Donnerstag, 31. Oktober 2024

TITANIC vor zehn Jahren: 11/2014

Es ist nicht mit abschließender Sicherheit geklärt, an welchem Tag die Erstausgabe von Titanic an die Kioske kam. Der 28. Oktober sei's gewesen, hieß es irgendwo, interne Recherchen ließen den 1. November wahrscheinlich erscheinen. Jedenfalls war die Novemberausgabe 1979 die Premierennummer, was bedeutet, dass 35 Jahre später (am 31.10.; das lässt sich tatsächlich genau bestimmen) dies Jubiläum begangen wurde:


Ich finde ja immer noch, dass dieser bestenfalls halbrunde Geburtstag etwas zu enthusiastisch gefeiert wurde, sowohl auf dem Titel als auch im Heft, welches direkt auf der ersten Innenseite (!) mit einem Special beginnt. Die Strecke "Was haben wir gelacht!" haben laut meinem Urheberschafts-Dokument Tim Wolff und ich verfasst. Der hübsch rotznäsige, wenn auch für Erstleser nahezu unverständliche Artikel hat den Dreh, dass sich die darin zu Wort kommenden Prominenten falsch "an ihre TITANIC-Lieblinge aus 35 Jahren" erinnern.


Noch irrer geht es auf der Doppelseite "Das habe ich nicht verstanden" zu (von Michael Ziegelwagner und mir), wo Ungereimtheiten, Fehltritte und Rätsel "aufgeklärt" werden. Ich habe den Artikel im Sommer vor Publikum gelesen, und er sorgte überraschenderweise für etliche Lacher.


Die vorliegende Ausgabe markiert einen bittersüßen Wendepunkt: Sie ist die letzte, an der Stephan Rürup als Redakteur mitgearbeitet hat. Sein Schwanengesang war eine Kooperation mit Moritz Hürtgen zum Thema "Rückkehr von deutschen IS-Auswanderern", mit mehreren, z.T. wimmelbildartigen Cartoons.


Rürups würdiger Nachfolger Leo Riegel ließ einmal mehr seine Kultfigur Der Graf von Unheilig auftreten ...


... und legte auf der Doppelseite "Was fliegt denn da?" (S. 34f.) ein weiteres Exempel seiner immensen künstlerischen Bandbreite vor:


Die Zeit-Magazin-Rubrik "Sagen Sie jetzt nichts" wurde im Laufe der Titanic-Historie drei Mal (!) parodiert. Das hier (S. 46f.) war aber auch zu naheliegend, zumal seit Ewigkeiten der kapitale Sammelband mit Heinrich Hoffmanns Führerporträts als Scannerdeckel-Beschwerer an Hardy Burmeiers Arbeitsplatz lag (und bis heute liegt).


Als Kuriosum am Rande (S. 11) hier noch die in Vergessenheit geratene Geschichte, wie uns der Bundesnachrichtendienst einmal Geld für einen Witz überwiesen hat:


Weiteres Notierenswertes
- Im Editorial dieser Ausgabe findet sich das vor zwei Monaten angedeutete "Nachspiel" unseres Seniorenparkbesuchs: in Form einer (unredigierten) Gegendarstellung.
- Die beim letzten Mal von mir gelobte Folge von "Bilanz eines verpfuschten Lebens" (David Schuh) ist hier, auf S. 18, zu genießen. "Am besten gefiel es dem Leimener in seinem 'Wohnzimmer' Wimbledon, wo er ebenso ungeniert auf den Boden zu rotzen beliebte wie zu Hause in seiner geschmacklos eingerichteten monegassischen Steuerfluchtvilla. Die Nation war mächtig stolz auf ihren Filzkugelhinundherschläger No. 1 und bestrafte ihn mit Heldentum, was seine Persönlichkeit sukzessive ins Unerfreulichere hin veränderte."
- Hape Kerkeling, der soeben sein neues Buch "Gebt mir etwas Zeit" vorgelegt hat, war ausweislich einer Anspielung auf S. 2 vor exakt zehn Jahren ebenfalls mit einer autobiographischen Veröffentlichung im Gespräch. Was sagt man dazu?
- Ladies and gentlemen, auf den Seiten 26 bis 27 sehen Sie etwas, das wir (in diesem Fall: M. Ziegelwagner et moi) heute wohl nicht mehr exakt so machen würden. Auf den ersten und sogar auf den zweiten Blick erkennt man die satirische Absicht des Foto-Leitfadens
"Tante M'Bonga empfiehlt: Die besten Hausmittelchen gegen Ebola!" wahrlich nur mit Mühe. Die Stoßrichtung des (allem ungeachtet ziemlich pointensatten) Artikels ergab sich aus der schrecklichen Häufung von Ebola-Ausbrüchen und der darauf in der "westlichen Welt" folgenden Angst vor und Misstrauen gegenüber dem gesamten afrikanischen Kontinent und seiner Bewohner. Es stellt sich die alte Frage: Perpetuiert, legitimiert, zementiert man rassistische Klischees, wenn man sie, und sei es auf entlarvende und überzogene Weise, repliziert? Dass uns solche Gedanken schon beim Abfassen des Beitrags umtrieben, spiegelt sich in der kecken Referenz in unserem "Das habe ich nicht verstanden"-Spezial: "Zusammenfassend kann man aber festhalten, daß hier nicht die Schwarzen Ziel der Satire sind, sondern die armen Erkrankten – egal welcher Hautfarbe." (S. 7) Das weiß-rosa karierte Hemdchen, das unsere "Aunt Jemima"-Karikatur anhat, trägt Tom Hintner übrigens noch heute gelegentlich bei der Arbeit.
- Unkonventionell: Der Comic von Rattelschneck/Schiffner, dessen Titel ich hier nicht wiedergeben mag, umfasst zwei Seiten, die aber getrennt voneinander platziert sind (32, 43)!
- Meister Zufall (?) gibt sich die Ehre: In Titanic 11/14 schreibt Peter Köhler über Schach (S. 33), zehn Jahre später schreibt ebenjener im Eulenspiegel über – Schach (S. 52f.).

Schlussgedanke
Ich mag diese Ausgabe sehr. Den Jubiläumsbezug hätte man wie gesagt ein wenig zurückfahren können, doch immerhin lenkt jener von der sich stetig verschlimmernden Weltlage ebenso ab wie die launigen Artikel zu eher abseitigen und unverfänglichen Themen (Köhler; Gunnar Homann über Cloppenburg; Tietze/Ziegelwagner: "Pro und kontra Erektion"). Erfreulich ist auch, wie bildlastig diese Ausgabe geraten ist, kulminierend in der reizenden stillen Rückseite, bei der es sich um einen einmaligen gezeichneten Beitrag des langjährigen "Briefe"- und "Fachmann"-Schreibers Tibor Rácskai handelt.

Mittwoch, 30. Oktober 2024

Traumprotokoll: Beauty-Gossip

Ich war mit meiner Freundin im Italienurlaub. In einem sehr hügeligen Ort wollten wir Kaffee trinken. Als wir uns in einem netten Café zwei extravagant aussehende Törtchen bestellt und an unseren Sitzplatz (im Freien) mitgenommen hatten, fiel uns auf, dass wir gar keinen Kaffee hatten! Da wir uns jedoch genierten, noch einmal reinzugehen, um Getränke zu ordern, stapfte ich eine steile Straße hinunter in Richtung Bahnhof, mich daran erinnernd, dass sich dort ein Getränkeautomat befand. Aus diesem gedachte ich Kaffee zu zapfen, allein ich kam nicht so weit, denn auf dem Weg dorthin passierte ich ein Kosmetikfachgeschäft, aus dessen Innerem ich Folgendes aufschnappte: Die Kardashians, so raunte eine Frau ihren Freundinnen zu, ließen sich in ihre Hautcremes und Pflegetinkturen angeblich die Asche verstorbener Haustiere rühren. Diese Zutat sei der Schönheit der Anwenderinnen besonders zuträglich. Genau, bestätigte eine aus dem Grüppchen, deshalb mischten immer mehr Kosmetikhersteller ihren Produkten Tierasche bei. Nun war ich neugierig. Ich betrat das Geschäft und scannte jedes Döschen, jede Tube nach dem Inhaltsstoff Asche ab. Gleichzeitig plante ich einen satirischen Artikel zu verfassen, in dem behauptet wird, dass Prominente neuerdings sogar auf die Asche menschlicher Toter zurückgriffen. Kichernd wachte ich auf.

Montag, 28. Oktober 2024

Steinernes Gedächtnis

Ich habe hier einst offenbart, dass ich mir das Wort Gabionen partout nicht merken kann. Inzwischen habe ich es, wenn ich es denn mal brauche, zwar zuverlässig auf der Zunge, aber es tat gut zu erfahren, dass ich mit meiner (nun hoffentlich überwundenen) Gabionenschwäche nicht alleine bin. Woher erfuhr ich das? Aus einem Rattelschneck-Comic in der aktuellen Titanic:

Samstag, 26. Oktober 2024

10 Must-sees aus 100 Have-seens (5)

Weitere 100 Filme wurden von mir geschaut und bewertet, und ihr wisst, was das heißt: Aus diesen 100 gilt es zehn zu erkiesen, die ich für unverhandelbar sehenswert halte. Na ja, was heißt "unverhandelbar"; man kann über meine (zudem recht mainstreamige) Auswahl sicher streiten. Es ganz knapp nicht geschafft haben es z.B. "Nope" und "Yi Yi". 

  • Wer die Nachtigall stört
  • The Menu
  • All is Lost
  • Zack Snyder's Justice League
  • Indiana Jones und das Rad des Schicksals
  • The Whale
  • Triangle of Sadness
  • Beau is Afraid
  • 2001: Odyssee im Weltraum
  • Civil War

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

Your Name
Kann es sein, dass ich in meinem Blog noch nie einen Anime besprochen habe? Weil ich halt noch nie einen gesehen habe? Selbst die großen Ghibli-Klassiker, die mir von allen, die sie kennen, ans Herz gelegt werden, habe ich bisher verpasst.
Aber es gibt für alles ein erstes Mal, und der Grund, warum ich mir "Your Name" von 2016 auserkoren habe, ist so gut wie jeder andere: In einer Episode des "Omnibus"-Podcasts über Body-switch-Filme kam die Sprache auf ihn. Ein Körpertausch (bzw. Bewusstseinstausch) als plot device findet sich in allen möglichen Filmgenres: Komödie, Horror, Romanze. "Your Name" würde ich als Coming-of-Age-Drama einordnen. Es hat durchaus auch komische Elemente, Spannung und Herz. Leider gibt es einen gravierenden Logikfehler (den ich nicht verraten möchte, da er auf einen entscheidenden Twist Bezug nimmt), der sich nur mit sehr, sehr viel suspension of disbelief ignorieren lässt. Insgesamt war ich aber angetan: Die Geschichte ist ungewohnt und einfallsreich, ich habe das ein oder andere über die japanische Kultur erfahren (auch Dinge, die ich nicht unbedingt wissen muss), die Optik ist fantastisch, und selbst die typischen, mit unsynchronisiertem Gesang unterlegten Montagen wirkten nicht befremdlich, sondern im Gegenteil absolut stimmig und stimmungsvoll.
Fest steht: Das wird nicht mein letzter Anime gewesen sein.

Arcadian
Von Amts wegen muss eigentlich in jeder dieser Listen ein Nicolas-Cage-Film auftauchen! Einen ausreichend großen Pool, aus dem man schöpfen kann, gibt es ja. Der dystopische Minimalist-Cast-Horror "Arcadian" (2024) ist oberer Durchschnitt. Hinsichtlich Machart und Prämisse finden sich leider viele allzu vertraute Versatzstücke: "A Quiet Place" plus "Bird Box" mit einem Schuss von Shyamalans "The Village". Zu loben ist das einzigartige Kreaturen-Design; der Look und vor allem der Klang der Monster bleiben in Erinnerung. Nic Cages Spiel ist diesmal zurückgenommener, aber nicht weniger intensiv als sonst.

Willkommen Mr. Chance (OT: Being There)
Habe ich an dem zuletzt von mir gesehenen Inspektor-Clouseau-Teil kein gutes Haar gelesen, so lobte ich doch den Einsatz des Hauptdarstellers. In einem aus den Gesetzen des Alltags gehebelten Kosmos eine ernste, ja überernste Miene zu wahren, ist eine Kunst, und Peter Sellers hat sie perfektioniert: Er ist der traurige Clown im absurdistanischen Staatszirkus.
Überaus straight spielt er auch in dieser Kultstatus genießenden Tragikomödie von 1979 – in seinem vorletzten Auftritt überhaupt – den geistig zurückgebliebenen Gärtner Mr. Chance. Dieser sieht sich nach dem Tod seines Dienstherren zum ersten Mal mit der echten Welt konfrontiert. Unfähig, Emotionen zu zeigen und zwischenmenschliche Signale zu deuten, seine simplen Worte sparsam einsetzend und unanfällig für soziale Marker, wird er von der ihn plötzlich umgebenden, sehr feinen und bis in die Kreise der Hochpolitik reichende Gesellschaft als erfrischend authentisch, ehrlich und to the point wahrgenommen. Dass ihm daraus Ruhm, Verehrung und Liebe erwächst, ist ein satirisches Element, das mir bisweilen etwas plump erschien. Da stolpert jemand ohne sein Zutun und gegen seinen Willen die Karriereleiter hinauf – und am Ende wie Jesus übers Wasser. Okay, verstanden, wir sind so blind und abgestumpft, dass wir den beschränkten Roboter als Messias akzeptieren. Dennoch ein bemerkenswertes Stück Kinogeschichte.

Men
Ich schrieb es bereits beim letzten Mal im Zuge der Besprechung des bombastischen "Civil War": "Men" ist "so mittel". Angenehm schaurig ist er in den kameratechnisch ausgefuchsten Momenten schwelender Bedrohung (Bsp.: Am hellichten Tag steht ein nackter Freak vor dem Fenster der telefonierenden, achtlos durch ihr Feriendomizil irrenden Protagonistin); schockierend im Sinne von "Diese Bilder krieg ich nie wieder aus dem Kopf!" ist er hinsichtlich der auf elf gedrehten Bodyhorror-Klimax. Wie das Ganze gesellschaftspolitisch und feministisch einzuordnen ist, mögen Leute entscheiden, die sich mit derlei auskennen. Es bleibt der Nachgeschmack einer gemischten Tüte voller zusammenklebender Süßigkeiten ohne individuelle Note.

Mountain Queen: The Summits of Lhakpa Sherpa
Endlich wieder was über hohe Berge! Die Netflix-Doku porträtiert die nepalesisch-amerikanische Sherpani Lhakpa, die den Mount Everest zwischen 2000 und 2022 zehn Mal bestiegen hat – öfter als jede andere Frau –, woraus sie aber nie einen großen Hehl gemacht hat. Im Gegenteil ist diese Heldin, die auch eine Heldin des Alltags ist, so unheroisch und bescheiden, dass man ihr die späte Anerkennung umso mehr gönnt. Durch diesen Film aus dem Jahr 2023 wurde die aus einfachsten Verhältnissen stammende Lhakpa gewiss (und zu Recht) noch berühmter.

Ant-Man and the Wasp
Noch einmal muss ich mein Vergangenheits-Ich zitieren: "Die Fortsetzung(en) nachzuholen, behalte ich mir vor." Dies notierte ich in meinem kleinen Absatz zum ersten "Ant-Man", und nun ist's geschehen, ich habe Teil 2 geschaut. Mit Gewinn! Der Esprit und der Humor des Vorgängers wurden wieder aufgenommen (Hauptdarsteller Paul Rudd hat erneut am Drehbuch mitgewirkt, und tatsächlich fanden die allermeisten Gags bei mir Anklang), das eingespielte Ensemble muss man einfach liebhaben, die Action langweilt kaum. Die Verknüpfungen mit dem MCU, darunter jenes die dritte Phase beschließende Thanos-Event, kann man getrost ausblenden.

Die Bounty (OT: The Bounty)
Über die Meuterei auf der Bounty und ihre Folgen glaubt man das Wesentliche zu wissen? Nun, ich habe durch diese filmische Nachzeichnung, die sich freilich die ein oder andere narrative Freiheit erlaubt, einiges gelernt. Vierzig Jahre nach seinem Kinostart ist das Abenteuer mit Anthony Hopkins und Mel Gibson so packend wie ein zeitgemäßes Bewegtbildprodukt, mit dialogischer und mimischer Intensität ersten Ranges. Die Angespanntheit, die Verzweiflung unter der Crew, die Motivation ihrer Mitglieder, das ist alles greifbar und erinnert an die Atmosphäre in der jüngeren Amazon-Serie "The Terror".
In weiteren Rollen: Daniel Day-Lewis, Bernard Hill, Liam Neeson und Laurence Olivier.

Beast
Baltasar Kormákur hat (apropos hohe Berge, s.o.) 2015 das hervorragende 3D-Abenteuer "Everest" gedreht und bleibt sich hier seinem Gespür für Nervenkitzel treu. "Beast" führt uns bzw. einen Witwer (immer wieder cool: Idris Elba) und seine Töchter in ein südafrikanisches Reservat, wo ein wild gewordener Löwe sein Unwesen treibt. Die bissige Menschenhatz inklusive notorischer Gefahrensituationen wie dem Steckenbleiben mit dem Jeep sorgen für gefälligen Survival-Horror. Da man dem Publikum keine anderthalb Stunden lange Verfolgungsjagd zumuten kann, musste das Bestienspektakel mit Familientragik aus dem Klischeehandbuch angedickt werden. Zwischen den eindrucksvollen Raubkatzenangriffen ist also hin und wieder Langeweile angesagt.

Picknick am Valentinstag (OT: Picnic at Hanging Rock)
Peter Weirs Romanumsetzung von 1975 gilt als Meilenstein des australischen Kinos. Was ist das Besondere an diesem stillen, traumwandlerischen Sittengemälde? "Picnic at Hanging Rock" gibt vor, auf wahren Begebenheiten zu basieren, das tut es aber nicht. Dadurch, dass der vermeintliche zu Grunde liegende Kriminal(?)fall, das Verschwinden mehrerer Internatsschülerinnen, nie aufgeklärt worden sein soll, wirkt das Erzählte umso authentischer und beunruhigender. Was geschah wirklich bei jenem Ausflug am Valentinstag anno 1900?
Crime, ob True oder nicht, darf man indes nicht erwarten. Das gut zweistündige Drama verläuft ohne größere Spannungskurven, geschweige denn Gewaltspitzen. Es geht gemächlich zu, man muss sich drauf einlassen.

Gorky Park
Um ein mysteriöses Verbrechen (und hier liegt tatsächlich ein solches vor) geht es auch in diesem Polit-Thriller von 1983: eine amerikanische Produktion, die in der Sowjetunion spielt. Wikipedia: "Im Original sprechen die Schauspieler, die Sowjetbürger darstellen, bis auf wenige Ausnahmen, englisch mit britischem Akzent, so auch der Amerikaner William Hurt. Die amerikanischen Charaktere sprechen mit amerikanischem Akzent. Dies dient dazu, die beiden Gruppen hörbar voneinander zu unterscheiden. In der deutschen Synchronisation sprechen alle Charaktere Hochdeutsch." (Ich habe die deutsche Synchronfassung gesehen, konnte aber stets erfassen, welche Figur welche Staatsangehörigkeit hatte.) Wikipedia ist auch zu entnehmen, dass Helsinki und Stockholm als Moskau-Doubles herhalten mussten.
Nettes Kalter-Kriegs-Flair, ordentliche Hard-boiled-Stimmung, eine Prise Action, ein sauber konstruierter Plot. Und mit der Auflösung dessen, worum es von Anfang an geht, i.e. einem gewissen Objekt der Begierde, hätte ich weiß Gott nicht gerechnet.

Dienstag, 22. Oktober 2024

Map(o) To(fu) the Stars

Ich musste im Asialaden eine ganze Weile die unzähligen Regalreihen mit den Bohnen- und sonstigen Pasten abscannen, bis ich fand, was ich brauchte, nämlich Doubanjiang, auch bekannt als Toban Djan, und womöglich gibt es noch weitere Übersetzungen und Schreibweisen.


Wozu aber benötigte ich diese Chili-Bohnen-Soße? Um Mapo-Tofu zu machen! Und das geht so: 1,5 EL des Toban Djan werden mit 2 EL heißem Öl in einer Pfanne oder einem Wok etwa 2 Minuten unter Rühren angebraten. 2 Frühlingszwiebeln in Ringen (von denen ein wenig Grün zum Garnieren zur Seite gelegt worden ist) sowie 2 fein gehackte Knoblauchzehen* in die Pfanne geben und 1 Minute braten. 200 ml Wasser hineingießen, alles verrühren und 400 g Tofu (Natur) in Würfeln dazugeben. Mit 1/2 TL Zucker, 1/4 TL Salz und 1 Prise Pfeffer würzen und circa 10 Minuten köcheln lassen.

* In meinem Rezept steht 3, aber ich habe 2 genommen, weil die Zehen, die ich hatte, ziemlich groß waren.

1,5 EL Speise- oder Maisstärke in 2 EL Wasser einrühren und in die Mischung geben. Pfanne vom Herd nehmen und alles behutsam durchmengen, bis die Soße eine schöne Konsistenz erlangt hat. 1/2 TL Szechuanpfeffer gleichmäßig drüberstreuen, mit Reis servieren und mit dem Frühlingszwiebel-Grün garnieren. Ergibt zwei Portionen.


Wenn jemand einen Vorschlag hat, was ich mit den restlichen 350 Gramm Toban Djan anstellen kann, bin ich dankbar.

Sonntag, 20. Oktober 2024

Live von der Buchmesse (Tag 4, Tag 5, Fazit)

Gestern bin ich den ganzen Tag nicht zum Schreiben gekommen, und auch in den nächsten Stunden wird das Posten nur häppchenweise vonstatten gehen, was freilich zum "Live"-Charakter dieses Blog-Specials beiträgt. Es lohnt sich jedenfalls, später noch einmal auf Kybersetzung vorbeizusurfen! Diesen ersten Absatz verfasse ich auch gar nicht auf der Buchmesse, sondern noch in meinem Wohnzimmer. Ab 14 Uhr werde ich am Titanic-Stand anzutreffen sein (Halle 3.0, H85); WER WAS KLÄREN WILL ...

Für den gestrigen Messesamstag gab es bereits am Freitag, was meiner Erinnerung zufolge ein Novum war, keine regulären Besuchertickets mehr! Die per Pressemitteilung verlautbarten Rekordzahlen waren denn auch spürbar: So ein Gedränge und Geschiebe wie gestern habe ich selten erlebt. Der blanke Horror! Ob es heute noch doller wird? Ich fürchte, ja, steht doch ab 12 Uhr 30 die Cosplay-Meisterschaft an. Für Leute, die an "regulären" Ausstellern interessiert sind, lohnt sich ein Besuch am Sonntag indes weniger, da dann vor allem etliche ausländische Aussteller bereits abgereist und die Stände verwaist sind.

So, hier kommt der dritte Absatz, den ich nun doch wieder zu Hause tippe. Am Titanic-Stand war dermaßen viel los, dass ich mit nichts anderem als Verkauf, Finanzverwaltung und Kundengesprächen beschäftigt war. Hat aber Spaß gemacht. Erstmals habe ich auch den offiziellen Messeschluss miterlebt: Es ist Tradition, dass nach der Rausschmeißer-Lautsprecherdurchsage um 17 Uhr 30 alle noch verbliebenen mitgewirkt Habenden laut applaudieren, um zu zeigen: Das haben wir erfolgreich hinter uns gebracht! Und wie erfolgreich es war! Aus der soeben reinflatternden Pressemitteilung: "Mit 115.000 Fachbesucher*innen (Vorjahr: 105.000) aus 153 Ländern (Vorjahr: 130 Länder) und 115.000 Privatbesucher*innen (Vorjahr: 110.000) legte sie sowohl als internationale Geschäftsmesse der Publishing- und Medienbranche wie auch als Festival des Lesens zu – und dies trotz limitierter Kartenkontingente für die beiden Wochenendtage."

Drei netten Veranstaltungen habe ich heute noch beigewohnt: einer über Indie-Games, einer über taiwanische Comics sowie einer Mini-Einführung in die chinesische Sprache. Außerdem konnte ich endlich die Ausstellung der Stiftung Buchkunst mit den schönsten Büchern des Jahres bewundern. Es war im Übrigen weitaus weniger Andrang als befürchtet; der Besucher-Peak war tatsächlich gestern Mittag bis Nachmittag. Festzuhalten ist noch, dass im Gegensatz zu vergangenem Jahr nirgendwo "Free Palest*ne!"-Aushänge zu erblicken waren. Und KI-generierte Buchcover oder Werbemotive gab es zwar erwartungsgemäß durchaus, ihre Zahl blieb jedoch im Rahmen des Zumutbaren.

Zum Abschluss die am Donnerstag versprochene Rucksack-Geschichte. Haltet euch fest! Ich hocke also bei einem Vortrag, lasse den Blick schweifen und sehe, dass die Frau neben mir den gleichen Rucksack hat wie ich. So weit, so unspektakulär. (Es handelt sich um ein gewöhnliches Modell von Dakine.) Wer aber lässt sich zu meiner Linken nieder, während ich eine halbe Stunde später bei der nächsten Präsentation (an einem anderen Stand) sitze? Eine (andere!) Frau mit dem exakt gleichen Rucksack!!!

Freitag, 18. Oktober 2024

Live von der Buchmesse (Tag 3)

Freitag, erster Publikumstag: Der Einlass dauert länger, das Internet ist schlechter. Aber wie jedes Jahr bin ich entzückt angesichts der Massen an begeisterten jungen Leuten, die man mit so etwas (vermeintlich) Angestaubtem wie einer Buchmesse in die echte Welt locken kann. (In diesem Zusammenhang notierenswert: Es heißt jetzt nicht mehr "Young Adult", sondern "New Adult".)

Nach einer Präsentation über griechische Inseln als Reiseziele für archäologisch Interessierte begab ich mich zum Forum.1, wo sich alljährlich das jeweilige Gastgeberland präsentiert, und war baff: Der Saal mitsamt den kleineren Räumen ringsum ist in ein veritables Museum verwandelt worden. Zu bewundern sind originale (!) Exponate aus Italiens reichem Kulturschatz: Fresken aus Pompeji, Radierungen von Piranesi, Erstausgaben von Macchiavellis "Prinzen". Auf der zentralen Bühne interpretierte ein Pianist vor einer "Best of Cinema Italiano"-Slideshow beliebte Popnummern.




Kurzum: Das gerne mal links liegen gelassene Forum sollte bei einem Buchmessenbesuch 2024 auf keinen Fall ausgelassen werden.

Damit habe ich nun jede Halle besucht. Nachdem ich das hier fertig getippt habe, muss ich mich entscheiden, ob ich um 13 Uhr zu Bärbel Schäfers Büchertalk mit Horst Evers gehe oder zu "Der Herr vom Ringwall. Eine spannende Erzählung auf Basis neuster archäologischer Forschungserkenntnisse" (es geht um den Gallischen Krieg aus keltischer Perspektive). Hernach werde ich mir eine Ruhepause gönnen, weil der heutige Tag lang zu werden droht. (Freilich kein Vergleich zu FRÜHER, wo praktisch an jedem Abend der Woche eine Party anstand.)

Zeigen möchte ich noch diese Entdeckung an einer Spielestation in Halle 4.1, die mir die Tränen in die Augen zu treiben vermochte. Daneben stand sogar ein Super Nintendo zum Spielen bereit, befand sich aber gerade in Beschlag.

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Live von der Buchmesse (Tag 2)

"Es ist wieder Extravagante-Brillen-und-schrille-Schals-Messe in Frankfurt." (Leo Fischer)

Der Vortrag über die "kleinen Sprachen" entpuppte sich als mein Highlight des ersten Tages. Eine rätoromanisch und eine ladinisch schreibende Autorin sprachen mit einer wiederum aus dem Katalanisch übersetzenden Expertin übers Dichten in verschiedenen Sprachen, Selbstübersetzung, Sprachensterben und das Denken außerhalb der Heimat.

Heute habe ich 9 Uhr 40 das Haus verlassen und war 10 Uhr 03 an der FAZ-Bühne (Andreas Platthaus traf Clemens Meyer). Nicht schlecht, was? Nach einer verlängerten Mittagspause werde ich a.a.O. Andrea Diener im Gespräch mit Jackie Thomae zuhören, und 14 Uhr steht der Vortrag "Dunkles Zeitalter? Das missverstandene Jahrtausend" am Stand von – die Feder sträubt sich, es hinzuschreiben – "The Länd" (Baden-Württemberg) an. [Korrektur: Der Vortrag fand am Podium Rheinland-Pfalz statt, drehte sich aber um eine Ausstellung im archäologischen Landesmuseum BaWü mit dem Titel "The hidden Länd".] Dann ist auch schon Schluss für heute, denn ich habe noch redaktionelle Schreibarbeiten zu erledigen. Außerdem ist wie jeden Donnerstag Wochenmarkt, ich werde vom Messegelände direkt dorthin trotten. Deshalb befindet sich in meinem Rucksack ein leerer Eierkarton, von dem ich gehofft hatte, er würde bei der Einlasskontrolle wahlweise für Amüsement oder Misstrauen sorgen ("Sie wollen wohl Thomas Gottschalk mit Eiern bewerfen?"), aber der Security-Check war heute ausnehmend lax. Über meinen Rucksack muss ich noch etwas schier Unglaubliches zum Besten geben, was ich mir aber für morgen oder übermorgen aufspare.

Seien wir ehrlich: Das primäre Ziel eines Messebesuchs ist das Abstauben möglichst vieler Give-aways. Hier ist meine gestrige Ausbeute:


Dabei halte ich mich dieses Jahr noch zurück, denn Kugelschreiber habe ich momentan in Hülle und Fülle, und Mini-Marsriegel und Gummibärchen würde ich nicht mal einstecken, um sie weiterzuverschenken. Verlockend war es gestern auch, sich am Willkommens-Buffet des Taiwan-Pavillons gütlich zu tun, doch zwischen all den Menschen, die wirkten, als wären sie im Business stärker involviert als ich, zog ich es vor, aufs Schmarotzen zu verzichten.


Apropos Schmausen: Heute werde ich mangels eigener Verpflegung tatsächlich etwas zu essen
kaufen. Im Pressezentrum gibt es Wraps zu okayen Preisen. Und wo wir schon bei praktischen Tipps sind: Hier sind drei von mir. 1.) Auf der zentralen Freifläche gibt es Wasserspendesäulen, an denen man sich kostenlos seine Trinkflasche auffüllen kann, so man denn eine dabei hat. 2.) Es ist in den Messehallen immer wärmer, als man es sich vorzustellen vermag. Jedes Mal schwitze ich. Also: Zieht euch möglichst dünn an oder nach dem Zwiebelprinzip! 3.) Eine kaum bekannte, prima zum Verschnaufen geeignete Zone ist das Business-Center im Torhaus, direkt gegenüber dem Pressebereich. Dort ist es ruhig, es hat Steckdosen und bequeme Sitze, und die Toiletten sind stets sauber und meistens frei.

Zu guter Letzt dies: Kurz nachdem ich gestern den überraschend sympathisch gewordenen Jürgen Trittin erlebt hatte, sah ich an anderer Stelle zufällig Claudia Roth. Ob die beiden sich später noch getroffen haben?

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Live von der Buchmesse (Tag 1)

Eigentlich erstaunlich, dass ich noch nie etwas Größeres über die Frankfurter Buchmesse, die ich immerhin seit über zehn Jahren regelmäßig besuche, geschrieben habe. Nicht dass ich erwarte, besonders Berichtenswertes zu erleben (lustiges Buchmessenbloggen überlasse ich Leuten, die das besser können als ich), aber da ich die kommenden Tage eh nicht dazu kommen werde, über Blogthemen nachzudenken, beginne ich jetzt einfach ein kleines Messetagebuch.

Das Pressezentrum, wo ich gerade den ersten Kaffee des Tages zu mir nehme, ist diesmal ganz woanders und viel schöner als sonst! Es befindet sich im sog. Torhaus, über welches ich zufälligerweise vorhatte, heuer das Messegelände zu betreten, da es in kaum zehn Minuten Gehweite von meinem Zuhause entfernt liegt. Leider kommt man ausgerechnet zur Buchmesse nicht über das Torhaus hinein, so dass ich einen der zwei mir bekannten, offiziellen Zugänge nutzen musste. Nun gut, hatte ich halt einen längeren Morgenspaziergang.

Nach ersten Erkundungen willkürlich ausgewählter Hallen wollte ich einem Vortrag mit dem vielversprechenden Titel "Die Macht von Subgenres und Tropes" lauschen, musste aber feststellen, dass der im Young-Adult-Bereich der "Frankfurt Authors Stage" stattfand, und als ich unter schätzungsweise 50 jungen Frauen lediglich einen mittelalten Mann erblickte, beschloss ich, dass das wohl eher nix für mich ist. Da praktischerweise die Literaturbühne von ARD, ZDF und (noch!!!) 3sat in der Nähe liegt, schaute ich dort vorbei und konnte Bärbel Schäfers Bücher-Talk mit Gast Jürgen Trittin beiwohnen.


Als nächstes, um 13 Uhr 30, steht "Über Odin und andere Helden. Sabine Appel im Gespräch mit Madelyn Rittner über ihre Zeit in Bad König" auf meiner Veranstaltungs-Agenda. (In Bad König war ich erst dieses Jahr! [Korrektur: Stimmt gar nicht. Hab's mit Bad Orb verwechselt.]) Danach folgen "Teil einer grossen Sprachfamilie sein – Vom Schreiben, Übersetzen und Selbstübersetzen in und aus Sprachen mit wenig Sprecher*innen" und die feierliche Eröffnung des taiwanischen Pavillons. Insgesamt ist das Programm m.M.n. eher mau; 2023 konnte ich nahezu durchgängig interessante Shows, Interviews und Paneldiskussionen erleben, oftmals musste ich mich zwischen zwei gleichzeitig terminierten Events entscheiden. Auch geben sich weniger Promis die Ehre als im Vorjahr, ist mein Eindruck. Ansonsten aber ist viel los, es herrscht tüchtiges Gedränge, und bereits am Vormittag waren an beinahe allen Ständen Meet-and-greets im Gange. Eine Zufallsbegegnung mit einem Bekannten hatte ich auch schon – erfahrungsgemäß werden noch einige folgen. Der Wettergott zeigt sich gnädig, für Speis und Trank ist gesorgt. Auf der Agora bieten zig Fressbuden internationale Gerichte zu Mondpreisen an. Ich habe mir wohlweislich ein Jausenpaket gepackt: eine Käse-, eine Hummusstulle, eine halbe Minigurke und einen Apfel. Äpfel liegen löblicherweise auch am Presseschalter gratis herum. Ich fülle aber jetzt erst mal meinen Kaffeepott auf ...

Montag, 14. Oktober 2024

Symptomatisches Kauderwelsch?

Ich lasse mich hier immer mal wieder über die mangelhafte Qualität von Videospiel-Übersetzungen aus – zu Recht, wie ich finde. In ansonsten höchst erfreulichen Spielen wie den "The Walking Dead"-Adventures von Telltale vermögen misslungene Untertitel, die im günstigsten Fall ungelenk, im schlimmsten Fall sinnentstellend oder -frei geraten sind, die Gesamterfahrung deutlich zu trüben. (Heute erlebt: Mit Blick auf ein Helikopterwrack murmelt der Protagonist "So much for the military ...", was übersetzt wird mit "Das Militär hat viel getan." Wenig später fordern wir einen kleinen Jungen auf: "Sagen Sie niemanden!")

Dass Games deutsche Untertitel haben, und zwar nur Untertitel und keine deutsche Tonspur, ist ein separates, aber damit zusammenhängendes Problemfeld. Diesem widmete sich in der letzten GameStar (Ausgabe 10/2024) Gerald Weßels Artikel "Weniger Synchronfassungen: Fremdsprache Deutsch?". Nachdem ich diesen gelesen habe, verlagert sich das Ziel meines Grolls angesichts der grassierenden Lokalisierungs-Ausrutscher weg von den direkt verantwortlichen, i.e. übersetzenden, Menschen hin zu einem System, in dem einiges im Argen liegt. Da ist – wer hätt's gedacht? – zum einen der Kostenfaktor.
Anett Enzmann [freiberufliche Übersetzerin] beziffert folgendermaßen, wie die Honorare zustande kommen: "Erzielbare Preise bewegen sich auf einer Spanne von sechs bis zwölf Cent pro Wort im Ausgangstext für die Übersetzung und zwei bis vier Cent für Korrektorat."
Bei "typischerweise um die 2.000 Wörter", die man pro Tag schafft, kommt da nicht viel rum. Hier kann ich als freiberuflicher Autor nur (an wen auch immer) appellieren: Bezahlt Geistesarbeiter ordentlich, am Ende haben alle was davon! Ideal wäre es in diesem konkreten Fall freilich, wenn sich Publisher oder Studios in house festangestellte Übersetzer/innen leisteten, die dann zwangsläufig näher dran wären an den Inhalten, am Stoff. Aber nein:
Läuft der Auftrag über eine Agentur, besteht auch meistens kein direkter Kontakt zu Entwicklern, weder zu Beginn des Projekts noch währenddessen. Stattdessen gibt es vorab schriftliche Briefings zur Welt und zu allem, was sonst noch zu beachten ist. [...] Das Spiel selbst bekommen die Texter mehrheitlich auch nie zu sehen, sondern nur exportierte Dateien und Begleitdokumente zur Einführung in die jeweilige Welt und ihre Besonderheiten. Spielzeit würde ohnehin nicht bezahlt werden. Bildmaterial wird lediglich in Form von Screenshots oder als Video gestellt.
[...] Übersetzungsfehler seien deshalb oft ärgerliche Resultate von fehlendem oder zu ungenau erläutertem Kontext, so Anett Enzmann.

Am Ende wird natürlich auch das Thema Maschinenübersetzung gestreift:
Abseits sogenannter Computer Assisted Translation (CAT) Tools mit integrierter Datenbank und einiger Sonder-Features verbreiten sich verstärkt Ansätze, Spiele komplett automatisiert zu übersetzen und nur jemanden drüberschauen zu lassen. Aber der Aufwand ist teils höher, als gleich alles selbst zu erledigen, wie Anett Enzmann im Gespräch erläutert: "Die KI macht Fehler, teils winzige, aber dafür etliche, und das andauernd. Denn sie versteht den Kontext nicht, in Gesprächen übersieht sie geschlechtsspezifische Anreden oder sie kann den Fluss eines Dialogs nicht nachvollziehen."
[...] Der notwendige Aufwand werde obendrein sträflich unterschätzt – und mies bezahlt: Es gibt meist nur ein Drittel des regulären Wortpreises hierfür.
Wohltuend zu lesen, dass der Heilsbringer KI einmal mehr für nichts als Verschlimmbesserung sorgt. Aber klar: "Entscheider mit Finanzgewalt, zumeist Publisher und Agenturen, versprechen sich davon Einsparungen." Nicht nur von Budget, sondern auch von Zeit: Es muss ja heute alles husch-husch gehen, wie auch bei Filmen und Serien hat die deutsche Synchro wenige Tage nach dem Original zu erscheinen, am liebsten gleichzeitig mit diesem.

Abschließend möchte ich noch eine Klarstellung von Begrifflichkeiten zitieren, welche ich selbst wiederholt unsauber verwendet habe:
Anett Enzmann erklärt den Unterschied zwischen Übersetzung und Lokalisierung: "Es ist mehr als nur eine reine Übertragung in eine andere Sprache, es ist die Anpassung an eine andere Kultur." Es gehe darum, den Gepflogenheiten der Zielsprache zu entsprechen.
Ein lokalisierter deutscher Text ist meistens rund 30 Prozent länger als ein englischer. Wortlänge und Grammatik sind hierfür entscheidend. Bei begrenztem Platz in Benutzeroberflächen kann es deshalb oft gequetscht zugehen. Die mögliche Bandbreite solcher Änderungen ist gewaltig, und doch ist das simpelste Beispiel ein Witz. Denn Scherze, Sprichwörter oder Umgangssprache generell in eine neue Sprache zu übertragen, erfordert Fingerspitzengefühl und Kenntnis der spezifischen Situation, in der der Originalsatz vorkommt.

Samstag, 12. Oktober 2024

Das gute Samstagsvideo

Nach langer Pause habe ich mal wieder ein Kreuzworträtsel aus dem TV-Magazin des Stern vor laufender Kamera gelöst. Ohne zu viel verraten zu wollen: Kurz bevor das Video abbricht, kommt mir ein "Heureka!"-Moment.

 

Donnerstag, 10. Oktober 2024

Ich und du und ees und alle

Auf einer Südtiroler Alm schlug ich eine Speisekarte auf und fand darin etwas vor, das mir als historisch-vergleichenden Sprachwissenschaftler das Herz höher schlagen ließ:


enk heißt "euch", hatte aber ursprünglich die Bedeutung "euch beide" und fiel somit in die Numeruskategorie Dual. Zur Auffrischung: Singular = Einzahl ("du"), Plural = Mehrzahl ("ihr"). Mit Letzterem ist der indogermanische Dual, die Zweizahl, zusammengefallen – in manchen Einzelsprachen früher, in manchen später. (Einige nicht-indogermanische Sprachen kannten bzw. kennen sogar einen Trial.)

Dass dieses grammatische Kuriosum in meinem Hirn präsent war, verdankte ich einem Zufall: Als ich im Juli den Blogbeitrag "What's that(')s?" schrieb, konsultierte ich die Mittelhochdeutsche Grammatik von Helmut de Boor und Roswitha Wisniewski (Berlin 1956), las mich darin fest und entdeckte im Kapitel über das Pronomen diesen Absatz (§ 93.3):
Alte Dualformen, die Pluralbedeutung angenommen haben, finden sich im Bairisch-Österreichischen des 14./15. Jhs. (2. Pl.Nom. ëʒ, Dat.Akk. ënc).
Ergänze: "... und bis ins 21. Jh. hinein"! Was ich übrigens nicht erst seit dem entzückenden Berghüttenfund weiß; mein in München teilsozialisierter Kollege Moritz Hürtgen klärte mich schon vor Jahren darüber auf, dass dort bisweilen die Form es (mit langem e) als Alternative zu "ihr" zu hören ist. Bestimmt war mir dieses Relikt auch schon im Studium begegnet. Und weil Gevatter Zufall gern doppelt, sozusagen dual, zuschlägt, widmet sich auch ein Punkt der 13. Fragerunde des "Atlas zur deutschen Alltagssprache" dem bairischen Spezialpronomen. Hier kann man sehen, wo "ees/es/ös" noch verwendet wird:

Dienstag, 8. Oktober 2024

Soulfood für Faule

Im Mai 2008 habe ich ein Rezept namens "Mexikanischer Tomatenauflauf" auf meiner Festplatte gespeichert, letztes Wochenende habe ich es zum ersten Mal umgesetzt, und heute möchte ich das Ergebnis mit euch, liebe Fans der unkomplizierten Wohlfühl-Kulinarik, teilen.


Und so könnt ihr es nachkochen. (Wie so oft habe ich die Zutatenliste leicht an meinen Geschmack angepasst.) In einer großen Pfanne je nach Geschmack (bzw. geplanter sozialer Interaktion am Folgetag) 1 bis 2 zerdrückte Knoblauchzehen in Öl anbraten. Eine grüne Paprikaschote, gewürfelt, sowie 2 Dosen gehackte Tomaten hinzugeben. Mit 1 EL Rotweinessig o.ä. (ich habe Himbeeressig verwendet), 1 TL Zucker, 1 TL Chilipulver (oder mehr, wer's schärfer mag), etwas Pfeffer und nach Wunsch weiteren Gewürzen (1/2 TL Paprikapulver, eine Prise Kreuzkümmel ...) verfeinern und unter gelegentlichem Umrühren maximal 10 Minuten simmern lassen. Dann den abgetropften Inhalt von 3 kleinen Dosen Mais (à 140 g) in die Masse schütten, weitere 3 Minuten erhitzen.

Den Boden einer Auflaufform mit Tortilla-Chips (Sorte: Natur/Salz) auslegen, die Hälfte der Tomatenmasse drüber gießen und darauf die Hälfte einer 150-g-Tüte Reibekäse streuen. Eine weitere Lage Chips auslegen, den Rest der Masse und darauf den restlichen Käse verteilen. Zuoberst 100 bis 150 g saure Sahne tupfen. 15 Minuten im Ofen auf der mittleren Schiene backen, anschließend mit gehacktem Schnittlauch bestreuen. ¡Que aproveche!

Sonntag, 6. Oktober 2024

Tod eines Übersetzers

Das ganz nette Videospiel "Open Roads" habe ich schon vor einer Weile durchgespielt. Zwei weitere Lokalisierungs-Fehlgriffe habe ich dabei fotografisch festgehalten (nicht: "gescreenshotted", denn ich spiele Xbox am Fernseher), und diese ließen in mir den Verdacht aufkeimen, dass für die Übersetzungen von allem, was kein Dialog ist – also Itembezeichnungen, Namen, Schriftzüge in der Spielwelt etc. –, überhaupt keine Menschen verantwortlich zeichneten, sondern Maschinen, Software, KI. (Wobei die Verdeutschung der Dialoge ehrlich gesagt auch nicht unbedingt gelungen ist.) Wie sonst ist so etwas zu erklären?


Lange habe ich hierüber gegrübelt:


... bis mir aufging, dass hier im Original "Close" steht, jedoch nicht als Verb ("Schließen"), sondern als Adjektiv gedeutet wurde.

PS: Obwohl ich immer noch gerne und regelmäßig spiele, habe ich schon lange keine Rezension mehr veröffentlicht. Ich hab's nicht vergessen! Irgendwann werde ich es schaffen, meine zuletzt gespielten Computer- und Xbox-Games in einem Sammelbeitrag vorzustellen.

Freitag, 4. Oktober 2024

Schon jetzt an Weihnachten riechen!

Leute, ich gebe es auf, meine Liste der Räucherkerzchensorten aus dem Hause Knox weiterzuführen. Vergangenes Wochenende war ich in der Erzgebirgsstadt Seiffen, wo 365 Tage im Jahr Weihnachten ist, und in den unzähligen Holzkunst- und Endjahresschmuck-Geschäften sah ich so viele mir unbekannte Varianten, dass mir schwindelig wurde (das könnten aber auch die ganzen sich ununterbrochen drehenden Pyramiden ausgelöst haben). Nicht nur bei Knox, sondern auch bei der Konkurrenz (Crottendorfer, Neudorfer) sind sie scheint's völlig außer Rand und Band: Melonenduft fand ich vor, Pfirsich, Waldhonig, Edel-Kakao und etwas, das sich "Winter-Orange" nannte. Außerdem das alles hier:


Müßig zu erwähnen, dass ich aus Neugier hie und da zugeschlagen habe ...

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Serientagebuch 09/24

04.09. Futurama 9.06
Andor 1.06
05.09. Grace 4.04
06.09. Insomnia 1.01
Insomnia 1.02
16.09. Andor 1.07
Insomnia 1.03
Gotham 4.21
17.09. Futurama 9.07
18.09. Futurama 9.08
19.09. Insomnia 1.04
Insomnia 1.05
Gotham 4.22
23.09. Insomnia 1.06
Andor 1.08
Andor 1.09
24.09. Criminal Record 1.01
Person of Interest 3.01
26.09. Criminal Record 1.02
Futurama 9.09

Grace ist mittlerweile nach "Der junge Inspektor Morse" meine Lieblingskrimireihe aus England. Die Fälle der vierten Staffel führten auf erfrischende Weise in verschiedene Milieus, waren geistreich, vertrackt und forderten den Zuschauer. Das Ensemble wächst einem immer mehr ans Herz. Der folgenübergreifende Plot, welcher zum Teil in Deutschland spielt (wobei ich mich gefreut hätte, wenn tatsächlich mal in Deutschland gedreht worden wäre), nimmt gerade genug Raum ein, dass er nicht vom jeweiligen Hauptfall ablenkt. Gelegentlich war, wie bei "Morse" zwischenzeitlich auch, eine leichte Genre-Verschiebung vom klassischen Whodunit zum Thriller hin zu vernehmen, was mich aber nicht verstimmte.

Erstaunlich, dass ich noch nie etwas zu Gotham geschrieben habe bis auf jene Notiz vor ziemlich genau sieben Jahren: "Mir fällt eine Last von den Schultern. Ich habe beschlossen. 'Gotham', 'The Big Bang Theory' sowie 'Mr. Robot' nicht weiterzuschauen. Die jeweilige Begründung spare ich mir, ich empfehle aber, es mir gleichzutun."
Haha! Die zwei letztgenannten Serien habe ich später sehr wohl bis zum Finale weitergeschaut und habe es nicht vollends bereut. Auch "Gotham" bin ich bereit irgendwann zu beenden. Wenn ich, vsstl. 2025, mit der fünften und letzten Staffel durch bin, werde ich ausführlicher auf die Probleme wie auch auf die positiven Aspekte der Batman-Interpretation eingehen. Zur mit 22 Episoden abermals sehr lang (zu lang imho) geratenen vierten Staffel kann und möchte ich vorerst dies festhalten: Der Anfang war nicht nur überdurchschnittlich unterhaltsam, sondern stellenweise grandios, der Mittelteil mit seinen zig "Jeder gegen jeden"-Wendungen ermüdete und stresste mich (und offenbar auch den Writers' Room; 'Herrje, euch schwimmen langsam die Felle davon, oder?', dachte ich mehr als einmal), zum Ende hin wurde es dann wieder okay. "Gotham" gucken ist Hate-watching par excellence.

In der Mitte schwächeln, das ist ein Symptom, das leider auch beim Psychodrama Insomnia auszumachen war. Und das bei gerade mal sechs Folgen Umfang! Zum Glück ging der nicht unspannenden und bisweilen subtil gespenstischen Geschichte nicht komplett die Luft aus. Es passierte allerlei, und ich wollte unbedingt wissen, was dahinter steckt. Vicky McClure als von Schlafstörungen geplagte (hence the title) Mutter und Rechtsanwältin überzeugte mich in dieser britischen Miniserie unerklärlicherweise weniger als in früheren Produktionen, in denen ich sie erlebte.