Montag, 23. Dezember 2024

TITANIC vor zehn Jahren: 1/2015


Willkommen im Titanic-Jahrgang 2015, dessen erste Ausgabe wie gehabt von Ende November bis Anfang Dezember produziert wurde – die "ideale" Zeit für Straßenaktionen! (Wobei: Der Rest des Jahres ist auch nicht besser geeignet. Entweder zerfließt man bei 35 Grad oder in strömendem Regen. Ich kann mich kaum an Aktionen erinnern, während derer wir uns gerne draußen aufgehalten haben.) Die in Frankfurt-Bornheim durchgeführte Gender-Aktion "Deutschland von _innen" (S. 12ff.) hat aber abgesehen von den Witterungsbedingungen viel Spaß gemacht und heitere Ergebnisse gezeitigt.


Es war dies übrigens die erste Aktion, an der die spätere Chefredakteurin Julia Mateus teilnahm – als Praktikantin, die auch einiges weiteres Schönes zu dieser Ausgabe beigetragen hat.


Ich wollte gerade recherchieren, wie viele sog. Superreiche es auf der Welt gibt, bekomme aber keine eindeutige Antwort. Unstreitig ist wohl, dass das Privatvermögen der reichsten Menschen 2024 wieder einmal gestiegen ist, doch die tatsächliche Zahl der extrem Begüterten hängt wohl von der Definition ab: Setzt man ein Mindestvermögen von 100 Millionen US-$ Finanzvermögen an, wie es das ZDF tut, kommt man auf weltweit 73.000 Superreiche. "Leute mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Dollar" gibt es laut einer in Titanic zitierten Studie sogar 200.000, zumindest gab es sie vor zehn Jahren, als das Thema offenbar auch schon den Rest der Menschheit umtrieb (Riegel/Tietze: "Unsere Superreichen", S. 46-47).


"Die 'Deutsche Automatenwirtschaft' zeigt sich in einer Anzeigenkampagne von ihrer seriösesten Seite: gesetzestreu, staatstragend, stocknüchtern." (Wolff/Ziegelwagner, S. 34f.) Ja-ha, dank der Zeitkapsel Titanic sehe ich diese Kampagne direkt wieder vor mir: "Kein Spiel ohne Regeln", bah, war das eklig. Ich glaube, es gibt kaum einen Ort, der mich weniger anzieht als eine scheiß Spielhalle.


Seit dem EU-weiten Verbot vor über zwei Jahren abgeschaltet, 2014 aber noch in aller Munde und vor vieler Augen: der deutsche Ableger des russischen Staatssenders Russia Today, "RT Deutsch", nachmals "RT DE". Das Trio Hauck/Hürtgen/Mateus deckte auf, dass "schon längst weitere Propagandakanäle aus dem Ausland auf den deutschen Markt" drängten (S. 26-28):


Hier kommt eines der treffsicher geschmacklosesten Gruppenfotos, die wir je angefertigt haben (im ungünstigerweise auch von Mitmietenden frequentierten Hinterhof der damaligen Redaktionsräume), übertroffen höchstens vom Mount-Everest-Leichenberg etliche Jahre später. Und ja, hinter dem köstlich beknackten Witz steckte eine echte Debatte, die Ende 2014 geführt wurde. Love it.


In dieser Folge von "55ff" hat der Fotograf und Zeichner Renke Brandt, der heute allmonatlich die hintere innere Umschlagseite mit seiner Reihe "Welträumchen" befüllen darf, seinen ersten Auftritt. Der Künstler, den zu treffen ich inzwischen mehr als einmal das Vergnügen hatte, hatte mir unverlangt ein im Eigenverlag herausgegebenes Booklet mit Bildwitzen geschickt, von denen mir auf Anhieb mehrere wie gemacht schienen für eine Nonsense-Rubrik.


Mein diesmonatiger Lieblings-Cartoon ist allerdings dieser des nur wenige Male im Heft vertretenen Björn Ciesinski (im "Fachmann", S. 44):


Weiteres Notierenswertes
- Das gab es meiner Erinnerung nach nur ein einziges Mal: einen Umblätter-Comic von Rattelschneck im Essay (S. 19f.)!
- Erst letzten Monat musste ich anlässlich wiederholten Verdrusses über das Fehlen von Ablageplätzen in Hotel-Badezimmern an einen Aufsatz von Sebastian Klug denken, in der dieser sich "über die gesamteuropäische Hostel- und Campingplatzduschenkultur" echauffiert. Und siehe, in dieser Ausgabe findet sich die "sachliche Auseinandersetzung", und um mangelnde Möglichkeiten, "Kleider sicher zu deponieren", geht es auch darin: "[...] Häkchen, Schemelchen, Ablagebrettchen; aber da war nichts, einfach rein gar NICHTS ... Vor aufsteigender innerer Eiseskälte zitternd, blickte ich angsterfüllt, ja panisch um mich, stakste wie ein blöde gewordener Storch im Kreise umher, und zwar auf den Fersen, um dem Todesbrei möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Schließlich verliere ich im Streß dieser Extremsituation oft die Kontrolle über mein Kleiderhäufchen und lasse es aus den Fingern gleiten, sehe noch im Zeitlupentempo, wie es hinunterstürzt in diesen Haar- und Hautschüppchendreck von tausendundeins widerlichen Menschenkörpern, zum Teil sehr, sehr kranken widerlichen Menschenkörpern!"
- Hinter "Moritz von Uslar", der im Stil seines inzwischen gottlob eingestellten Zeit-Magazin-Formats auf S. 41 ein Interview mit Armin Meiwes führt, steckt natürlich Elias Hauck.
- So vollgehauen wie in diesem Heft ist der "Betrachter" (S. 64f.) selten. Elf Cartoons plus Titelvignette (Thema: Schlagermusikfans) – das würde heutzutage nicht mehr durchgehen!

Schlussgedanke
Eine erquickliche, unaufgeregte und doch bissige, relevante Ausgabe. Mir der Unaufgeregtheit ist es beim nächsten Mal allerdings vorbei ... Oh, Leute, ab kommenden Monat ist nichts mehr, wie es einmal war ...

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