Seit vielen, vielen Jahren, fast so lange wie ich das Wahlrecht besitze, bin ich als Wahlhelfer tätig. Diverse Male war ich in Wahllokalen im Einsatz, am liebsten ist mir aber seit je die Briefwahlauszählung. Dabei hat man keinen direkten Kontakt mit dem Volk, man muss erst 15 Uhr vor Ort sein, die Bezahlung ist trotzdem in Ordnung und die Arbeit überschaubar, meist ist das Prozedere kurz nach der Tagesschau beendet. Wobei sich hinsichtlich des letztgenannten Punktes etwas zu ändern scheint: Wurden Briefwahlvorstände früher noch auf ein paar Büros im Rathaus verteilt, gab es zur hessischen Landtagswahl 2023 ein zentrales Briefwahlzentrum für die Stadt Frankfurt, das sich über die gesamte Ebene einer Messehalle erstreckte. An gefühlt Hunderten Tischen hatten wir gefühlt Tausenden Freiwilligen ordentlich zu tun! Mein Eindruck, dass mehr Menschen per Brief wählen als noch vor fünf, zehn Jahren, wurde kürzlich durch einen Infokasten im Spiegel bestätigt:
Dass in den Wahllokalen trotzdem viel Betrieb herrscht, ja zuletzt sogar mancherorts Leute ihre Stimme nicht abgeben konnten, weil die Schlangen bis 18 Uhr nicht abreißen wollten, ist sicher damit zu erklären, dass die Wahlbeteiligung insgesamt wieder leicht (Bundestagswahl) bzw. stark (Europawahl) ansteigt. Die Briefwahl scheint dessen eingedenk die sicherere Wahl (!) zu sein. Doch aus Erfahrung sage ich: Obacht! Es können nämlich Fehler gemacht werden, die zur Ungültigkeit der Stimme führen. Wir mussten schon Stimmzettel aussortieren, weil beispielsweise der Wahlschein nicht unterschrieben war, der Wahlbrief offen war oder weil aus sonstiger Unachtsamkeit das Wahlgeheimnis nicht gewahrt werden konnte. Insbesondere Ältere mag das Briefwahlverfahren überfordern. Jene sind es allerdings, die sich im Zweifel eher den Gang zum Wahllokal ersparen möchten.
Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass bereits an der Bundestagswahl 2025 – für die ich mich soeben als Wahlhelfer registriert habe – mehr Wahlberechtigte per Brief als in der Kabine wählen. Die Bundestagswahl ist eine vorgezogene, und wer weiß, womöglich haben nicht wenige Deutsche für den anberaumten Termin im Februar schon Urlaub geplant.
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