich habe nämlich gestern endlich, endlich den 684-Seiter "Das Monstrum" beendet. Das auch als "Tommyknockers" untertitelte und verfilmte Werk ist meiner Meinung nach das schwächste, das ich von Stephen King bis jetzt gelesen habe. Die mangelhafte Übersetzung machte diese Erfahrung nicht eben weniger anstrengend.

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