Es ist nicht mit abschließender Sicherheit geklärt, an welchem Tag die Erstausgabe von Titanic an die Kioske kam. Der 28. Oktober sei's gewesen, hieß es irgendwo, interne Recherchen ließen den 1. November wahrscheinlich erscheinen. Jedenfalls war die Novemberausgabe 1979 die Premierennummer, was bedeutet, dass 35 Jahre später (am 31.10.; das lässt sich tatsächlich genau bestimmen) dies Jubiläum begangen wurde:
Ich finde ja immer noch, dass dieser bestenfalls halbrunde Geburtstag etwas zu enthusiastisch gefeiert wurde, sowohl auf dem Titel als auch im Heft, welches direkt auf der ersten Innenseite (!) mit einem Special beginnt. Die Strecke "Was haben wir gelacht!" haben laut meinem Urheberschafts-Dokument Tim Wolff und ich verfasst. Der hübsch rotznäsige, wenn auch für Erstleser nahezu unverständliche Artikel hat den Dreh, dass sich die darin zu Wort kommenden Prominenten falsch "an ihre TITANIC-Lieblinge aus 35 Jahren" erinnern.
Noch irrer geht es auf der Doppelseite "Das habe ich nicht verstanden" zu (von Michael Ziegelwagner und mir), wo Ungereimtheiten, Fehltritte und Rätsel "aufgeklärt" werden. Ich habe den Artikel im Sommer vor Publikum gelesen, und er sorgte überraschenderweise für etliche Lacher.
Die vorliegende Ausgabe markiert einen bittersüßen Wendepunkt: Sie ist die letzte, an der Stephan Rürup als Redakteur mitgearbeitet hat. Sein Schwanengesang war eine Kooperation mit Moritz Hürtgen zum Thema "Rückkehr von deutschen IS-Auswanderern", mit mehreren, z.T. wimmelbildartigen Cartoons.
Rürups würdiger Nachfolger Leo Riegel ließ einmal mehr seine Kultfigur Der Graf von Unheilig auftreten ...
... und legte auf der Doppelseite "Was fliegt denn da?" (S. 34f.) ein weiteres Exempel seiner immensen künstlerischen Bandbreite vor:
Die Zeit-Magazin-Rubrik "Sagen Sie jetzt nichts" wurde im Laufe der Titanic-Historie drei Mal (!) parodiert. Das hier (S. 46f.) war aber auch zu naheliegend, zumal seit Ewigkeiten der kapitale Sammelband mit Heinrich Hoffmanns Führerporträts als Scannerdeckel-Beschwerer an Hardy Burmeiers Arbeitsplatz lag (und bis heute liegt).
Als Kuriosum am Rande (S. 11) hier noch die in Vergessenheit geratene Geschichte, wie uns der Bundesnachrichtendienst einmal Geld für einen Witz überwiesen hat:
Weiteres Notierenswertes
- Im Editorial dieser Ausgabe findet sich das vor zwei Monaten angedeutete "Nachspiel" unseres Seniorenparkbesuchs: in Form einer (unredigierten) Gegendarstellung.
- Hape Kerkeling, der soeben sein neues Buch "Gebt mir etwas Zeit" vorgelegt hat, war ausweislich einer Anspielung auf S. 2 vor exakt zehn Jahren ebenfalls mit einer autobiographischen Veröffentlichung im Gespräch. Was sagt man dazu?
- Ladies and gentlemen, auf den Seiten 26 bis 27 sehen Sie etwas, das wir (in diesem Fall: M. Ziegelwagner et moi) heute wohl nicht mehr exakt so machen würden. Auf den ersten und sogar auf den zweiten Blick erkennt man die satirische Absicht des Foto-Leitfadens "Tante M'Bonga empfiehlt: Die besten Hausmittelchen gegen Ebola!" wahrlich nur mit Mühe. Die Stoßrichtung des (allem ungeachtet ziemlich pointensatten) Artikels ergab sich aus der schrecklichen Häufung von Ebola-Ausbrüchen und der darauf in der "westlichen Welt" folgenden Angst vor und Misstrauen gegenüber dem gesamten afrikanischen Kontinent und seiner Bewohner. Es stellt sich die alte Frage: Perpetuiert, legitimiert, zementiert man rassistische Klischees, wenn man sie, und sei es auf entlarvende und überzogene Weise, repliziert? Dass uns solche Gedanken schon beim Abfassen des Beitrags umtrieben, spiegelt sich in der kecken Referenz in unserem "Das habe ich nicht verstanden"-Spezial: "Zusammenfassend kann man aber festhalten, daß hier nicht die Schwarzen Ziel der Satire sind, sondern die armen Erkrankten – egal welcher Hautfarbe." (S. 7) Das weiß-rosa karierte Hemdchen, das unsere "Aunt Jemima"-Karikatur anhat, trägt Tom Hintner übrigens noch heute gelegentlich bei der Arbeit.
- Unkonventionell: Der Comic von Rattelschneck/Schiffner, dessen Titel ich hier nicht wiedergeben mag, umfasst zwei Seiten, die aber getrennt voneinander platziert sind (32, 43)!
- Meister Zufall (?) gibt sich die Ehre: In Titanic 11/14 schreibt Peter Köhler über Schach (S. 33), zehn Jahre später schreibt ebenjener im Eulenspiegel über – Schach (S. 52f.).
Schlussgedanke
Ich mag diese Ausgabe sehr. Den Jubiläumsbezug hätte man wie gesagt ein wenig zurückfahren können, doch immerhin lenkt jener von der sich stetig verschlimmernden Weltlage ebenso ab wie die launigen Artikel zu eher abseitigen und unverfänglichen Themen (Köhler; Gunnar Homann über Cloppenburg; Tietze/Ziegelwagner: "Pro und kontra Erektion"). Erfreulich ist auch, wie bildlastig diese Ausgabe geraten ist, kulminierend in der reizenden stillen Rückseite, bei der es sich um einen einmaligen gezeichneten Beitrag des langjährigen "Briefe"- und "Fachmann"-Schreibers Tibor Rácskai handelt.