Samstag, 20. Juli 2024

Aus der Satirewerkstatt

Dieser Bericht entstand nicht nur mit Billigung, sondern nach ausdrücklicher Anregung von Michael Ziegelwagner.

In der Titanic-Redaktion ist es meine Aufgabe, die Rubrik "Das politische Gedicht" zu füllen. Dazu bestelle ich jeden Monat in der ersten oder zweiten Woche bei einem verdienten Heftlyriker meiner Wahl, i.d.R. ohne Themenvorgabe, einen knackigen Mehrzeiler; notfalls muss ich, wie im Juni geschehen, selbst zur Feder greifen.

Am 9. Juli fragte ich ebendeswegen in Wien bei M. Ziegelwagner an. Schon am Abend des 11.7. kam die Lieferung, in nicht weniger als "drei Versionen, einmal formal locker, einmal formal streng, einmal ein Kompromiß". Und so ging es:

Prinzip Hoffart

Abgesagt: Le Pens Triumphmarsch.
Abgewählt: der Tory-Staat.
Im Iran verliert der Dumpfarsch
geg’n den Mann, der moderat*).

Staunend reibt man sich die Augen:
Weil die Hoffnung Nahrung kriegt,
dass die Umfragen nicht taugen.
Dass am End’ Vernunft obsiegt.

Dass am End’ auch in Amer’ka
Rechtsstaat (Biden) triumphiert!
Und dass Trump, dieser Berserker,
am Wahltag einem Atten-
tat zum Opfer fällt, auf der 5th
Avenue angeschossen, im Staub liegengelassen, plattgetrampelt,
von einem streunenden Puma beschnuppert, geschändet, mit sechs verschiedenen venerischen Krankheiten infiziert,
nach vielen Stunden Röchelns, Kotzens, Blutverlustes,
überrollt von zwölf Dampfwalzen,
aufgeschaufelt,
von einem Trommelhäcksler zerhäckselt,
zu Viehfutter verarbeitet,
wieder herausgeschissen, als Dünger für ein Baumwollfeld verwendet
und somit als Präsident
verhindert
wird.

M.Ziegelwagner, Ernst-Bloch-Lehrstuhl für Democracy, Kalamazoo County

*) Mossad Peschesskian (oder so)
In der als formal strenger angekündigten Fassung stellte sich die dritte Strophe wie folgt dar:
Dass am End’ auch in Amer’ka 
Rechtsstaat (Biden) triumphiert! 
Und dass Trump, diesen Berserker, 
einer abknallt und ihn röchelnd  
auf der Straße liegenlässt, wo-
rauf ein tollwütiger Puma 
ihn beschnuppert, ableckt, schändet, 
und mit Dutzenden Geschlechtskrank-
heiten infiziert, wodurch die 
Sau nach vielen Stunden Leidens, 
Zeterns, Kotzens, Blutverlustes, 
überrollt von sechs Dampfwalzen, 
plattgetrampelt, aufgeschaufelt,
und von einem Trommelhäcksler 
fein zerhäckselt, als Viehfutter 
dienend, aufgefressen, ausge-
schissen, düngend ein Baumwollfeld
als Präsident 
verhin-
dert 
wird.
... während die Kompromiss-Version so auslief:
Dass am End’ auch in Amer’ka 
Rechtsstaat (Biden) triumphiert! 
Und dass Trump, diesen Berserker, 
einer abknallt und ihn röchelnd 
auf der Straße liegenlässt, worauf ein 
streunender Puma ihn be-
schnuppert, ableckt, schändet, 
und mit Dutzenden venerischen Krank-
heiten infiziert, wodurch die 
Sau nach vielen Stunden Leidens, 
Zeterns, Kotzens, Blutverlustes, 
überrollt von sechs Dampfwalzen 
plattgetrampelt, aufgeschaufelt 
und von einem Trommelhäcksler 
fein zerhäckselt, als Viehfutter 
verwendet, aufgefressen, wieder ausge-
schissen und ein Baumwollfeld düngend 
als Präsident ver-
hindert 
wird. 
Alles sehr schön, befand ich, und nahm die erste ab. Am folgenden Sonntagmorgen erfuhr das noch schläfrige Mitteleuropa, dass D. Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem Attentäter angeschossen worden war. Ein paar Stunden später – ich befand mich gerade wandernd im Taunus – erreichte mich eine SMS von Michael: "Hm, jetzt wirkt mein politisches Gedicht irgendwie merkwürdig." Dem stimmten am Montag Chefredakteurin Julia Mateus und ich zu. Es wurde beschlossen, ein Ersatz-Poem abzudrucken.

Das ursprüngliche Werk dem Giftschrank zu überantworten, hätte ich nun aber doof gefunden. Ich schlug Michael vor, er solle es wenigstens (samt Einordnung) auf Facebook veröffentlichen, worauf er meinte, nee, wenn, dann lieber auf deinem (also meinem) Blog! Und hier isses nun. Was aber wird im Augustheft der Titanic zu finden sein? Das, liebe Leserinnen und Leser, erfahrt ihr am 27. Juli.

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