Samstag, 4. Mai 2024

Ich bin ein schlechter Konsument

Liebe deutsche Wirtschaft, es tut mir leid, dass ich dich nicht ankurble. Tu ich zumindest nicht, indem ich genug konsumiere.

Die Frage 'Wann habe ich zuletzt etwas für mich gekauft?' ging mir neulich durch den Kopf, und ich konnte keine Antwort finden. Mit etwas kaufen meine ich nicht Lebensmittel oder das 49-Euro-Ticket oder sonst was Unabdingbares, sondern eine sog. Anschaffung. Ich habe mir ewig keine Kleidung gekauft, kein technisches Gerät, keinen Einrichtungsgegenstand. Weil ich schlicht nichts brauche. Auch den Drang, mir etwas, das ich nicht brauche, einfach zu gönnen, verspüre ich nicht. Eine Drohne vielleicht? Ach, die darf man doch eh kaum noch irgendwo steigen lassen, und wer schaut sich die Aufnahmen am Ende überhaupt an? Ein VR-Headset? Da müsste ich zuvor eine intensive Testphase einleiten, und ganz ehrlich: Der eine Systemseller, den man, den ich unbedingt gespielt haben muss, ist mir nicht bekannt. Ein Staubsaugerroboter? Über den würde ich ständig stolpern. Ein Airfryer? Kein Platz. Bücher beziehe ich fast ausschließlich über Bibliotheken und Offene Bücherschränke; der letzte Kauf war ein E-Book für 3,99 Euro ("Dent's Modern Tribes" von Susie Dent). Okay, zwei schnieke Schuhbürsten, eine grobe und eine ganz feine, haben kürzlich meinen Hausstand bereichert, doch habe ich die nicht selbst erworben, sondern ich durfte sie mir aussuchen (in einem Bürstenladen!), es war ein Ostergeschenk. Regelmäßig leiste ich mir hochwertige Duschgels, hole mir bei Manufactum handgefertigte Aleppo- oder Antiochia-Seifen, und ich achte darauf, stets zwei Parfüms im Bad stehen zu haben. Aber das alles sind Dinge, von denen ich sehr lange zehre und die nun auch nicht gerade klaffende Löcher in die Haushaltskasse reißen.

Just als ich begann, über das Schreiben dieses Blogbeitrags nachzudenken, las ich auf "Spiegel online", dass ich mit meiner Zurückhaltung nicht allein bin: "Die Angst der Deutschen vor dem Shoppen. Der private Konsum soll die Wirtschaft stützen. Doch obwohl die Inflation sinkt und die Einkommen steigen, halten die Deutschen ihr Geld lieber zusammen." Woran das liegt, steht hinter der Paywall, aber mir ist's klar: Die Angst vor weiteren Preissteigerungen sitzt tief, positiven Inflationsprognosen wird kaum getraut. "Laut der Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsinstitute in Deutschland wird die Inflationsrate im Jahr 2024 rund 2,3 Prozent betragen. Die Wirtschaftsinstitute rechnen somit grundsätzlich mit einer weiteren Entspannung bei den Preisanstiegen, nicht zuletzt weil die Energierohstoffpreise mittlerweile wieder deutlich gesunken sind. Dennoch rechnen die Institute erst im Jahr 2025 mit einer Inflationsrate unter zwei Prozent." (Statista, veröff. am 27.3.24) Zumal als nächstes die Kaffeepreise explodieren: "Marktführer Tchibo hat den Kaffeepreis kräftig erhöht, doch laut Steffen Schwarz ist das nur der Anfang. Der Experte sagt, dass die Bohnen noch deutlich teurer werden müssen [...] '25 bis 30 Euro pro Kilo muss ich mindestens bereit sein zu zahlen'" (abermals "Spiegel online" im Vorspann eines Bezahl-Artikels). Nee, es ist nicht die Zeit, um gedankenlos mit Scheinen um sich zu werfen. Ich gehe davon aus, dass noch in diesem Jahrzehnt der Krieg deutschen Boden erreichen wird, und für den Fall einer notwendig werdenden Flucht aus Deutschland (oder jedenfalls Hessen) ist es gut, etwas auf der hohen Kante zu haben.

Aber hey, eine karierte Stoffhose will ich mir schon lange zulegen. Wenigstens dieses Projekt kann ich ja demnächst angehen ...

1 Kommentar:

  1. Kein Wunder, dass Lebensmittel immer teurer werden. Wenn sich der Durchschnitts-Deutsche nichts anderes mehr kauft, kann man die Konsumenten beim Essen schröpfen, insbesondere bei "Luxus"-Artikeln wie Kaffee, Schokolade, etc. Die breite Masse zahlt brav, weil man ja sonst nichts braucht.

    Ich bin mir nicht so sicher, ob Angst vor weiteren Preissteigerungen der Grund ist, sich nichts mehr zu kaufen. Eher würde ich es so sehen, dass viele Menschen einfach schon genug haben, um glücklich zu sein. In den letzten Jahren wurden Fahrräder gehamstert, irgendwann wollen die auch mal bewegt werden. Bei guter Pflege hält ein Rad mindestens 10 Jahre. Ähnlich ist es mit dem Weber-Grill, den High-End-TV, etc, pp. Und wenn ich überlege, wie wenig Klamotten ich ver(!)brauche, seit ich nur noch im HomeOffice arbeite. Huiuiui, die armen Pakistanischen Schneider - aber mein Schrank ist voll und ich benötige einfach keine neuen Hemden mehr!

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