Donnerstag, 24. Oktober 2024

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

Your Name
Kann es sein, dass ich in meinem Blog noch nie einen Anime besprochen habe? Weil ich halt noch nie einen gesehen habe? Selbst die großen Ghibli-Klassiker, die mir von allen, die sie kennen, ans Herz gelegt werden, habe ich bisher verpasst.
Aber es gibt für alles ein erstes Mal, und der Grund, warum ich mir "Your Name" von 2016 auserkoren habe, ist so gut wie jeder andere: In einer Episode des "Omnibus"-Podcasts über Body-switch-Filme kam die Sprache auf ihn. Ein Körpertausch (bzw. Bewusstseinstausch) als plot device findet sich in allen möglichen Filmgenres: Komödie, Horror, Romanze. "Your Name" würde ich als Coming-of-Age-Drama einordnen. Es hat durchaus auch komische Elemente, Spannung und Herz. Leider gibt es einen gravierenden Logikfehler (den ich nicht verraten möchte, da er auf einen entscheidenden Twist Bezug nimmt), der sich nur mit sehr, sehr viel suspension of disbelief ignorieren lässt. Insgesamt war ich aber angetan: Die Geschichte ist ungewohnt und einfallsreich, ich habe das ein oder andere über die japanische Kultur erfahren (auch Dinge, die ich nicht unbedingt wissen muss), die Optik ist fantastisch, und selbst die typischen, mit unsynchronisiertem Gesang unterlegten Montagen wirkten nicht befremdlich, sondern im Gegenteil absolut stimmig und stimmungsvoll.
Fest steht: Das wird nicht mein letzter Anime gewesen sein.

Arcadian
Von Amts wegen muss eigentlich in jeder dieser Listen ein Nicolas-Cage-Film auftauchen! Einen ausreichend großen Pool, aus dem man schöpfen kann, gibt es ja. Der dystopische Minimalist-Cast-Horror "Arcadian" (2024) ist oberer Durchschnitt. Hinsichtlich Machart und Prämisse finden sich leider viele allzu vertraute Versatzstücke: "A Quiet Place" plus "Bird Box" mit einem Schuss von Shyamalans "The Village". Zu loben ist das einzigartige Kreaturen-Design; der Look und vor allem der Klang der Monster bleiben in Erinnerung. Nic Cages Spiel ist diesmal zurückgenommener, aber nicht weniger intensiv als sonst.

Willkommen Mr. Chance (OT: Being There)
Habe ich an dem zuletzt von mir gesehenen Inspektor-Clouseau-Teil kein gutes Haar gelesen, so lobte ich doch den Einsatz des Hauptdarstellers. In einem aus den Gesetzen des Alltags gehebelten Kosmos eine ernste, ja überernste Miene zu wahren, ist eine Kunst, und Peter Sellers hat sie perfektioniert: Er ist der traurige Clown im absurdistanischen Staatszirkus.
Überaus straight spielt er auch in dieser Kultstatus genießenden Tragikomödie von 1979 – in seinem vorletzten Auftritt überhaupt – den geistig zurückgebliebenen Gärtner Mr. Chance. Dieser sieht sich nach dem Tod seines Dienstherren zum ersten Mal mit der echten Welt konfrontiert. Unfähig, Emotionen zu zeigen und zwischenmenschliche Signale zu deuten, seine simplen Worte sparsam einsetzend und unanfällig für soziale Marker, wird er von der ihn plötzlich umgebenden, sehr feinen und bis in die Kreise der Hochpolitik reichende Gesellschaft als erfrischend authentisch, ehrlich und to the point wahrgenommen. Dass ihm daraus Ruhm, Verehrung und Liebe erwächst, ist ein satirisches Element, das mir bisweilen etwas plump erschien. Da stolpert jemand ohne sein Zutun und gegen seinen Willen die Karriereleiter hinauf – und am Ende wie Jesus übers Wasser. Okay, verstanden, wir sind so blind und abgestumpft, dass wir den beschränkten Roboter als Messias akzeptieren. Dennoch ein bemerkenswertes Stück Kinogeschichte.

Men
Ich schrieb es bereits beim letzten Mal im Zuge der Besprechung des bombastischen "Civil War": "Men" ist "so mittel". Angenehm schaurig ist er in den kameratechnisch ausgefuchsten Momenten schwelender Bedrohung (Bsp.: Am hellichten Tag steht ein nackter Freak vor dem Fenster der telefonierenden, achtlos durch ihr Feriendomizil irrenden Protagonistin); schockierend im Sinne von "Diese Bilder krieg ich nie wieder aus dem Kopf!" ist er hinsichtlich der auf elf gedrehten Bodyhorror-Klimax. Wie das Ganze gesellschaftspolitisch und feministisch einzuordnen ist, mögen Leute entscheiden, die sich mit derlei auskennen. Es bleibt der Nachgeschmack einer gemischten Tüte voller zusammenklebender Süßigkeiten ohne individuelle Note.

Mountain Queen: The Summits of Lhakpa Sherpa
Endlich wieder was über hohe Berge! Die Netflix-Doku porträtiert die nepalesisch-amerikanische Sherpani Lhakpa, die den Mount Everest zwischen 2000 und 2022 zehn Mal bestiegen hat – öfter als jede andere Frau –, woraus sie aber nie einen großen Hehl gemacht hat. Im Gegenteil ist diese Heldin, die auch eine Heldin des Alltags ist, so unheroisch und bescheiden, dass man ihr die späte Anerkennung umso mehr gönnt. Durch diesen Film aus dem Jahr 2023 wurde die aus einfachsten Verhältnissen stammende Lhakpa gewiss (und zu Recht) noch berühmter.

Ant-Man and the Wasp
Noch einmal muss ich mein Vergangenheits-Ich zitieren: "Die Fortsetzung(en) nachzuholen, behalte ich mir vor." Dies notierte ich in meinem kleinen Absatz zum ersten "Ant-Man", und nun ist's geschehen, ich habe Teil 2 geschaut. Mit Gewinn! Der Esprit und der Humor des Vorgängers wurden wieder aufgenommen (Hauptdarsteller Paul Rudd hat erneut am Drehbuch mitgewirkt, und tatsächlich fanden die allermeisten Gags bei mir Anklang), das eingespielte Ensemble muss man einfach liebhaben, die Action langweilt kaum. Die Verknüpfungen mit dem MCU, darunter jenes die dritte Phase beschließende Thanos-Event, kann man getrost ausblenden.

Die Bounty (OT: The Bounty)
Über die Meuterei auf der Bounty und ihre Folgen glaubt man das Wesentliche zu wissen? Nun, ich habe durch diese filmische Nachzeichnung, die sich freilich die ein oder andere narrative Freiheit erlaubt, einiges gelernt. Vierzig Jahre nach seinem Kinostart ist das Abenteuer mit Anthony Hopkins und Mel Gibson so packend wie ein zeitgemäßes Bewegtbildprodukt, mit dialogischer und mimischer Intensität ersten Ranges. Die Angespanntheit, die Verzweiflung unter der Crew, die Motivation ihrer Mitglieder, das ist alles greifbar und erinnert an die Atmosphäre in der jüngeren Amazon-Serie "The Terror".
In weiteren Rollen: Daniel Day-Lewis, Bernard Hill, Liam Neeson und Laurence Olivier.

Beast
Baltasar Kormákur hat (apropos hohe Berge, s.o.) 2015 das hervorragende 3D-Abenteuer "Everest" gedreht und bleibt sich hier seinem Gespür für Nervenkitzel treu. "Beast" führt uns bzw. einen Witwer (immer wieder cool: Idris Elba) und seine Töchter in ein südafrikanisches Reservat, wo ein wild gewordener Löwe sein Unwesen treibt. Die bissige Menschenhatz inklusive notorischer Gefahrensituationen wie dem Steckenbleiben mit dem Jeep sorgen für gefälligen Survival-Horror. Da man dem Publikum keine anderthalb Stunden lange Verfolgungsjagd zumuten kann, musste das Bestienspektakel mit Familientragik aus dem Klischeehandbuch angedickt werden. Zwischen den eindrucksvollen Raubkatzenangriffen ist also hin und wieder Langeweile angesagt.

Picknick am Valentinstag (OT: Picnic at Hanging Rock)
Peter Weirs Romanumsetzung von 1975 gilt als Meilenstein des australischen Kinos. Was ist das Besondere an diesem stillen, traumwandlerischen Sittengemälde? "Picnic at Hanging Rock" gibt vor, auf wahren Begebenheiten zu basieren, das tut es aber nicht. Dadurch, dass der vermeintliche zu Grunde liegende Kriminal(?)fall, das Verschwinden mehrerer Internatsschülerinnen, nie aufgeklärt worden sein soll, wirkt das Erzählte umso authentischer und beunruhigender. Was geschah wirklich bei jenem Ausflug am Valentinstag anno 1900?
Crime, ob True oder nicht, darf man indes nicht erwarten. Das gut zweistündige Drama verläuft ohne größere Spannungskurven, geschweige denn Gewaltspitzen. Es geht gemächlich zu, man muss sich drauf einlassen.

Gorky Park
Um ein mysteriöses Verbrechen (und hier liegt tatsächlich ein solches vor) geht es auch in diesem Polit-Thriller von 1983: eine amerikanische Produktion, die in der Sowjetunion spielt. Wikipedia: "Im Original sprechen die Schauspieler, die Sowjetbürger darstellen, bis auf wenige Ausnahmen, englisch mit britischem Akzent, so auch der Amerikaner William Hurt. Die amerikanischen Charaktere sprechen mit amerikanischem Akzent. Dies dient dazu, die beiden Gruppen hörbar voneinander zu unterscheiden. In der deutschen Synchronisation sprechen alle Charaktere Hochdeutsch." (Ich habe die deutsche Synchronfassung gesehen, konnte aber stets erfassen, welche Figur welche Staatsangehörigkeit hatte.) Wikipedia ist auch zu entnehmen, dass Helsinki und Stockholm als Moskau-Doubles herhalten mussten.
Nettes Kalter-Kriegs-Flair, ordentliche Hard-boiled-Stimmung, eine Prise Action, ein sauber konstruierter Plot. Und mit der Auflösung dessen, worum es von Anfang an geht, i.e. einem gewissen Objekt der Begierde, hätte ich weiß Gott nicht gerechnet.

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